Foto: Wolfram Hahn

Exile Visual Arts Award

Exile Visual Arts Award 2023 geht an Farkhondeh Shahroudi

Der Exile Visual Arts Award zeichnet Werke von Künstler:innen aus, die essenzielle Fragen im Exil wie Identität, Zugehörigkeit oder Fremdheit visualisieren. Der Exile Visual Arts Award ist eine Initiative der Körber-Stiftung, unterstützt von der Stiftung Exilmuseum Berlin.

Der mit 10.000 Euro dotierte Exile Visual Arts Award 2023 geht an die iranische Künstlerin Farkhondeh Shahroudi für die Werke „Sky is no one’s ground“ und „Max Beckmann war nicht hier“. Die Preisverleihung fand am 8. September 2023 im Rahmen der Eröffnung der Tage des Exils in der Berliner Akademie der Künste statt.

Zur Preisträgerin und ihren Werken

Farkhondeh Shahroudi lebt seit 1990 im deutschen Exil. Ein großer Teil ihrer Werke reflektiert ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Revolution, Krieg und Flucht. Dies gilt auch für ihre beiden prämierten Werke, die von der Jury wie folgt vorgestellt werden:

Die Arbeit „Sky is no one’s ground“ (2019) besteht aus einer Fahne mit Applikationen und Stickereien auf Samt. Auf einem Sockel setzt die Künstlerin im Rahmen einer Performance ihren eigenen Körper als Teil des Kunstwerks ein und schwenkt minutenlang die Fahne. Damit knüpft sie an ihre eigene Zeit als Aktivistin im Iran der 1970er Jahren an. Die Performance erinnert an traditionelle schiitische Rituale ebenso wie an moderne revolutionäre Protestformen. Indem Shahroudi ein Gedicht auf die Fahne appliziert und diese mit Stickereien versieht, gerät diese zur „Antiflagge“ – zum poetischen, entterritorialisierten Banner, das die Erfahrungen von Flucht und Exil beschreibt.

Das Werk „Max Beckmann war nicht hier“ (2019) ist von ähnlicher Materialität: Der Titel der Arbeit steht als großer Schriftzug auf einem Banner – eine Referenz an den deutschen Künstler Max Beckmann, der 1937 ins Exil floh. 2017 hielt sich Shahroudi als Stipendiatin in der Villa Romana in Florenz auf und stieß bei Recherchen zu früheren Künstler:innen darauf, dass auch Max Beckmann in diesem Atelier gearbeitet hatte. Mit ihm teilt sie die Erfahrung, im Exil zu leben, und so beginnt eine imaginäre Brieffreundschaft mit Beckmann. Diese mündet in einer umfangreichen Serie von Zeichnungen und dem Samtbanner, das den ersten Satz dieser Auseinandersetzung mit – wie Shahroudi formuliert – ihrem „Doppelgänger“ trägt: „Max Beckmann war nicht hier“.

Die Jurybegründung

Die Jury lobt die hohe Komplexität von Shahroudis Werken: „Mit der Verknüpfung zwischen der poetisch überformten Fahne und der raumgreifenden Performance verleiht die Künstlerin in ,Sky is no one’s ground‘ ihren eigenen Exilerfahrungen starken Ausdruck. Sie symbolisiert Verwurzelung und Verbindung sowie Loslösung und Zerrissenheit. Auch ihr Werk ,Max Beckmann war nicht hier‘ stellt mit dem aus der schiitischen Tradition stammenden Banner eine vielschichtige Verbindung zwischen Kontinuität, Flucht und Exil – historisch wie aktuell – dar. Wer vertrieben wurde, kann nicht hier sein – und ist es durch die Verewigung in der Kunst doch.“

Performance der Preisträgerin

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Exile Visual Arts Award 2023

Die Shortlist des Exile Visual Arts Award

Von den 81 beeindruckenden Einreichungen dokumentiert die Jury die TOP 5 auf einer Shortlist. Auf ihr werden neben der Preisträgerin weitere Werke von Künstler:innen neben der Preisträgerin hervorgehoben: Rawan Almukhtar aus dem Irak, Khaled Barakeh aus Syrien, Parastou Forouhar aus dem Iran und eine anonym bleibende iranische Künstlerin.

Rawan Almukhtar (*1991, Irak) ist bildender Künstler und Aktivist. In Almukhtar’s Arbeiten verlaufen die Grenzen zwischen künstlerischen und aktivistischen Interventionen oft sehr schmal beziehungsweise gehen fließend ineinander über.

In dem großformatigen in Öl gemalten Bild „Untitled” (2023) hält Rawan Almukhtar einen flüchtigen Moment fest, der sich wie eine Heimsuchung immer tiefer einschreibt. Mit fluider Bildsprache wird eine emotionale Landschaft von Begegnung und Verlust geschaffen, in der sich die Erfahrungen von Flucht und Transformation in eindrucksvoller Weise vermitteln.

