Rückblick 2021

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben. Sie ist böse, gottlos und faul“. Das soll auf einer babylonischen Schrifttafel um 1000 v.Chr. gestanden haben. Einige Teile dieses Zitates hören wir ja noch immer, natürlich aber nicht in dieser Radikalität.

Damals, gestern und auch heute: Die Meinungen junger Menschen werden notorisch unterschätzt und kaum berücksichtigt, gar werden diese als unerhört abgestempelt. Sie sind oft Gesprächsthema aber nicht Gesprächspartnerinnen und -partner – es wird über sie und nicht mit ihnen gesprochen.

Ein Beispiel: Während der Corona-Pandemie werden Jugendliche oft auf ihre Rolle als Schüler und Schülerinnen reduziert, und gleichzeitig bei Entscheidungen um die Schulpolitik konsequent ausgeklammert. Oftmals werden sie als Regelbrecherinnen und Regelbrecher oder als Corona-Party-Volk stigmatisiert. Sie werden als unerfahren, unfähig, unsensibel, unbedarft, unerzogen, unerhört dargestellt.

Was damals, in der Zeit der Babylonier vielleicht gefehlt hat, aber heute existiert, sind Orte der Diskurse. Ob online oder analog, ob auf Instagram oder auf den Straßen – junge Menschen kämpfen für ihre Stimme. Wir wollen dem Diskurs einen weiteren Raum geben und starteten deshalb die Reihe #unerhört im Körber Forum, zu der wir junge Persönlichkeiten U25 einluden und mit ihnen gesprochen haben über ihre Meinungen, Perspektiven und Ideen.

In der ersten Staffel der Reihe ging es um Bildung, Politik und Medien.

Videos

Impressionen 2021

Unerhört: neue Generation, neue Bildung!

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe 2021 wurde es ungemütlich für politische Entscheidungsträger:innen, für Bildungspolitiker:innen, aber auch für Lehrkräfte und Schulleiter:innen. Das Thema des Auftakts war Bildung. Und wir hatten eine Gästin, die sich für den radikalen Wandel des Bildungssystem einsetzt: Jamila Tressel.

Wie ist es, wenn du als Schülerin Schule und Bildung nicht mehr akzeptieren kannst, wie sie sind? Und wie müsste Schule sein, damit du von ihr bestmöglich profitierst? Mit 14 Jahren hat Jamila zusammen mit zwei Mitschüler/innen ein Buch darüber geschrieben, wie eine gute Schule funktionieren könnte. Mit diesem Buch mischten sich erstmals Schüler:innen öffentlich in die Bildungsdebatte ein – Pionierarbeit! Seitdem engagiert sich Jamila für die Transformation der Bildung und Mitspracherecht von Schüler:innen.

Jamila ist Botschafterin und Mitgesellschafterin der Initiative „Schule im Aufbruch“ und Mitgründerin der gUG „Herausforderung einfach machen“. Unter dem Motto „Weg vom unmündigen Pflichterfüller, hin zum mutigen, verantwortungsvollen und selbstdenkenden Individuum“ hält sie im gesamten deutschsprachigen Raum und auch international Vorträge mit Vorschlägen, Möglichkeiten und gelebten Beispielen, wie Schule und Lernen auch anders geht und sogar richtig Spaß machen kann. Aktuell entwickelt sie die „Young BLISSness Academy“, um Bildung, Persönlichkeitsentwicklung, Potentialentfaltung und Unternehmertum zu verbinden und junge Leute zu trainieren, zu stärken und zu befähigen, ihre Zukunft aktiv selbst mitzugestalten.

Im Gespräch im Körber Forum haben wir Jamila gefragt, was ihrer Meinung die Schule können muss und was nicht, welche Kompetenzen die Schule tatsächlich vermitteln sollte, was in der Bildungspolitik passieren muss, und welche Tipps sie für Lehrkräfte und Schüler:innen hat, die sich ebenfalls Veränderungen wünschen.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist in der Mediathek verfügbar.

„Viele sind sich auch gar nicht bewusst, dass es a) eine Alternative gibt zu dem Schulsystem, dass die meisten von uns kennen, und dass es b) auch irgendwie nicht richtig läuft. Da passiert schon an kleinen Orten viel Veränderung, aber im Ganzen darf es noch mehr werden.“

Jamila Tressel

Bildungsaktivistin

Unerhört: jung, politisch, aber anders

Die Jugendlichen sind die Erwachsenen von Morgen? Ja, aber sie sind auch die Bürger und Bürgerinnen von heute! Doch bei politischen Entscheidungen werden sie viel zu selten gefragt und miteinbezogen. Dabei zeigen die Jugendlichen heute eindrucksvoll, dass sie politisch aktiv sein können und wollen – es geht schließlich um ihre Zukunft.

Bei der zweiten Veranstaltung unsere Reihe sprach Moderatorin Refiye Ellek mit Anna Moors. Politik und digitale Kommunikation – dafür brennt Anna. Sie ist Gründerin von „Hinterzimmerpolitik“. Auf TikTok und Instagram begeistert sie über 50 000 junge Menschen für Politik und Engagement – mit viel Humor, Feingefühl und Trendbewusstsein. Ihre Leidenschaft für politische Themen entdeckte sie im Rahmen der Deutschen Schülerakademie 2019. 2020 absolvierte sie ein Praktikum bei der Bundestagsabgeordneten Claudia Moll. Dort gründete sie auch „Hinterzimmerpolitik“. Im Frühjahr 2021 begann sie, für das Wahlkampfteam der SPD zu arbeiten. Für „Hinterzimmerpolitik“ erhielt sie die Auszeichnung für den besten Politik-Blog der Goldenen Blogger.

