Hermeskeil/Rheinland-Pfalz

Foto: Körber-Stiftung

Wehrhafte Kommunen?
Politische Resilienz in herausfordernden Zeiten

Wie resilient sind rechtsstaatliche und demokratische Institutionen auf der Ebene der Kommunen gegenüber dem Erstarken von populistischen oder gar extremistischen und verfassungsfeindlichen Gruppierungen? Welche Bundesländer sind bereits gut vorbereitet? Wo könnten die Kommunalverfassungen noch nachgebessert werden?

Dr. Klaus Ritgen prüft für die Körber-Stiftung die Resilienz kommunaler Institutionen und erklärt, welche Schwachstellen es gegen eine Unterwanderung durch verfassungsfeindliche Akteure noch zu beheben gilt.

Wehrhafte Kommunen?

Gutachten Dr. Klaus Ritgen in der Langfassung

Intro

Das Erstarken von populistischen oder gar extremistischen, verfassungsfeindlichen politischen Gruppierungen wirft die Frage nach der Resilienz rechtsstaatlicher und demokratischer Institutionen auf. Auf der Ebene des Bundes wird diese Frage etwa für das Bundesverfassungsgericht diskutiert, sie stellt sich aber auch mit Blick auf die Kommunen. Diese gestalten nicht nur das unmittelbare Umfeld der Bürger und Bürgerinnen, in dem sie bspw. Schulen betreiben, Kultureinrichtungen bereitstellen oder den Öffentlichen Personennahverkehr gewährleisten. Die Städte, Landkreise und Gemeinden sind darüber hinaus vielmehr auch für die Anwendung großer Teile des Bundes- und Landesrechts zuständig. Dazu gehören für die Gesamtordnung des Gemeinwesens zentrale Rechtsgebiete wie etwa das Aufenthalts-, das Staatsangehörigkeits-, das Waffen- oder das Sozialrecht. Wie resilient die kommunale Ebene ist und wie die Resilienz der Städte, Landkreise und Gemeinden gegen die Einflussnahme insbesondere extremistischer, verfassungsfeindlicher politischer Gruppierungen ggf. noch gestärkt werden kann, ist Gegenstand eines im Auftrag der Körber Stiftung erstellten Gutachtens, dessen wesentliche Ergebnisse sich zusammengefasst wie folgt darstellen:

Die Bedeutung der Instrumente der wehrhaften Demokratie für die kommunale Ebene

Im Umgang mit Verfassungsfeinden fällt der Blick naturgemäß zunächst auf die Instrumente der wehrhaften Demokratie (Parteiverbot, Ausschluss von der Parteienfinanzierung, Vereinigungsverbot, Verwirkung von Grundrechten). Mit diesen verfügt das Grundgesetz über Vorkehrungen, mit denen der Vormarsch von verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterbunden werden kann. Nicht zuletzt das Parteiverbot ist eine scharfe Waffe. Da das Parteiverbot – wie die übrigen Maßnahmen – auch zur Unterdrückung missliebiger politischer Konkurrenz eingesetzt werden könnten, kommt ihr Einsatz nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Solange diese Voraussetzungen nicht vorliegen, vertraut das Grundgesetz darauf, dass sich im offenen Streit der politischen Meinungen und bei der Werbung um die Gunst der Wähler und Wählerinnen am Ende diejenigen Kräfte durchsetzen, die fest auf seinem Boden stehen. Dieser Ansatz mutet gerade den vielen Ehrenamtlichen, die sich kommunalpolitisch engagieren und dabei Tag für Tag für die Werte der Verfassung einsetzen, viel zu. Eine Alternative dazu gibt es im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aber nicht.

Aus kommunaler Perspektive tritt hinzu, dass mit den Instrumenten der wehrhaften Demokratie in der Regel nicht gezielt auf verfassungsfeindliche Bestrebungen in einzelnen Kommunen reagiert werden kann. Radikalisieren sich Orts- oder Kreisverbände einer bundesoder landesweit aktiven, insgesamt verfassungsfeindlich agierenden Partei in besonderer Weise, könnte das BVerfG eine mögliche Verbotsentscheidung zwar auf diese Untergliederungen begrenzen, hat dies bislang aber noch niemals praktiziert. Ein von vornherein auf Orts- oder Kreisverbände beschränkter Verbotsantrag ist nicht möglich; auch gehören die Kommunen nicht zu den Antragsberechtigten in einem Parteiverbotsverfahren.

