Das Ehepaar Tehrani mit einem nomadischen Teppich

„Alle Teppiche erzählen eine Geschichte“

Foto: Caroline Schmidt-Gross

Vor dem Hauptsitz der Körber-Stiftung in der HafenCity ist der Steinerne Orientteppich verlegt. Hamburg gilt schon seit Jahrzehnten als Hauptumschlagplatz in Europa für orientalische Teppiche. Warum die Hansestadt eine langjährige Tradition im Teppichhandel hat, erzählt der Teppichexperte und -händler Mohammad Tehrani.

Teppichhandel ist eine Branche, die sich immer wieder auf neue gesellschaftliche und politische Entwicklungen einstellen muss, wie aktuell auf das Embargo der USA gegen den Iran. Viel darüber erzählen kann Mohammad Tehrani. Er handelte schon auf dem Bazar in der iranischen Hauptstadt mit Teppichen, bevor ihn die Revolution und die Liebe in die Hansestadt verschlugen.

Früher residierte er in der Speicherstadt, im Jahr 1998 ließ er sich erst in der Neuen Grönningerstrasse an der Katharinenkirche und dann 2013 zwischen Binnenalster und Thalia Theater nieder. Das Geschäft führt er zusammen mit seiner Frau Sabine Tehrani. Er ist für den Handel mit antiker Ware und sie für die Beratung von Inneneinrichtungen und modernes Design zuständig.

Wer ihren großzügigen Laden betritt, hat gleich das Gefühl in eine andere Welt einzutauchen. Das liegt nicht nur an den vielen Teppichen an der Wand, sondern auch an dem feinen frischen Wollgeruch im Raum. Selbstverständlich wird zum Gespräch eine Tasse Tee gereicht. „Die ersten Perser kamen in die Hansestadt, um mit Trockenfrüchten und Nüssen zu handeln“, erklärt Tehrani. „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich hier auch vermehrt die Teppichhändler an.“ Der Grund war die Inflation, Teppiche galten als sichere Wertanlage. Für Tehrani war Hamburg in den 80er Jahren aus mehreren Gründen attraktiv: Die Zollfreiheit, die Backsteingebäude der Speicherstadt, weil sie sich perfekt als gut durchlüfteter Lagerplatz eigneten, und die Nähe zu den Skandinaviern, von denen sich viele speziell für Kelims interessieren.

In der Hochzeit des Handels in den 80er Jahren gab es um die 200 bis 250 Teppichlager in der Speicherstadt, heute dagegen sind es nur noch etwa 30. Zum einen hat sich der Einrichtungsstil geändert, zum anderen verlagert sich der Handel zunehmend ins Internet. Tehrani konnte sich trotzdem durchsetzen, weil er international gut vernetzt ist. „Damals bin ich im Iran noch über die Dörfer gefahren, um meine Agenten zu treffen“, erinnert sich Tehrani, „heute bin ich auch viel auf Auktionen und Messen unterwegs.“ Er bietet nicht nur Ware aus den fünf großen Teppichnationen wie Indien, Afghanistan, Iran, der Türkei und China an, sondern auch aus Regionen wie Turkmenistan, Nordafrika und dem Kaukasus.

„Meine Lieblingsware sind die farbenfrohen antiken Nomadenteppiche“, erklärt Tehrani. „Aber leider stirbt die Tradition des Teppichknüpfens langsam aus.“ Er erzählt, dass früher die Frauen in der Jurte am Webstuhl gesessen und die kleinen Mädchen ganz selbstverständlich dabei mitgemacht hätten. Das sei aber keine Kinderarbeit gewesen, sondern eher Hilfe im Haushalt. Inzwischen wollten auch im Iran die jungen Leute lieber in die Großstadt gehen und studieren.

„Das Schöne ist, alle Nomadenteppiche erzählen eine Geschichte, wie dieser hier“, sagt Tehrani und zeigt auf ein rund 100 Jahre altes Exemplar an der Wand. „Die Weberin muss sehr abergläubisch gewesen sein“, ergänzt Sabine Tehrani. „Es sind viele stilisierte Amulette zu sehen und auch Ornamente, die gegen sogenannte Salzige Augen sind und vor Neid schützen sollen.“ Diese Teppiche wurden nicht für den Verkauf geknüpft, sondern allein für den Gebrauch, wie in diesem Fall als Schlafunterlage für ein Kind. Deswegen ist jedes Stück ein Unikat. „Die Nomaden haben früher bei ihren Wanderungen von Ort zu Ort alles in geknüpfte oder gewebte Taschen gepackt“, sagt Mohammad Tehrani. Einige davon wurden beispielsweise wie eine „Mütze“ über ein Bündel von Zeltstangen gestülpt, damit sie nicht auseinanderfielen oder ihre Spitzen jemanden verletzten.

Eine andere Spezialität der Tehranis sind antike aber sehr gut erhaltene Teppiche aus Turkmenistan – von denen der Steinerne Orientteppich vor der Körber-Stiftung inspiriert wurde. Das Design entstand auch nicht spontan beim Knüpfen, sondern es gab spezielle stammesspezifische Muster, die nach alter strenger Tradition von der Mutter an die Tochter weiter vererbt wurden. Besonders aufwendig war auch die Herstellung der Kettfäden. Diese wurden oftmals – und das ist eine turkmenische Spezialität – aus zwei Materialien verdreht. Aus Baumwolle und Wolle.

Mohammad Tehrani schiebt eine Verkaufswand beiseite und erzählt: „Dieser antike Hauptteppich der Tekke-Stämme ist beispielsweise ein sogenannter Gentleman-Teppich, der in der Bibliothek ausgelegt wurde, wo sich die Herren zum Rauchen trafen.“ Und seine Frau fügt hinzu: „Die turkmenischen Teppiche sind sogar insofern interessant für die Wissenschaft, weil von Stamm zu Stamm ganz unterschiedliche Knoten geknüpft wurden. Mal symmetrisch, mal asymmetrisch, mal nach rechts offen, mal nach links.“ Für die Turkmenen-Teppiche gibt es auch eine sehr umtriebige internationale Sammlerszene. Sie trifft sich einmal im Jahr in Hamburg zum kulturellen Austausch. Der nächste Kongress ist im November, und das Ehepaar Tehrani ist natürlich auch dabei.