Foto: Pixabay

Einstellungen zur Digitalisierung im europäischen Vergleich

Im TechnikRadar 2019 wurden die Befragungsdaten von 2018 mit internationalen Studien zu Einstellungen in verschiedenen Ländern Europas sowie ausgewählten außereuropäischen Ländern verglichen. Vertieft wurde auch die Frage, welche Rolle Alter und Geschlecht hierbei spielen. Ein weiteres Thema war, wie die Deutschen im europäischen Vergleich zu künftigen Anwendungen im Alltag – etwa eHealth, autonomes Fahren oder Pflegeroboter – stehen.

TechnikRadar 2019

Wissenschaftliche Langfassung zum Schwerpunkt Einstellungen zur Digitalisierung im europäischen Vergleich, die ausführlich die Methoden, Befunde und Auswertungen darstellt und einordnet.

Die Ergebnisse in Kürze

Skandinavier bei Erwartungen besonders optimistisch

Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir leben, kommunizieren und arbeiten. Europas Bürger:innen stehen diesem Wandel überwiegend aufgeschlossen gegenüber: Drei Viertel erwarten einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft (75 %). Zwei Drittel äußern sich optimistisch, wenn es generell um gesellschaftliche Auswirkungen (64 %) und den Einfluss auf die Lebensqualität (67 %) geht. Die Deutschen befinden sich mit ihrer Einstellung im Mittelfeld: Die Erwartungen an eine bessere Lebensqualität entsprechen etwa dem EU-Durchschnitt. Die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wirtschaft werden von den Deutschen um sieben Prozentpunkte höher, die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft jedoch um zehn Prozentpunkte niedriger als im europäischen Durchschnitt eingeschätzt. Optimistischer als der europäische Durchschnitt – und damit auch die Deutschen – sind die Skandinavier: Rund drei Viertel der Dänen und Schweden erwarten positive Auswirkungen der Digitalisierung auf alle drei Bereiche – Wirtschaft, Gesellschaft und das eigene Leben. Skeptischer sind Franzosen, Italiener und Österreicher: Ihre positiven Erwartungen liegen in fast allen Bereichen unter dem EU-Schnitt.

Wer sich mehr Kompetenz zutraut, ist zukunftsoptimistischer

Wie aufgeschlossen Menschen für Veränderungen im Zuge der Digitalisierung sind, hängt auch davon ab, ob man sich selbst in der Lage sieht, die Risiken im Umgang mit der Digitalisierung kompetent bewältigen zu können. So haben Dänen, Schweden und Niederländer, die ihre digitale Kompetenz überdurchschnittlich gut bewerten, auch überdurchschnittlich positive Erwartungen an die Digitalisierung. Die Deutschen haben nur durchschnittliches Vertrauen in die eigene Kompetenz und auch ihr Optimismus liegt im europäischen Mittelfeld. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hinter Skandinavien und Großbritannien, aber vor den Mittelmeerländern. Besonders niedrig ist das Vertrauen in die eigene digitale Kompetenz in Ungarn, Bulgarien und Griechenland. Interessanterweise haben die Schweden, die sich als digital sehr kompetent einschätzen, auch relativ hohe Erwartungen an die staatliche Regulierung. 26 Prozent meinen, es sei Aufgabe der Regierung, sicherzustellen, dass neue Technologien die Gesellschaft verbessern. In Deutschland sind es nur neun Prozent.

Unterschiedliches Vertrauen in Akteure

Wie die Deutschen digitale Geräte und Dienstleistungen bewerten, hängt von zwei Faktoren ab: einerseits davon, ob die Ziele, die hinter ihren Anwendungen stehen, akzeptiert werden, andererseits davon, ob die Regulierungserwartungen, zum Beispiel an den Schutz von Daten, erfüllt werden. Das hat bereits das TechnikRadar 2018 gezeigt. Doch wer sollte die Rahmenbedingungen schaffen und regulieren: Unternehmen, nationale Behörden, die EU oder alle zusammen? Hier besteht ein gemischtes Meinungsbild in Europa: 20 Prozent würden die Governance der Digitalisierung den Unternehmen überlassen. Am zweithäufigsten wurden alle drei Akteure (19 %) genannt, gefolgt von den nationalen Behörden (16 %). Auch unter den Deutschen sind die Meinungen gemischt: 27 Prozent wünschen sich eine Regulierung durch Unternehmen, 21 Prozent durch alle drei Akteure. Nur die nationalen Behörden sehen zehn Prozent in der Pflicht. Digitalisierung wird insbesondere dann kritisch erlebt, wenn sie als ein Prozess wahrgenommen wird, dem man sich ausgeliefert fühlt. Digitalisierung als gestaltbarer Prozess, für den die individuellen Kompetenzen und die institutionelle Regulierung vorhanden sind, wird hingegen positiv bewertet.