Etwas anders stellt sich die Lage mit Blick auf verfassungsfeindlich agierende kommunale Wählervereinigungen dar. Solche Vereinigungen sind keine Parteien, sondern können nach Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit dem Vereinsgesetz als Vereine durch die dafür zuständigen Behörden verboten werden.

Wird eine Partei allerdings vom BVerfG verboten, zeitigt das auch auf kommunaler Ebene Wirkung. Die Angehörigen verbotener Parteien verlieren ihr Mandat als gewählte Mitglieder der kommunalen Vertretungskörperschaften. In den meisten Bundesländern gilt das auch im Falle des Verbotes einer kommunalen Wählervereinigung. Niedersachsen und Sachsen-Anhalt regeln diesen Fall bislang nicht; insoweit empfehlen sich entsprechende Anpassungen.

Solange eine verfassungsfeindlich agierende Partei oder Wählervereinigung dagegen (noch) nicht verboten ist, muss sie in rechtlicher Hinsicht als gleichberechtigter Akteur im Prozess der politischen Willensbildung respektiert werden. Jede Form des administrativen Einschreitens gegen sie oder der Diskriminierung durch Ungleichbehandlungen ist nicht zulässig.

Resilienz des kommunalen Verfassungsrechts

Auch deshalb sind die Instrumente der wehrhaften Demokratie nicht ohne weiteres geeignet, eine schleichende Unterwanderung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen auf kommunaler Ebene durch Verfassungsfeinde zu unterbinden. Unter dem Gesichtspunkt der Resilienz sind daher auch die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen, die für die zentralen Organe der Städte, Landkreise und Gemeinden gelten: die jeweiligen Vertretungskörperschaften sowie die (in der Regel ebenfalls direkt gewählten) Hauptverwaltungsbeamten und -beamtinnen.

Die Vertretungskörperschaften sind die „Herzkammern“ der Demokratie auf kommunaler Ebene. Hier wird über die zentralen kommunalpolitischen Belange der Städte, Landkreise und Gemeinden gerungen und werden die wichtigsten Entscheidungen für das kommunale Gemeinwesen getroffen.

Neben die Vertretungskörperschaft treten die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten und -beamtinnen. Diese sind die Repräsentanten ihrer Kommune nach außen und verfügen insoweit über erhebliche politische Wirkungsmöglichkeiten. Sie nehmen einen Teil der kommunalen Aufgaben in eigener Verantwortung wahr und sind insoweit insbesondere auch für den Vollzug von Bundes- und Landesrecht in Rechtsgebieten zuständig, die für eine verfassungsfeindlich motivierte Einflussnahme besonders attraktiv erscheinen können (z. B. Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht, Sozialrecht, einschl. des Asylbewerberleistungsrechts, Ordnungsrecht, insb. Waffenrecht). Als Leitungen der Kommunalverwaltung verfügen sie über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber den dort tätigen Mitarbeitenden.

Verfassungsfeinde in den kommunalen Vertretungskörperschaften

An den Wahlen zu den kommunalen Vertretungskörperschaften können auch Verfassungsfeinde teilnehmen. Selbst die Mitgliedschaft in einer von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachteten Partei oder die Tatsache, dass eine Einzelperson unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, schließt das nicht aus. Verfassungsfeinde sind so lange wählbar, bis ihnen die Wählbarkeit durch einen gezielten Hoheitsakt entzogen wurde. Ein solcher
Hoheitsakt liegt vor, wenn das BVerfG feststellt, dass ein Verfassungsfeind seine Grundrechte verwirkt hat (Art. 18 GG). Dann ist er nicht mehr wählbar. Von solchen Ausnahmen abgesehen, lässt sich über das Wahlrecht der Einzug von Verfassungsfeinden in die kommunalen Vertretungskörperschaften also nicht vereiteln.

Nach der Wahl repräsentiert jedes einzelne Mitglied einer kommunalen Vertretungskörperschaft alle Bürger und Bürgerinnen der jeweiligen Gemeinde oder Stadt bzw. des jeweiligen Landkreises. Daraus folgt, dass jedes Mitglied im Grundsatz über dieselben Mitwirkungsrechte in der Vertretungskörperschaft verfügen muss. Das gilt auch für Zusammenschlüsse von Mandatsträger und -trägerinnen, insbesondere also für Fraktionen, deren Bildung auch auf kommunaler Ebene üblich ist.

