HAVE A NICE DOG!

Foto: Jalal Maghout

Exile Visual Arts Award

Exile Visual Arts Award geht an Jalal Maghout

Der mit 10.000 Euro dotierte Exile Visual Arts Award geht an den aus Syrien stammenden Künstler Jalal Maghout für sein Werk „HAVE A NICE DOG!“. Sein Werk wurde aus über 650 Einreichungen ausgewählt, die von rund 300 Kunstschaffenden stammen.


Der Preisträger und sein Werk

Jalal Maghout (*1987, Syrien) ist Animationsfilmemacher und lebt seit 2013 in Deutschland. Seinen 13-minütigen Animationsfilm „HAVE A NICE DOG!” reichte er 2020 an der Filmuniversität Babelsberg als Master-Abschlussfilm ein. Er basiert auf Maghouts eigenen Kriegserfahrungen in Damaskus und ist ein Psychodrama über einen Mann, dem die vermeintliche Normalität zunehmend absurd erscheint, die die Menschen in der von Bombenabwürfen umgebenen Stadt aufrecht zu erhalten versuchen.

Mehr und mehr verliert er sich in Fantasien von Flucht und inneren Dialogen mit seinem Hund Baroud. Nachdem fast alle seine Freunde die Flucht bereits gewagt haben, imaginiert der Protagonist in teils surrealen Bildern Auswege aus seiner verzweifelten Lage. Die Angst sitzt ihm dabei spürbar im Nacken und treibt ihn in die Isolation. Einzig sein Hund ist sein Vertrauter. Doch im Gegensatz zu seinem Herrchen versteckt das Tier seine Gefühle nicht.


Die Jurybegründung

Die Jury lobt die erzählerische und visuelle Kraft des Films, die sich sogartig entfaltet. In alptraumhaften und fließend ineinander übergehenden Bildern und Welten stellt der Film die Frage, wann das Exil eigentlich beginnt: Erst mit dem Verlassen der Heimat oder schon davor, wenn die existenzielle Entscheidung getroffen werden muss: Bleiben oder Gehen?

Maghouts Film bricht das Thema auf das Individuum, den inneren Prozess herunter. Die vibrierenden, handgezeichneten und dann digital animierten Bilder geben die Unruhe des Protagonisten treffend wieder und lassen erahnen, welche Zerreißprobe das innere und äußere Exil mit sich bringt. Die ruhige Erzählstimme und das hervorragende Sounddesign verstärken das beklemmende Gefühl beim Betrachten noch zusätzlich und machen „HAVE A NICE DOG!“ zu einem tiefberührenden, aufrüttelnden Gesamtkunstwerk.

Die Preisverleihung findet am 5. Februar 2025 im Rahmen der Eröffnung der Tage des Exils Hamburg im KörberForum statt.

Shortlist

Shortlist und Exile Visual Arts Award Special Prizes

Neben dem Preisträger umfasst die Shortlist fünf weitere Kunstschaffende, deren Werke besondere Aufmerksamkeit fanden: Dania González Sanabria aus Kuba, Jeanno Gaussi aus Afghanistan, Khaled Barakeh aus Syrien, Mark Chehodaiev aus der Ukraine und Rana Matloub aus dem Irak.

Aufgrund der Vielzahl beindruckender Einreichungen in verschiedenen visuellen Disziplinen wurden zusätzlich zwei mit 5.000 € dotierte Sonderpreise (Exile Visual Arts Award Special Prizes) für neue, transformative Perspektiven auf das Thema Exil vergeben.

