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Was die Deutschen über Digitalisierung denken

Was die Deutschen über die Auswirkungen der Digitalisierung denken, hat das TechnikRadar 2018 untersucht. Ein Thema war auch, wie sie zu künftigen Anwendungen im Alltag – etwa Smart Home, autonomes Fahren oder Pflegeroboter – stehen. Vom 12. Oktober bis 22. November 2017 wurden 2002 zufällig ausgewählte deutschsprachige Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt.

TechnikRadar 2018

Wissenschaftliche Langfassung zum Schwerpunkt Digitalisierung, die ausführlich die Methoden, Befunde und Auswertungen mit Hilfe der empirischen Sozialforschung darstellt und einordnet.

Die Ergebnisse in Kürze

Skepsis bei Technik als Problemlöser

Die Deutschen sind skeptisch, wenn es darum geht, mit Technik für eine bessere Zukunft zu sorgen: Nur ein Viertel (24,6 %) ist der Ansicht, dass Technik mehr Probleme löst, als sie schafft. Und dass Technik bei zentralen Herausforderungen der Menschheit wie Hunger, Armut und Klimawandel helfen wird, erwartet nur ein Drittel (33 %). Trotz dieser Sorge lehnen die Deutschen Technik nicht grundsätzlich ab. Sie betrachten sie differenziert und sehen, dass den Risiken auch Chancen gegenüberstehen. 53,5 Prozent sagen, sie seien an Technik interessiert und 56 Prozent halten sich sogar für technikbegeistert. Fast so viele (50 %) rechnen damit, dass Technik die Lebensqualität für nachfolgende Generationen verbessern wird. Ostdeutsche sind hier zuversichtlicher als Westdeutsche, Männer zuversichtlicher als Frauen.

Technischer Wandel unaufhaltsam

In einem sind sich fast alle einig: 89,5 Prozent der Deutschen halten den technischen Wandel für unaufhaltsam. Vor allem Menschen, die gebildet sind und sich viel leisten können, stimmen dem zu. Eine Mehrheit der Befragten (60 %) erwartet mit der technischen Entwicklung auch zunehmend Zwänge für den Einzelnen. Nur eine sehr kleine Minderheit von 6,5 Prozent glaubt dies nicht. Obwohl der technische Wandel nach Ansicht fast aller nicht gestoppt werden kann, fordern 38 Prozent, dass man der Technik Grenzen setzen müsse. Nur 28 Prozent sprechen sich für eine uneingeschränkte Technikentwicklung aus. Höher Gebildete neigen eher dazu, Grenzen setzen zu wollen.

Nützliche Technologien oft risikoarm

Gefragt nach konkreten Technologien sind die Bewertungen der Deutschen meist komplementär: Nützliche Technologien sind aus ihrer Sicht oft risikoarm – beispielsweise der Einsatz von umweltverträglichen Verkehrsmitteln und erneuerbaren Energien. Als riskant eingestufte Technologien, wie der Einsatz von Robotern in der Pflege oder die gezielte genetische Veränderung von Nutzpflanzen, werden zugleich als wenig nützlich angesehen. Andere Technologien nehmen die Deutschen als ambivalent wahr. Sie erleichtern unser Leben, sind aber gleichzeitig mit Risiken verbunden. Ein Beispiel ist die Datenüberwachung zum Erhalt der inneren Sicherheit.

Gerechtigkeit geht vor Eigennutz

Beim Nutzen von Technik denken die Deutschen in erster Linie an den Mehrwert für die Gesellschaft: Mit 74 Prozent ist es einer deutlichen Mehrheit wichtig, dass Technik mit gesellschaftlichen Werten wie Umweltschutz und Gerechtigkeit im Einklang steht. Knapp ein Viertel (25 %) findet technische Neuerungen nur dann gut, wenn sich daraus persönliche Vorteile ergeben. Wer den persönlichen Nutzen wichtig findet, hält tendenziell auch die sozialen Werte hoch. Für den Fall, dass Nutzen und soziale Werte im Widerspruch stehen, zeigen sich die Befragten mit 39 Prozent eher unentschieden. 32 Prozent sprechen sich dafür aus, dass dann der Nutzen ausschlaggebend sein sollte. 29 Prozent lehnen genau dies ab.