Eingriffe in dieses Recht auf Gleichbehandlung sind nur unter engen Voraussetzungen, insbesondere zur Gewährleistung der Arbeitsund Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungskörperschaft zulässig. Eine Ungleichbehandlung von Mandatsträger und -trägerinnen bzw. Fraktionen, die an der politischen Ausrichtung der Betroffenen anknüpft, ist von vornherein unzulässig. Das gilt auch für die Vertreter und Vertreterinnen verfassungsfeindlicher, aber nicht verbotener Parteien.

Die Kommunalverfassungen der Länder statten Fraktionen vielfach mit besonderen Befugnissen aus. Der Fraktionsstatus darf angesichts des Anspruchs auf Gleichbehandlung aller Mandatsträgerinnen und -träger auch Vertreterinnen und Vertretern verfassungsfeindlicher Parteien nicht willkürlich versagt werden. Unbedenklich ist es dagegen, wenn Vorgaben z. B. hinsichtlich der Mindestgröße einer Fraktion, die auf sachlichen Erwägungen beruhen, faktisch nur oder
in erster Linie solche Gruppierungen betreffen. Voraussetzung der Anerkennung als Fraktion ist des Weiteren eine jedenfalls im Kern übereinstimmende politische Grundüberzeugung der Fraktionsmitglieder. Fehlt es daran, kann der Fraktionsstatus versagt werden.

Eine Diskriminierung nach Maßgabe der politischen Ausrichtung einer Fraktion ist auch bei der Wahrnehmung von (Minderheiten-) Rechten wie dem Auskunftsrecht oder dem Recht, Punkte zur Tagesordnung anzumelden, rechtlich ausgeschlossen. In Sachsen ist geregelt, dass nur solche Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt werden können, für die die Vertretungskörperschaft zuständig ist. Die übrigen Bundesländer sollten prüfen, ob sie ebenfalls eine solche
klarstellende Regelung in ihr Kommunalrecht aufnehmen. Das kann dazu beitragen, dass die Vertretungskörperschaften nicht als Forum zur Debatte allgemeinpolitischer Fragen genutzt werden. Auch im Übrigen gilt, dass (Minderheiten-)Rechte nicht missbraucht werden dürfen. Wo die Grenze des Missbrauchs verläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu beachten ist ferner, dass die genannten Befugnisse auch wirksame Instrumente der Vertretungskörperschaften zur Überwachung sich radikalisierender Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten sind.

Soweit Kommunen den Fraktionen finanzielle Unterstützung gewähren – sei es auf ausdrücklicher gesetzlicher, sei es auf satzungsrechtlicher Grundlage – sind sie auch insoweit zur Gleichbehandlung verpflichtet. Der Ausschluss von Fraktionen, in denen sich Vertreterinnen und Vertreter verfassungsfeindlicher Parteien zusammengeschlossen haben, von kommunalen Zuwendungen, wäre erst nach einer Verfassungsänderung und auf Grundlage klarer rechtlicher Vorgaben im Landesrecht möglich.

Für Sachentscheidungen gilt in den kommunalen Vertretungskörperschaften stets das Mehrheitsprinzip. Da verfassungsfeindliche Bestrebungen in keiner Kommune über entsprechende Stimmanteile verfügen, sind Mehrheiten gegen sie aktuell stets möglich. Müssen rechnerische Mehrheiten gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen allerdings immer heterogener werden, steigt auch auf kommunaler Ebene die Gefahr der Handlungsunfähigkeit und kann die Akzeptanz demokratischer Regeln abnehmen.

Aufgrund des sog. „Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes“, der Verfassungsrang hat, muss sich in der Zusammensetzung der Ausschüsse in den Gemeinde- und Stadträten sowie den Kreistagen die Kräfteverteilung in den Vertretungskörperschaften möglichst genau widerspiegeln. Vertreterinnen und Vertreter verfassungsfeindlicher Parteien darf daher der Zugang zu den Ausschüssen nicht verwehrt werden; sie haben einen Anspruch auf eine proporzgerechte Vertretung in den Ausschüssen. Die Kommunalverfassungen stellen dies dadurch sicher, dass sie entweder ein Benennungsverfahren oder eine Verhältniswahl vorsehen. In manchen Ländern ist geregelt, dass sich die Vertretungskörperschaft einvernehmlich auf die Zusammensetzung der Ausschüsse verständigen können. Dies bietet den Vorteil, dass auf diese Weise jedenfalls Einfluss auf die Besetzung einzelner Ausschusssitze mit konkreten Personen genommen werden kann.