Die zwei Sonderpreise gehen an Dania González Sanabria und Jeanno Gaussi:

Dania González Sanabria (*1990, Kuba) thematisiert in ihrer Performance „The visitor“ universelle Erfahrungen wie Einsamkeit und Entfremdung, die durch Entwurzelung verstärkt werden. Ein in Wolle gehüllte Besucher streift vorsichtig durch die Stadt, wirkt sonderbar, bleibt jedoch meist unbeachtet und wird Teil des sozialen Raums. Zustände der Isolation werden sichtbar, betont durch ausbleibende Kommunikation. Die Jury lobt das Werk für seine Tiefe und die symbolische Verbindung zwischen individueller Einsamkeit und den kollektiven Herausforderungen von Exil und Migration. Ein zentrales Merkmal von González Sanabrias Arbeit ist ihre prozessorientierte Herangehensweise. Sie integriert Materialien und Gegenstände, die mit ihrer Herkunft und persönlichen Erfahrungen verbunden sind. Gleichzeitig verwendet sie organische Materialien, die sinnbildlich für Vergänglichkeit und Transformation stehen.

Jeanno Gaussi (*1973, Afghanistan) erforscht in ihren vielgestaltigen, oft installativen Werken das Konzept der Zugehörigkeit, die Mechanismen der Erinnerung, die Suche nach Identität und die damit verbundenen gesellschaftlichen und kulturellen Prozesse. Ihr Werk „The Place Where Lost Things Go“ (2023) verweist darauf, dass sie einen Teil ihrer Kindheit im Exil in Delhi verbrachte. Auf den dortigen Basaren faszinierten sie die farbigen Armreifen aus Glas. Aus den 2022 von ihrer Mutter geerbten Armreifen schuf sie zehn Glasflaschen, die Notizen zu Erinnerungsorten mit ihrer Mutter enthalten. So vermitteln die zehn Objekte, im Medium der Flaschenpost, Erfahrungen von Trennung und Verlust, aber auch die Möglichkeit der Bewahrung durch Transformation.

Auf der Shortlist stehen außerdem:

Khaled Barakeh (*1976, Syrien) ist Konzeptkünstler und Gründer von coculture, einer Non-Profit-Organisation, die sich der Unterstützung von Kulturproduzentinnen und -produzenten im Exil widmet. Sein sozial engagiertes Kunstprojekt „Stitched Stories“ (2023) entstand in Kooperation mit Asylbewerberinnen und -bewerbern, die in Irland in einer Notunterkunft leben, und lokalen Modedesignerinnen und -designern. Gespendete Kleidungsstücke wurden im Rahmen eines mehrwöchigen Workshops umgestaltet und damit zu einem Mittel der Selbstdarstellung. Durch die Anpassung an den eigenen Körper, die Persönlichkeit und kulturelle Identität erzählen die Kleidungsstücke Geschichten; sie drücken gelebte Erfahrungen aus und werden zum Medium der Selbstermächtigung in einer neuen Realität.

Mark Chehodaiev (*1997, Ukraine) erkundet mit seiner künstlerischen Arbeit „Hotel Europa“, wie man an einem Ort heimisch werden kann, der nicht darauf ausgelegt ist. Seine Fotoserie behandelt touristische Einrichtungen in Österreich, die als Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine umgenutzt werden. Chehodaievs Fotografien zeigen Lebenswelten von Menschen, denen ein sicheres Zuhause fehlt. In den Aufnahmen begegnen dem/der Betrachtenden Objekte, mit denen die temporäre Umgebung umgestaltet und an die Alltagsbedürfnisse angepasst wird. Im ehemaligen Hotel leben die Geflüchteten für einen unüberschaubaren Zeitraum. Damit visualisiert die Arbeit das Warten als zentralen Bestandteil von Fluchterfahrung. Zugleich lässt sich in der Arbeit auch ein Bezug auf frühere Exile finden und der Titel von Chehodaievs Fotoserie mit Vicki Baums Exil-Romanen „Hotel Shanghai“ (1939) und „Hotel Berlin“ (1943) in Verbindung bringen.