Khaled Barakeh (*1976, Damaskus/Syrien) ist ein Konzeptkünstler, Kulturaktivist und kreativer Vermittler. In seinen Arbeiten „Self portrait of power structure“ und „I haven’t slept for Centuries” bezieht sich Khaled Barakeh auf Grenzübertritte, die ein Reisepass gewährt oder unmöglich macht. Der Künstler lässt aus den Stempelabdrücken in seinem Reisepass Holzstempel anfertigen und verwendet eine Tinte, die jener in seinem Pass möglichst ähnlich ist. Auf einem Papier werden Stempelabdrücke so häufig über- und nebeneinander gesetzt, bis sie sich und alles andere verdecken. Damit fragt Barakeh, was der Pass und die in ihm befindlichen Visa oder Stempel des Grenzübertritts über ein Individuum aussagen: Inwieweit sind Ausweisdokumente ein gedoppeltes Ich? Damit thematisiert Barakehs Arbeit Routen und Fluchtwege sowie das Leben im Exil.

Parastou Forouhar (*1962, Teheran/Iran) lebt seit 1991 in Deutschland im Exil. Als Künstlerin und Aktivistin entwickelt sie in ihrem Werk vielfältige Strategien, um Gewaltstrukturen sichtbar zu machen. In ihren grafischen, teils räumlich inszenierten Arbeiten zeigt sie in einer ornamentalen Bildsprache, wie Macht und Ohnmacht, Schönheit und Autorität miteinander verwoben sind. Ihr Langzeitprojekt „Dokumentation“ (seit 1999) widmet sich in Form eines Archivs der Aufklärung des politischen Mordes an ihren Eltern, den iranischen Oppositionellen Dariush und Parvaneh Forouhar. Mit diesem Werk geht sie aus dem Exil heraus in den Widerstand gegen die Diktatur ihres Herkunftslandes. Dadurch setzt sie sich dezidiert politisch mit ihrem Herkunftsland auseinander.

Die anonyme iranische Künstlerin ist eine Installationskünstlerin, deren Projekte sich mit der klassischen persischen Literatur auseinandersetzen.

In ihrer Videoarbeit „To be, or to be” (2023) vermittelt sie auf präzise und beeindruckende Art die dislozierende Erfahrung, etwas hinter sich zu lassen. Eine körperlose Stimme, erst sprechend, dann singend, wird zur poetischen Mittlerin zwischen An- und Abwesenheiten, zwischen Performer:in und Betrachter:in und zwischen der Dunkelheit und dem wiederständigen Hoffen auf den nächsten Sonnenaufgang.

Über den Exile Visual Arts Award

Die Freiheit der Kunst und des künstlerischen Ausdrucks zählen zu den Grundrechten in demokratischen Gesellschaften. Werden diese Rechte außer Kraft gesetzt, sind Künstler:innen häufig gezwungen, zu fliehen und Schutz vor Verfolgung im Exil zu suchen. Die Erfahrungen von Verfolgung, Flucht und Exil können in ganz unterschiedlicher Form künstlerischen Ausdruck finden.

Der Exile Visual Arts Award zeichnet Werke aus, die die Auseinandersetzung mit dem Heimatland, mit Flucht, Vertreibung und Exil in den visuellen Künsten verarbeiten und ungewöhnliche Perspektiven auf essenzielle Fragen wie Identität, Konflikt, Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Individualität, Fremdheit, Zuschreibungen, Verletzungen, Brüche oder Übergänge vermitteln.

Zu den auszeichnungsfähigen Werken zählen die visuellen Künste, wie Malerei, Grafik, Zeichnung, Skulptur, Installationskunst, Fotografie, Neue Medien und Architektur.

Der Exile Visual Arts Award in Höhe von 10.000 Euro wird von der Körber-Stiftung, unterstützt von der Stiftung Exilmuseum Berlin, ausgelobt.

Eindrücke der Preisverleihung 2023

  • Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi mit ihrem Werk "Sky is no one's ground" auf der Preisverleihung
    Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi mit ihrem Werk "Sky is no one's ground" auf der Preisverleihung Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Das Werk "Sky is no one's ground", im Hintergrund das Werk "Max Beckmann war nicht hier"
    Das Werk "Sky is no one's ground", im Hintergrund das Werk "Max Beckmann war nicht hier" Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Thomas Paulsen, Vorstand Körber-Stiftung, überreicht Farkhondeh Shahroudi die Urkunde
    Thomas Paulsen, Vorstand Körber-Stiftung, überreicht Farkhondeh Shahroudi die Urkunde Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi mit der Urkunde des Exile Visual Arts Award
    Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi mit der Urkunde des Exile Visual Arts Award Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Cornelia Vossen, Stiftung Exilmuseum Berlin; Farkhondeh Shahroudi, Preisträgerin und Thomas Paulsen, Körber-Stiftung (v.l.n.r.)
    Cornelia Vossen, Stiftung Exilmuseum Berlin; Farkhondeh Shahroudi, Preisträgerin und Thomas Paulsen, Körber-Stiftung (v.l.n.r.) Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Cornelia Vossen von der Stiftung Exilmuseum hält die Jurybegründung auf Farkhondeh Shahroudi
    Cornelia Vossen von der Stiftung Exilmuseum hält die Jurybegründung auf Farkhondeh Shahroudi Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde
  • Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi hält ihre Dankesrede
    Die Preisträgerin Farkhondeh Shahroudi hält ihre Dankesrede Stiftung Exilmuseum Berlin, Foto: Till Budde