Auch für die jeweiligen Ausschussvorsitze existieren unterschiedliche Besetzungsverfahren. Soweit Ausschussvorsitzende gewählt werden und durch Wahl wieder abberufen werden können, steht das mit der Verfassung im Einklang, auch wenn auf diese Weise die Vertreterinnen und Vertreter einzelner Fraktionen bei der Besetzung der Ausschussvorsitze mgw. nicht berücksichtigt werden. Es lässt sich aufgrund der sitzungsleitenden und repräsentativen Funktionen des Ausschussvorsitzes rechtfertigen, dass dieser vom Vertrauen der Mehrheit des jeweiligen Ausschusses getragen werden muss.

Soweit sonstige Gremien nicht als Teil- oder Hilfsorgane der Vertretungskörperschaften zu qualifizieren sind, findet der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz keine Anwendung. Hinsichtlich der Auswahl der Personen, die in die Gremien kommunaler Sparkassen oder kommunaler Unternehmen entsendet werden sollen, kann das Recht daher die Mehrheitswahl vorsehen. Soweit dies derzeit nicht der Fall ist, bestehen entsprechende rechtspolitische Gestaltungsoptionen.

Während die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten nach Maßgabe des Kommunalverfassungsrechts einer Reihe von Ländern von Amts wegen Vorsitzende der Vertretungskörperschaft sind, sehen andere Länder eine Wahl der Vorsitzenden (und/oder deren Stellvertreterinnen und -vertreter) durch die Mitglieder der Vertretungskörperschaft vor. Auch in diesem Fall greift der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz nicht. Es gilt vielmehr das Prinzip der freien Wahl durch die Mitglieder der Vertretungskörperschaft. Ein wie auch immer geartetes Zugriffsrecht der jeweils stärksten Fraktion oder ein Anspruch auf Verteilung der zu vergebenden Ämter unter Proporzgesichtspunkten existieren nicht und sind verfassungsrechtlich nicht geboten. Hier gilt in noch stärkerem Maße als bei den Ausschussvorsitzenden: Als Repräsentantinnen und Repräsentanten der kommunalen Vertretungskörperschaften sowie als Sitzungsleitungen sind die Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden in besonderer Weise auf das Vertrauen der Mitglieder der Vertretungskörperschaften angewiesen. Dies rechtfertigt ihre Bestimmung durch Mehrheitswahl.

Verfassungsfeinde als Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte?

Die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte (Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte) sind kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte. Auch soweit sie – was ganz überwiegend der Fall ist – unmittelbar durch die Bürgerinnen und Bürger gewählt werden, stehen sie deshalb in einem besonderen Pflichtenund Treueverhältnis zum Staat. Der Grundsatz der Bestenauslese gilt zwar nicht, sondern wird durch den Wahlakt ersetzt. Auch kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte müssen allerdings die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Das Kommunalwahlrecht der Länder nimmt diese aus dem Verfassungs- sowie dem Beamtenrecht stammende Vorgabe auf und gestaltet sie in der Regel als Wählbarkeitsvoraussetzung aus. Die Länder Brandenburg, Hessen und Schleswig-Holstein, in denen das noch nicht der Fall ist, könnten zur Klarstellung entsprechende Regelungen in ihre Kommunalverfassungen bzw. in die jeweiligen Kommunalwahlgesetze aufnehmen.

Eine Prüfung dieser Wählbarkeitsvoraussetzung im Vorfeld der Wahl ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die kommunalen Wahlausschüsse, denen diese Aufgabe obliegt, sind dafür nach ihrer Zusammensetzung nicht geeignet. Sie könnten, wie in Mecklenburg- Vorpommern vorgesehen, durch eine Einschaltung der Rechtsbzw. Kommunalaufsichtsbehörden in fachlicher Hinsicht gestärkt werden. Die Besonderheiten eines Wahlverfahrens – namentlich die insoweit zu beachtenden Fristen und Termine – lassen es allerdings in jedem Fall unwahrscheinlich erscheinen, dass eine abschließende rechtssichere Prüfung dieser Wählbarkeitsvoraussetzung vor der Wahl gelingt. Umso wichtiger ist es, dass die Verfassungstreue nach der Wahl geprüft wird, etwa im Rahmen eines von Amts wegen durchzuführenden Wahlprüfungsverfahrens oder im Zusammenhang mit der beamtenrechtlichen Verleihung des Amtes. Das insoweit von den Ländern zur Verfügung zu stellende Instrumentarium könnte und sollte noch geschärft werden.