Im Gespräch im Körber Forum ging es um Annas TikTok Kanal und ihre Erfahrungen in der großen politischen Welt, über Wahlkampf 2021 und darüber, wie sie sich als junger Mensch Politik für die Zukunft wünscht. Es ging auch um ihr ehemaliges Engagement bei Friday For Future, um unterschätzte Potenziale von Social Media für die Politik, um Fake News und um Wahlrecht ab 16.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist in der Mediathek verfügbar.

  • Fotos: Claudia Höhne

„Der größte Denkfehler ist die Annahme, die jungen Generationen seien keine Wähler:innen. Die größte Wähler:innengruppe ist ja Ü60. Aber – das hat das Leben nun mal so an sich – das wird nicht für immer so bleiben. Und deshalb glaube ich, präventive Maßnahmen für kommende Wahlen zu ergreifen, das verpassen super viele als Chance.“

Anna Moors

Content Creatorin

Unerhört: Wie erzählt Generation Z ihre Geschichten?

Funktioniert Storytelling für die Generation Z nur über Streaming und Social Media? Wo, wie und was will die neue Generation kommunizieren? Noch nie hatte eine Generation so viele Instrumente und Kanäle, um ihre Geschichten zu erzählen und zu teilen. Paul Bühre hat sich für den klassischen Weg entschieden und Bücher geschrieben. Tim „TJ“ Jacken ist hingegen auf YouTube und TikTok ganz in seinem Element. Bei der dritten Veranstaltung unserer Reihe berichteten diese zwei verschiedene Storyteller einer Generation über ihre Erfahrungen und Perspektiven und sprachen darüber, was sie in der Kommunikation von, mit und über Generation Z wichtig finden.

TJ hatte seinen persönlichen Durchbruch, nachdem er anfing, auf Missstände in der Social Media-Szene hinzuweisen. Doch TJs YouTube-Karriere begann schon viel früher: Bereits 2010 legte der damals 13-Jährige auf der Videoplattform seinen ersten Account an. Ab 2013 dann nahm seine Leidenschaft, Videos zu produzieren, Fahrt auf und er erstellte den YouTube-Kanal „Power TJ“, auf dem er mittlerweile vor allem Highlights aus seinen Twitch-Streams hochlädt. Seitdem ist Tim regelmäßig vor und hinter der Kamera aktiv. Sein Hauptkanal „TJ – Tim Jacken“ folgte 2015. Auch auf TikTok, Instagram und Twitch ist TJ aktiv und verbreitet dort kreativen Content aller Art. Dabei sind es nicht nur die spannenden Themen, die zahlreiche Fans auf seine Channels locken, sondern vor allem die Aufbereitung seines Contents. Tim ist Profi – sowohl vor als auch hinter der Kamera.

Paul machet mit 15 Jahren ein Schülerpraktikum beim ZEITmagazin, wo er seinen ersten Text veröffentlichte. Aus diesem Artikel entwickelte sich in Zusammenarbeit mit der Journalistin Heike Faller das erste Buch unter dem Titel „Teenie Leaks“, das bei Ullstein erschien. Nach dem Abitur ging Paul ein Jahr auf Reisen: in eine chinesische Kung-Fu-Schule in Henan, um Kung Fu zu lernen, dann nach Chennai in Indien, um Kinder zu unterrichten, und zuletzt auf eine Farm in Schottland, um ein Handwerk zu erlernen. Wie er mit dem Kung Fu Meister aus kleinen winzigen Tassen Tee trank und danach nicht schlafen konnte, wie er es schaffte, sich beim Kickboxen seinen Arm zu brechen und wie er über Umwege nach Indien kam, um sich dann weiter durchzuwurschteln, mit indischen Bodybuildern und zu langen Ostergottesdiensten auf Tamil, kann man in seinem zweiten Buch nachlesen: „Das Jahr nach dem Abi“. Im Moment zeichnet Paul viel an seinem Comic und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. Er hat sein erstes Studium in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste abgeschlossen und beginnt sein Drehbuch-Studium.

Im Gespräch im Körber Forum ging es um Chancen und Schattenseiten von Social Media, um Unterschiede zwischen YouTuber:innen und Influencer:innen, Generationenunterschiede und -Vorurteile und wie wir diese mit Kommunikation überwinden.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist in der Mediathek verfügbar.

Foto: Felix Schätzler

„Ich glaube, die Vorurteile, die es jetzt zu GenZ gibt, gab es schon immer gegenüber jüngeren Menschen.“

Tim Jacken

Influencer

Warum wir der Generation Z mehr zuhören sollten

Die erste Staffel wurde abgeschlossen mit einer Podcast-Folge, in der die Moderatorin Refiye Ellek von den Highlights der Reihe und ihren persönlichen Erkenntnissen berichtete und Tipps für mehr Verständigung zwischen den Generationen teilte.

Gesellschaft besser machen

Podcast Gesellschaft besser machen

zur Folge

Refiye Ellek spricht mit Generation »Unerhört« Episode #42 30. Dez 2021