In Schweden Ältere so optimistisch wie Jüngere

Ältere sind nach allgemeiner Auffassung skeptischer als die Jugend. Geht es um die Digitalisierung, sind diese Altersunterschiede jedoch nicht überall gleich ausgeprägt: In Ländern wie Schweden, wo die Menschen sich mehrheitlich für kompetent halten und ihr Land als digital fortgeschritten wahrnehmen, haben sogar die über 65-Jährigen ähnlich positive Erwartungen an digitale Technologien wie die Digital Natives unter 35. In Ländern wie Deutschland, die sich nicht als digital fortgeschritten wahrnehmen und in denen sich die Befragten nur für durchschnittlich kompetent im Umgang mit digitalen Technologien halten, sind die Unterschiede größer: Die Generation 65+ hat hier meist erheblich seltener positive Erwartungen an die neuen Technologien als die Jugend. Die Erwartungshaltung spiegelt dabei die unterschiedliche Risikowahrnehmung wider: Für junge Menschen überwiegen die Vorteile digitaler Geräte und Dienstleistungen. Risiken werden als alternativlos und kontrollierbar bewertet. Ältere Nutzer hingegen verwenden Geräte und Dienstleistungen seltener und haben gleichzeitig auch größere Sicherheitsbedenken.

Blick auf Risiko und Nutzen ändert sich

Wer noch am Berufsleben teilnimmt, fühlt sich im Umgang mit digitalen Geräten und Dienstleistungen meist kompetenter als diejenigen, die nicht erwerbstätig sind: Während 25 Prozent der befragten Europäerinnen und Europäer sich für nicht digital kompetent halten, sind es bei Nicht- Erwerbstätigen 36 Prozent, bei Rentnerinnen und Rentnern sowie Pensionärinnen und Pensionären sogar 49 Prozent. Die Ursachen können unterschiedlich sein: Einer Hypothese zufolge üben junge Menschen durch Schule, Beruf und Freundeskreis schon früh digitale Techniken ein. Ältere Menschen würden mit diesen nicht so vertraut wie diejenigen, die mit digitaler Technik aufwachsen, und schätzten sie daher skeptischer ein. Würdedieser Effekt überwiegen, würde die digitalisierungskritische, ältere Generation irgendwann aussterben. Tatsächlich scheint jedoch der Alterseffekt stärker zu sein: Mit zunehmendem Alter werden Menschen fast überall in Europa skeptischer, ein Rückgang, der in der ältesten Altersgruppe besonders deutlich wird. Hier nimmt der berufsbedingte Druck, die digitalen Technologien zu nutzen, ab. Damit verschiebt sich das subjektive Risiko-Nutzen-Verhältnis.

Vor allem ältere Frauen skeptisch

Männer und Frauen unterscheiden sich in ihren Erwartungen an digitale Technologien. Diese sind bei den Frauen im Schnitt etwas geringer. Europaweit sind die Gender-Unterschiede bei der jungen Generation unter 35 Jahren und auch in der mittleren Altersgruppe bis 65 Jahren allerdings gering. Bei den über 65-Jährigen haben Männer jedoch meist positivere Erwartungen an die Digitalisierung als die gleichaltrigen Frauen. Regional sind die Unterschiede deutlicher: In Schweden, wo die Zustimmung zur Digitalisierung generell sehr hoch ist, haben mehr Frauen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren (86 %) positive Erwartungen als die gleichaltrigen Männer (83 %). Dort sind auch die Menschen über 65 kaum skeptischer eingestellt als andere Altersgruppen. In Frankreich, Italien und Tschechien sind Unterschiede bei der Generation 65+ hingegen besonders stark ausgeprägt: Ältere Frauen stehen hier der Digitalisierung sehr skeptisch gegenüber. Deutschland belegt einen mittleren Platz: Hier haben Frauen über 65 deutlich weniger positive Erwartungen als die Männer. Dieser Unterschied ist übrigens in Westdeutschland ausgeprägter als in Ostdeutschland.

Ängste vor Arbeitsplatzverlust in Südeuropa

Drei von vier Europäerinnen und Europäer glauben, dass die Digitalisierung gut für die Wirtschaft sei. Gleichzeitig befürchtet fast die Hälfte der Befragten einen Verlust von Arbeitsplätzen. Dabei zeigen die Umfragen starke Unterschiede zwischen den Ländern: Am wenigsten Angst vor Arbeitsplatzverlust haben die Niederländer (46 %), die Dänen (53 %) und die Finnen (59 %). In Deutschland äußern hingegen drei Viertel (74 %) der Befragten diese Befürchtung. Besonders pessimistisch sind die Erwartungen in Südeuropa: In Portugal erwarten 93 Prozent der Befragten einen Verlust von Arbeitsplätzen, in Spanien 90 Prozent, in Griechenland 88 Prozent. Eine große Rolle bei der Einschätzung spielen soziale Faktoren: Menschen mit geringer Bildung fürchten eher einen Verlust von Jobs (80 %) als höher Gebildete (65 %). Interessanterweise wird der eigene Arbeitsplatz mehrheitlich für nicht gefährdet gehalten. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 %) gibt an, dass die eigene Arbeit nicht durch einen Roboter oder künstliche Intelligenz erledigt werden könne. 44 Prozent erwarten hingegen, dass zumindest Teile ihrer Arbeit der Digitalisierung zum Opfer fallen könnten.