In jedem Fall gilt, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte als Beamtinnen und Beamte jederzeit zur Verfassungstreue verpflichtet sind. Hauptverwaltungsbeamtinnen und beamte, die ihre Pflicht zur Verfassungstreue verletzen, könnten mit den Mitteln des Disziplinarrechts aus dem Dienst entfernt werden.

In Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein (bezogen auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister) können direkt gewählte Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte von den Bürgerinnen und Bürgern auch wieder abgewählt werden. Auch dieses demokratische Instrument kann gegen sich radikalisierende Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte eingesetzt werden. Voraussetzung eines solchen Abwahlverfahrens ist ein entsprechender Antrag in der Vertretungskörperschaft. Verfügen verfassungsfeindliche Bestrebungen allerdings auch in der Vertretungskörperschaft bereits über entsprechende Sperrminoritäten, könnten sie die Einleitung eines Abwahlverfahrens jedoch blockieren. Vor diesem Hintergrund kann es sich empfehlen, das Recht zur Einleitung eines Abwahlverfahrens nicht bei der kommunalen Vertretungskörperschaften zu konzentrieren, sondern es auch der Bürgerschaft zuzugestehen, wie das in einigen Bundesländern der Fall ist.

Die Mitgliedschaft in einer von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachteten Partei ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass es einer Hauptverwaltungsbeamtin und einem Hauptverwaltungsbeamten der notwendigen Verfassungstreue fehlt. Allein darauf kann die Entscheidung über das Fehlen der Verfassungstreue aber im Zweifel nicht gestützt werden.

Interne Kontrolle und externe Rechts- sowie Fachaufsicht über die Kommunen als weitere Resilienzfaktoren

Das Kommunalverfassungsrecht enthält interne, wechselseitige Kontrollmechanismen, die die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Vertretungskörperschaft wie des Handelns der Kommunalverwaltung sicherstellen sollen. Diesem Zweck dienen auch die staatlichen Aufsichtsinstrumente.

Fazit

Insgesamt ist das institutionelle Gefüge auf kommunaler Ebene damit bereits gut vorbereitet, um die Gefahr einer Unterwanderung durch verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verhindern und ihre Einflussmöglichkeiten weitgehend zu beschränken. Insbesondere die Tatsache, dass die Kommunen gemeinsam von Vertretungskörperschaften und Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten verwaltet werden, erweist sich aufgrund der verteilten Zuständigkeiten und der gegenseitigen Überwachungsbefugnisse als stabilitätssteigernd.

Es ist zwar möglich, dass Verfassungsfeinde in die kommunalen Vertretungskörperschaften sowie deren Ausschüsse einziehen und diese als Forum einsetzen könnten, um für ihre politischen Ideen bei den übrigen Mandatsträgerinnen und -trägern, insbesondere aber auch in der Öffentlichkeit zu werben. Bestimmenden Einfluss auf Sachentscheidungen können sie aber nur dann erlangen, wenn sie selbst über entsprechende Mehrheiten verfügen – was bislang nicht der Fall ist – oder andere Mandatsträgerinnen und -träger dafür gewinnen, mit ihnen abzustimmen. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Zusammenwirken stattfindet, ist vor Ort zu entscheiden. Angesichts der gegebenen Stimmverteilung besteht jedenfalls derzeit deutschlandweit in keiner kommunalen Vertretungskörperschaft ein Zwang zur sachlichen Zusammenarbeit.

Auch bei wichtigen Personalentscheidungen – etwa bei der Wahl der Vorsitzenden der Vertretungskörperschaft – gilt das Mehrheitsprinzip; Extremisten kann somit der Zugang zu repräsentativen, breitenwirksamen kommunalpolitischen Ämtern verwirkt werden. Da das BVerfG für die Wahl der Ausschussvorsitzenden im Deutschen Bundestag das Prinzip der Mehrheitswahl als verfassungskonform akzeptiert hat, wäre zu erwägen, entsprechende Regelungen auch in diejenigen Kommunalverfassungen einzufügen, die hinsichtlich der Ausschussvorsitze bislang ein Zugriffs- oder andere Verfahren vorsehen.