Rana Matloub (*1975, Irak) ist freischaffende Künstlerin und Lehrende der Kunstpraxis. Mit ihrem multimedialen Werk „Heimat│en” tritt sie für ein Heimat-Verständnis im Plural ein. Dies äußert sich an ihren unterschiedlichen künstlerischen Zugriffen. Ihre teils autobiografischen Arbeiten verhandeln mehrfache Zugehörigkeiten, so in den Pflanzenkübeln, welche die Form eines arabischen Sterns oder eines Kreuzes haben – die Künstlerin entstammt einer christlich-arabischen Familie. Auch der Trennungsschmerz der Exilierung und die Hoffnung auf Heilung und „Ankunft“ werden thematisiert. Dies formuliert sich beispielsweise in einer Installation mit grünen Tomaten, die nachreifen, selbst wenn sie von der Mutterpflanze getrennt werden. Matloubs Arbeiten sind eklektisch, assoziativ und bieten eine Vielheit von Zugängen zur komplexen Erfahrung von Exil und Migration.

Eindrücke der Preisverleihung 2025

  • Mark Chehodaiev, Jeanno Gaussi, Jalal Maghout, Dania González Sanabria und Rana Matloub  (v.l.n.r.)
    Mark Chehodaiev, Jeanno Gaussi, Jalal Maghout, Dania González Sanabria und Rana Matloub (v.l.n.r.) Claudia Höhne
  • Das Publikum applaudiert Jalal Maghout.
    Das Publikum applaudiert Jalal Maghout. Claudia Höhne
  • Jalal Maghout (Preisträger) und Sven Tetzlaff (Körber-Stiftung)
    Jalal Maghout (Preisträger) und Sven Tetzlaff (Körber-Stiftung) Claudia Höhne
  • Film-Still des prämierten Werks „HAVE A NICE DOG!“
    Film-Still des prämierten Werks „HAVE A NICE DOG!“ Claudia Höhne
  • Jalal Maghout im Gespräch mit Muschda Sherzada (Moderation)
    Jalal Maghout im Gespräch mit Muschda Sherzada (Moderation) Claudia Höhne
  • Sonderpreise: Jeanno Gaussi und Dania Gonzaléz Sanabria
    Sonderpreise: Jeanno Gaussi und Dania Gonzaléz Sanabria Claudia Höhne

Über den Award

Über den Exile Visual Arts Award

Die Freiheit der Kunst und des künstlerischen Ausdrucks zählen zu den Grundrechten in demokratischen Gesellschaften. Werden diese Rechte außer Kraft gesetzt, sind Kunstschaffende häufig gezwungen, zu fliehen und Schutz vor Verfolgung im Exil zu suchen. Die Erfahrungen von Verfolgung, Flucht und Exil können in ganz unterschiedlicher Form künstlerischen Ausdruck finden.

Der Exile Visual Arts Award zeichnet Werke von Kunstschaffenden mit Exilerfahrung aus, die die Auseinandersetzung mit dem Heimatland, mit Flucht, Vertreibung und Exil in den visuellen Künsten verarbeiten und ungewöhnliche Perspektiven auf essenzielle Fragen wie Identität, Konflikt, Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Individualität, Fremdheit, Zuschreibungen, Verletzungen, Brüche oder Übergänge vermitteln.

Zu den auszeichnungsfähigen Werken zählen die visuellen Künste, wie Malerei, Grafik, Zeichnung, Skulptur, Installation, Fotografie und Neue Medien. Eine Bewerbung war von Juli bis August 2024 möglich.

Der Exile Visual Arts Award in Höhe von 10.000 Euro wird von der Körber-Stiftung ausgelobt, unterstützt von der Stiftung Exilmuseum Berlin.


Die Jury für den Ausschreibungszeitraum 2024

Prof. Dr. Burcu Dogramaci
Professorin für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Dr. Barbara Hess
Kunsthistorikerin und freie Autorin

Farkhondeh Shahroudi
Künstlerin und Preisträgerin des Exile Visual Arts Award 2023

Cornelia Vossen
Kuratorin und Künstlerische Leiterin der Stiftung Exilmuseum Berlin (bis Dezember 2024)

Sven Tetzlaff
Bereichsleiter Demokratie und Zusammenhalt, Körber-Stiftung

Dr. Sonja Wimschulte
Programmleiterin Exil, Körber-Stiftung

[Die beiden Repräsentanten der Körber-Stiftung verfügen über eine gemeinsame Stimme.]