Höchste Zustimmung bei Pflegerobotern in Polen und Tschechien

Angenommen, Sie wären alt oder pflegebedürftig. Wie angenehm wäre es für Sie, einen Roboter zu haben, der Sie bedient und Ihnen Gesellschaft leistet? Die Hälfte der Europäerinnen und Europäer ist von dieser Vorstellung wenig begeistert: 51 Prozent sagen, die Vorstellung sei ihnen unangenehm. Überdurchschnittlich hohe Zustimmungswerte zu helfenden Robotern findet man in Polen (45 %), in Tschechien (42 %) und in Lettland (40 %). In Deutschland (27 %) liegen die Bewertungen in der Nähe des europäischen Durchschnitts (26 %). Das TechnikRadar 2018 sieht die Deutschen bei dieser Frage gespalten, weil 40 Prozent die technischen Hilfen positiv einschätzen, 32 Prozent sie aber grundsätzlich ablehnen. Weniger aufgeschlossen sind die Menschen in den südeuropäischen Ländern: In Griechenland liegt die Ablehnung bei 76 Prozent, in Portugal bei 71 Prozent und in Spanien bei 62 Prozent. Italien hingegen (56 % Ablehnung) unterscheidet sich hinsichtlich der Einschätzung von Pflegerobotern kaum vom europäischen Durchschnitt.

Bei Gesundheitsdaten Meinungsbild gespalten

Dank neuer digitaler Technologien lassen sich große Datenmengen speichern und jederzeit abrufen. Sollen auch medizinische Daten online, beispielsweise für die eigene Ärztin oder den eigenen Arzt, zur Verfügung stehen? Die europäische Öffentlichkeit ist in dieser Frage gespalten. Eine knappe Mehrheit, 52 Prozent, wünscht sich dies, 43 Prozent lehnen es ab. Vergleicht man die Einschätzungen in den untersuchten Ländern, gibt es erhebliche Unterschiede: Ausgeprägt ist der Wunsch nach dem persönlichen Online-Zugriff auf die eigenen medizinischen Daten in Finnland (82 %), Dänemark (80 %), den Niederlanden (70 %) und den Baltischen Staaten (70 %). In Deutschland (38 %), Österreich (34 %) und Ungarn (32 %) möchte dies nur eine Minderheit. Die persönliche Einschätzung wird von Alters- und Bildungseffekten beeinflusst: Während sich 64 Prozent der unter 40-Jährigen einen Online-Zugang zu medizinischen Daten wünschen, sind es in der Altersgruppe der über 54-Jährigen nur 38 Prozent. In der niedrigsten Bildungsgruppe wünschen sich dies 27 Prozent, in der höchsten dagegen 66 Prozent.

Mensch im Operationssaal bevorzugt

Neue Technologien können auch das Verhältnis zwischen Arzt oder Ärztin und Patient:innen verändern. Schon heute werden Roboter am OP-Tisch eingesetzt, die zum Beispiel den Chirurgen unterstützen. Wie sieht das die Bevölkerung? Die Hälfte – 51 Prozent – der Europäerinnen und Europäer ist dagegen. 44 Prozent können sich einen Roboter im OP zumindest vorstellen, 26 Prozent äußern sich sogar deutlich zustimmend. Die Deutschen liegen mit 56 Prozent Ablehnung und 20 Prozent Zustimmung im europäischen Mittel. Aufgeschlossener sind die Niederländer mit 45 Prozent und die Dänen mit 42 Prozent Zustimmung. Aber auch in Polen (39 %) und Schweden (36 %) hat mehr als ein Drittel keine Bedenken gegen Roboter im OP. Dagegen lehnen mehr als 70 Prozent der Befragten in Kroatien (76 %) und Ungarn (66 %) den Einsatz dieser Technologie im OP ab.

Spanien, Griechenland und Frankreich bei autonomem Fahren skeptisch

Die Deutschen hängen an ihren Autos, und sie wollen diese auch mehrheitlich weiterhin selbst fahren. Das hat das TechnikRadar 2018 gezeigt: Nur 18 Prozent halten autonomes Fahren für zuverlässig. Und lediglich 16 Prozent wären bereit, während der Fahrt die Verantwortung vollständig an ein Fahrzeug abzugeben. Mit ihrer Zurückhaltung stehen die Deutschen nicht allein: Laut Eurobarometer würde sich die Mehrzahl der Europäer:innen (58 %) in einem fahrerlosen Auto unwohl fühlen. Nur 22 Prozent hätten keine Probleme damit, sich einem autonomen Fahrzeug anzuvertrauen. Besonders ausgeprägt ist die Ablehnung des autonomen Fahrens in den südeuropäischen Ländern: Zypern und Spanien (jeweils 70 %), Griechenland (69 %) und Frankreich (65 %). Auch in Großbritannien (65 %) überwiegt die Skepsis. Deutschland belegt im europäischen Vergleich mit 62 Prozent Ablehnung einen Mittelwert. Besonders aufgeschlossen stehen dem autonomen Fahren Niederländer gegenüber – 34 Prozent würden sich in einem selbstfahrenden Fahrzeug wohlfühlen –, gefolgt von Schweden (30 %), Dänen (31 %) und Italienern (27 %).