Ältere Frauen technikaverser als Männer

Frauen sind im Durchschnitt technikaverser als Männer: Sie nutzen Technik seltener und bewerten die Folgen mit mehr Skepsis. Fast 42 Prozent der Frauen, aber nur 29 Prozent der Männer glauben, dass Technik mehr Probleme schafft als löst. Im Alter verschärfen sich die Unterschiede: Bei den Frauen ab 65 Jahren sind dieser Ansicht nahezu die Hälfte (47 %), bei den Männern unter 35 nur 19,4 Prozent. In Westdeutschland erwarten nur 37 Prozent der Frauen, dass Technik die Lebensbedingungen künftiger Generationen verbessert. In Ostdeutschland liegt die Quote hingegen bei 62,6 Prozent. Interessant ist dabei, dass diese Unterschiede vor allem bei älteren Frauen zu finden sind, während sich in der jüngsten Altersgruppe Männer und Frauen kaum unterscheiden.

Sorge um persönliche Daten, vor allem bei Jüngeren

Die Digitalisierung und ihre Folgen betrachten die Deutschen mit gemischten Gefühlen: Sie erwarten zum Beispiel mehrheitlich einen Komfortgewinn (54,5 %), befürchten jedoch ebenso, die Hoheit über ihre eigenen Daten zu verlieren (60,6 %). Sorgen um die Datensicherheit machen sich vor allem jüngere Befragte, besser Gebildete, Personen mit einer technisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung und diejenigen, die sich sozial oberhalb der Mittelschicht einordnen. Dass Hacker in die Computernetzwerke eindringen und die Infrastruktur gefährden könnten, befürchten 62 Prozent. Diese Skepsis setzt sich fort, wenn man nach konkreten digitalen Technologien, wie autonomes Fahren oder Smart Home, fragt. Dass die Digitalisierung Arbeitsplätze kosten werde, vermuten 47 Prozent der Befragten.

Mehrheitlich kein Vertrauen in autonomes Fahren

Für viele Deutsche ist das Auto ein unverzichtbares Gebrauchsgut. Für die Hälfte der Befragten – Männer und Frauen gleichermaßen – ist das Autofahren aber auch etwas, was Spaß macht. Andere Verkehrsmittel werden nicht ausgeschlossen: 57 Prozent geben an, auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen zu wollen, wenn das Angebot gut genug ist. Einer Verbreitung des vollautonomen Fahrens stehen erhebliche Vorbehalte entgegen. Nur 18 Prozent stufen es als zuverlässig ein – Männer (24 %) eher als Frauen (12 %). Und nur 16 Prozent derjenigen, die selbst Auto fahren, wären bereit, die Verantwortung vollständig an das Fahrzeug abzugeben. Knapp zwei Drittel (65 %) lehnen das klar ab. Hier spiegeln sich auch Sorgen um die Sicherheit der Daten wider. Jeweils eine deutliche Mehrheit stört sich daran, dass das Fahrzeug personenbezogene Daten sammelt (65 %), Computerpannen ein Verkehrschaos auslösen (66 %) und Hacker Unfälle verursachen könnten (67,4 %).