Im Übrigen sollte in allen Kommunalverfassungen geregelt werden, dass der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz nur für Teil- und Hilfsorgane der Vertretungskörperschaften gilt, nicht aber für andere Gremien wie z. B. diejenigen der kommunalen Sparkassen. Verfassungsrechtlich ist das zulässig. Auch so kann der Einfluss von verfassungsfeindlichen Mandatsträgerinnen und -trägern minimiert werden.

Die Wahl von Verfassungsfeinden zu kommunalen Hauptverwaltungsbeamtinnen und beamten kann bereits nach geltendem Recht verhindert werden. Dazu sollten alle Länder regeln, dass Verfassungstreue eine Wählbarkeitsvoraussetzung ist. Sofern an der Prüfung der Verfassungstreue als Wählbarkeitsvoraussetzung schon vor der Wahl festgehalten werden soll, müsste die Aufgabe allerdings Stellen übertragen werden, die dazu fachlich und institutionell in der Lage sind. Die Beteiligung der Kommunalaufsicht, wie sie in Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen ist, geht insoweit in die richtige Richtung. Die Kommunalaufsichtsbehörden sollten darüber hinaus in allen Ländern die Befugnis haben, eine Wahl von Amts wegen mit der Begründung anfechten zu können, dass den Gewählten mangels Verfassungstreue eine Wählbarkeitsvoraussetzung fehlt. Eine andere Möglichkeit wäre, das nur noch in einigen Ländern vorgesehene beamtenrechtliche Institut der Ernennung auch für die kommunalen Wahlbeamtinnen und -beamten wieder einzuführen. Auch im Vorfeld der Ernennung wäre die Verfassungstreue zu prüfen. Auf diese Weise könnte die Berufung von Verfassungsfeinden bereits im Vorfeld verhindert werden.

Mithilfe des Disziplinarrechts können aber auch noch nach Amtsantritt Konsequenzen aus der fehlenden Verfassungstreue kommunaler Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten gezogen werden. Überdies stehen der Vertretungskörperschaft Befugnisse zu, mit denen sie die Amtsführung sich radikalisierender Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten überwachen kann. Dazu gehört auch die Möglichkeit, ein Abwahlverfahren einzuleiten. In denjenigen Ländern, die das noch nicht vorsehen, sollte geprüft werden, ob ein solches Verfahren auch auf Initiative aus der Bürgerschaft eingeleitet werden kann.

Auch mit den Mitteln des Aufsichtsrechts kann nötigenfalls dafür Sorge getragen werden, dass der Einfluss von Verfassungsfeinden begrenzt wird. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Vollzug von Bundes- und Landesrecht durch Kommunen, in denen es Verfassungsfeinden gelungen sein sollte, wichtige Positionen zu besetzen. Das Aufsichtsrecht hält auch scharfe Instrumente bereit, die bis hin zur Auflösung einer Vertretungskörperschaft oder der Ablösung kommunaler Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten reichen können. Wirksam kann die Aufsicht allerdings nur werden, wenn bei den insoweit zuständigen Stellen auch die Bereitschaft besteht, ihren Instrumentenkasten einzusetzen. Es ist zwar richtig, dass von der Aufsicht in einer das kommunale Selbstverwaltungsrecht möglichst schonenden Weise Gebrauch gemacht werden sollte. Sobald aber Verfassungsfeinde die Möglichkeiten, die sich ihnen auf kommunaler Ebene bieten, dazu missbrauchen, um ihren verfassungsfeindlichen Zielen zur Durchsetzung zu verhelfen, ist entschiedenes Eingreifen geboten.

Gegenstand des Gutachtens war allein die Frage der rechtlichen Resilienz der kommunalen Ebene gegen Verfassungsfeinde. Viel wichtiger ist es aber, den politischen Erfolg von Populisten und Extremisten zu minimieren. Insoweit sind in erster Linie die demokratischen Parteien gefordert, die dringend versuchen müssen, durch eine bessere, akzeptanzfördernde Politik wieder mehr Unterstützung zu finden.

Kontakt

Hannes Hasenpatt

Programmleiter
Demokratie

Sarah Lang

Programm-Managerin
Demokratie

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