Sergej Lebedew
Foto: laif/Marzena Skubatz

Erinnerungskämpfe: Russland und das Tabu des Krieges

Wie können wir 80 Jahre nach Kriegsende der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenken, während Russland unerbittlich Krieg gegen die Ukraine führt? Die Schriftsteller Sergej Lebedew und Nikolai Kononow und die Autorin Egana Dzhabbarova sprechen über ihr Nein! zum Krieg, ihr Herkunftsland als Aggressor und das Gift des Imperiums.

Anmeldung ab 5. Mai 2025 9:00 Uhr
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80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa lastet der Schatten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf dem Kontinent. Wie können wir der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenken, während Russlands Krieg in der Ukraine zahllose Opfer und große Zerstörung hinterlässt? 

Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg darf nicht zur Rechtfertigung neuer Kriege missbraucht werden. Die Herausforderung besteht darin, ein Gedenken zu ermöglichen, das historisches Unrecht anerkennt, ohne aktuelle Verbrechen auszublenden.

Die historischen Narrative über den Großen Vaterländischen Krieg stehen heute in scharfem Kontrast zur Realität eines Landes, das sich erneut als Aggressor in Europa betätigt. Das russische Regime hat die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg systematisch zu einer Waffe gemacht und in ein politisches Instrument verwandelt, um die Totalinvasion der Ukraine zu rechtfertigen und sie als Kampf gegen gefährlichen Nationalismus, Nazismus und westlichen Imperialismus darzustellen.

In Russland hingegen sind sowohl die umfassende Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkrieges als Preis des Sieges von 1945 als auch eine offene Diskussion über den aktuellen Krieg gegen die Ukraine ein Tabu. 

Was bedeutet es für das eigene Leben, wenn das Land, das man seine Heimat nennt, einen brutalen Angriffskrieg entfesselt und Hass und Gewalt verbreitet? Davon erzählen 25 Autorinnen und Autoren aus Russland in der Antikriegs-Anthologie „Nein! Stimmen aus Russland gegen den Krieg“. Sie stehen für ein anderes Russland, eines der Vielfalt, auch in der Kunst.

Drei von ihnen sind die Schriftsteller Sergej Lebedew, der auch Herausgeber der Anthologie ist, und Nikolai Kononow sowie die Autorin Egana Dzhabbarova. Sie verweigern sich dem offiziellen Narrativ Russlands. Ihr Nein zum Krieg ist zugleich eine Absage an das imperiale Denken. Auf dem Podium sprechen sie über das Gift des Imperiums: eine unkritische Verklärung der Vergangenheit, die Gewalt und aggressiven Nationalismus als legitime Mittel der Politik erscheinen lässt. Sie geben Einblicke in die aktuelle russische Kultur, in Missstände und gefährliche Entwicklungen innerhalb der russischen Gesellschaft.

Im Laufe des Gesprächs liest Julia Nachtmann Texte aus der Antikriegs-Anthologie „Nein! Stimmen aus Russland gegen den Krieg“.

Es moderiert Gabriele Woidelko, Körber-Stiftung.

In Zusammenarbeit mit dem Rowohlt Verlag.

Eine Veranstaltung in russischer Sprache mit Simultanübersetzung.

  • Egana Dzhabbarova, geboren 1991 in Jekaterinburg, hat mehrere Gedichtbände sowie einen Roman veröffentlicht. Sie ist außerdem Herausgeberin von Textsammlungen zu den Themen Dekolonialität und Feminismus und unterrichtet kreatives Schreiben. Nach Androhung ihrer Verhaftung hat sie Russland verlassen und lebt derzeit in Hamburg.

  • Nikolai Kononow, geboren 1980 in Moskau, ist Journalist und Autor. Er hat zwei Sachbücher sowie die beiden Romane „Aufstand“ (2019) und „Die Nacht, in der wir verschwanden“ (2022) veröffentlicht, beide standen u. a. auf der Shortlist für den Literaturpreis NOS. Seine Essays erscheinen in der Neuen Zürcher Zeitung, in Lettre International und Jacobin. Er lebt in Berlin.

  • Sergej Lebedew, geboren 1981 in Moskau, ist Schriftsteller, Dichter, Journalist und Essayist. Gegenstand seiner sechs veröffentlichten Romane ist die russische Vergangenheit, insbesondere die Stalin-Zeit mit ihren Folgen für das moderne Russland. Lebedews Bücher wurden in zweiundzwanzig Sprachen übersetzt und standen auf der Auswahlliste zahlreicher wichtiger Buchpreise. Er lebt zurzeit in Potsdam.

  • Julia Nachtmann gehörte viele Jahre zum Ensemble des Schauspielhaus Hamburg und wurde 2006 mit dem Boy-Gobert-Preis ausgezeichnet. Seit 2013 ist sie freischaffend, wirkte in diversen Kino- und Fernsehproduktionen mit, ist Sprecherin zahlreicher Hörbücher und Hörspiele und regelmäßig beim Rundfunk tätig. Sie lebt und arbeitet in Hamburg.

  • Gabriele Woidelko ist Osteuropa-Historikerin und Slawistin und leitet bei der Körber-Stiftung in Hamburg den Bereich Geschichte und Politik, dessen Projekte sich mit Geschichtsvermittlung, Erinnerungskultur und den historischen Wurzeln aktueller Konflikte beschäftigen.

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