Bei Smart Home Angst vor Kriminellen

Nur 8 Prozent der Deutschen nutzen Smart-Home-Technologien, während eine Mehrheit (57 %) diese nicht einmal in Erwägung zieht. Mit dem Alter nimmt die Ablehnung zu. Nur 14 Prozent halten es im Übrigen für sehr wahrscheinlich, durch Smart Home im Alter länger selbstständig leben zu können. Mit einem Komfortgewinn im Smart Home rechnet eine Mehrheit der Befragten (55 %). Dass man auf diese Weise Energie sparen könne, glauben 54 Prozent. Befürchtet wird, dass Kriminelle die Kontrolle über die Wohnung übernehmen könnten (68 %) und dass man vom System und Hersteller abhängig werde (66 %). Danach gefragt, unter welchen Bedingungen ein Smart Home interessant würde, stehen Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Die Bedienbarkeit und Funktionalität werden von mehr als 80 Prozent als wichtig angesehen. Der schwächste Handlungsgrund ist mit immerhin noch 57 Prozent der Anschaffungspreis.

Ärztliche Erfahrung im Mittelpunkt

Ärzt:innen mit ihrer langjährigen Erfahrung genießen weiterhin viel Vertrauen. Für 82 Prozent der Befragten ist ärztliche Expertise die präferierte Diagnoseform. 36,5 Prozent würden es begrüßen, dass Ärzt:innen ihre Diagnose auf Basis von Big Data erstellen. Sollten sich die Ergebnisse der Datenbankanalyse und die Einschätzung der Ärztin oder des Arztes widersprechen, würden 44 Prozent der Befragten dem ärztlichen Urteil den Vorzug geben und 21 Prozent der Empfehlung des Computers. Immerhin ein Drittel (35 %) ist unentschlossen. Viele Deutsche werden bei gesundheitlichen Beschwerden selbst aktiv: 70 Prozent der Befragten recherchieren gelegentlich online nach Informationen. Nur 17 Prozent tun das meistens oder immer. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit solcher Recherchen erheblich und die Überprüfung ärztlicher Diagnosen in etwas geringerem Umfang ab.

Mangelnde Zuwendung bei Pflegeroboter befürchtet

In der Frage, ob Pflegeroboter sinnvoll sind, zeigen sich die Deutschen gespalten: 40 Prozent beurteilen diese technischen Hilfen positiv, aber 32 Prozent lehnen sie grundsätzlich ab. Frauen sind skeptischer als Männer. Eine große Mehrheit (81 %) rechnet damit, dass Pflegebedürftige durch den Einsatz solcher Maschinen weniger menschliche Zuwendung erhalten. Sollten Pflegeroboter das Personal von Routineaufgaben entlasten, würden dies immerhin 60 Prozent begrüßen. Die Hilfe bei intimen Verrichtungen sollte Robotern jedoch nicht übertragen werden: Nur 15 Prozent würden das gutheißen. 53 Prozent der Befragten befürchten, dass sich im Fall des Einsatzes solcher Maschinen über kurz oder lang nur noch Wohlhabende von Menschen pflegen lassen können.

Politik bei Sicherheit der Stromversorgung gefordert

Das Stromnetz wird weitgehend über digital vernetzte Systeme gesteuert. Bei allen Akteuren, die dafür zuständig sind, den Schutz vor Internetkriminellen zu gewährleisten, erkennen die Befragten eine deutliche Lücke zwischen Verantwortung und Leistung. 71 Prozent der Deutschen sehen beispielsweise die Stromversorger in der Verantwortung, die Netze zu sichern. Doch nur 35 Prozent bezeichnen ihre Leistung als gut. Für die Politik ist die wahrgenommene Lücke besonders groß: 69,5 Prozent halten sie für mitverantwortlich, aber nur 21 Prozent sind mit ihrer Arbeit auf diesem Gebiet zufrieden. Auch die Glaubwürdigkeit aller Akteure wird kritisch eingeschätzt. Das meiste Vertrauen genießen die Sicherheitsbehörden, wie zum Beispiel die Polizei (45 %). Die Stromversorger (33 %) und die Behörden, wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (33 %), erhalten etwas schlechtere Noten. Nur wenig Befragte schätzen die Glaubwürdigkeit der Politik als gut ein (17 %).