Munich Young Leader Sara Skyttedal, MEP

Foto: Körber-Stiftung/Saurer

Munich Young Leader Sara Skyttedal, MEP, zur Stärkung der Europäischen Verteidigung

Sara Skyttedal ist Mitglied des Europäischen Parlaments für die schwedischen Christdemokraten und Teil der Munich Young Leaders 2023. Als Berichterstatterin der EVP-Fraktion für die Verordnung zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) spricht sie über die Möglichkeiten, mit denen die gemeinsame europäische Verteidigung im Rahmen der EU gestärkt werden kann.

„Die EU ist nicht ,die freundliche Alternative zur NATO‘ und sollte es auch nicht werden [...] Der zentrale Ansatzpunkt bei einer Stärkung der gemeinsamen Verteidigung ist die Frage, wie die EU am besten die bestehenden Strukturen ihrer Mitgliedsstaaten und der NATO ergänzen kann.“

Sara Skyttedal, MEP

Munich Young Leader 2023

Europäische Verteidigung durch gemeinsame Beschaffung stärken

Neue Realitäten bringen alte Schwächen zum Vorschein. Die neue Realität, in der sich Europa seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 wiederfindet, stellt hierbei keine Ausnahme dar: Die Tatsache, dass mehr oder weniger alle EU-Mitgliedsstaaten ihre Verteidigung vernachlässigt haben, ist eine offensichtliche Schwäche. Und es ist eine Schwäche, deren EU-Dimensionen klar erkennbar sind. Gleichzeitig birgt die EU großes Potenzial, wenn es darum geht, die gemeinsame europäische Verteidigungsfähigkeit zu stärken.

Dabei muss die EU jedoch vermeiden, zu viel oder zu wenig zu tun. In Bereichen, in denen Effizienzgewinne durch weitere Koordinierung und Kompromisse nicht erkennbar sind (meiner Meinung nach ist die Sozialpolitik hier das beste Beispiel), bedroht die Verschiebung von weiteren Kompetenzen nach Brüssel die Legitimität einer starken EU. Auf der anderen Seite ist diese Legitimität ebenfalls gefährdet, wenn eine vertiefte Zusammenarbeit gerade in den Bereichen ausbleibt, in welchen sie absolut notwendig ist. Ein klares Beispiel für einen solchen Bereich ist für mich die Frage nach der Verteidigungsfähigkeit – spätestens seit Beginn des russischen Angriffskrieges.

Kleine Schritte und leere Lager

Die EU hat in den vergangenen Jahren ihre Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen schrittweise ausgebaut. 2017 einigte sich ein Großteil der Mitgliedsstaaten auf PESCO, die ständige strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bald darauf folgte der Europäische Verteidigungsfonds zur Förderung gemeinsamer Projekte in der Rüstungsforschung. Diese Schritte waren wichtig. Dennoch ist erkennbar, dass es in der Union lange an politischem Willen fehlte, die Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen weiter auszubauen. Bis heute.

Im Frühling 2023 sind wir in einer Situation, in der die Munitionslager vieler EU-Länder fast komplett geleert sind. Gerade Deutschland steht dabei vor einer dringlichen Herausforderung: Wie der Business Insider im Oktober 2022 berichtete, verfügt die Bundeswehr im Ernstfall nur über genügend Munition für zwei Tage. Diese Lage ergibt sich nur teilweise aus den dringend benötigten und richtigen Lieferungen an die Ukraine; vor allem lässt sie sich darauf zurückführen, dass in der Vergangenheit keine Bedingungen für eine langfristige Planung in der Rüstungsindustrie geschaffen wurden. Generell ist der Mangel an einer gut entwickelten Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen eine zentrale und lang bestehende Schwäche, die durch die aktuelle Situation nun hervorgehoben wird.

Im Kern ist die EU ein Friedensprojekt. Aber – wie uns der erneute Krieg in Europa in schmerzhafter Weise in Erinnerung ruft – Frieden muss verteidigt werden, mit mutigen Soldat:innen, moderner Ausrüstung und einer Menge Munition. Mit diesem Verständnis wird klar, dass in vielen Bereichen dringender Handlungsbedarf besteht.

Europas Stärken zu seiner Verteidigung nutzen

Was also können wir tun? Die EU ist nicht die „freundliche Alternative zur NATO“ und sollte es auch nicht werden, auch wenn manche diese Vision in den Raum stellen, wenn es darum geht, wie die europäische Verteidigungsfähigkeit gestärkt werden kann. Im Gegenteil – wir sollten uns davor hüten, Parallelstrukturen zur NATO aufzubauen. Auch macht es wenig Sinn, die nationalen Streitkräfte der EU-Mitgliedsstaaten durch eine neue, riesige gemeinsame Verteidigungsstruktur zu ersetzen. Der zentrale Ansatzpunkt bei einer Stärkung der gemeinsamen Verteidigung ist die Frage, wie die EU am besten die bestehenden Strukturen ihrer Mitgliedsstaaten und der NATO ergänzen kann.

Ein immer wieder diskutierter Punkt betrifft zunächst die Mobilität in der Verteidigung. Die Verlegung von Truppen, Material und Munition innerhalb Europas muss vereinfacht werden. Ein weiterer zentraler Punkt liegt in der gemeinsamen Rüstungsbeschaffung.

Die Stärke gemeinsamer Beschaffung in der EU hat sich während der COVID 19-Pandemie gezeigt: Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass die gemeinsame Impfstoffbeschaffung durch die EU den Mitgliedsstaaten ein Vielfaches an Dosen zu einem besseren Preis eingebracht hat, als wenn jedes Land einzeln gehandelt hätte.

Angesichts der sich immer weiter leerenden Munitionslager sollten wir diese Logik auf die Rüstungsbeschaffung übertragen.

Im vergangenen Sommer schlug die Europäische Kommission dazu einen ersten, kleinen Schritt vor: Die Verordnung zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung, oder kurz EDIRPA (European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement Act). Im Gegensatz zur gemeinsamen Impfstoffbeschaffung handelt es sich dabei nicht um eine direkte Beschaffung durch die EU selbst. An Stelle dessen wird mit EDIRPA ein neues EU-Instrument entwickelt, welches Mitgliedsstaaten finanzielle Anreize für gemeinsame Rüstungsbeschaffung setzt.

Europäische Verteidigungsfähigkeit langfristig sichern

Damit ist EDIRPA allerdings ein kurzfristig ausgelegtes Instrument, das darauf abzielt, die dringendsten Lücken in den Lagern zu füllen, die durch die Lieferungen an die ukrainischen Streitkräfte entstanden sind. In diesem Sommer wird von der Europäischen Kommission der Vorschlag eines weiteren, langfristig ausgelegten, permanenten Instrumentes erwartet.

In gewissem Sinne handelt es sich bei EDIRPA um einen kleinen, eher symbolischen Schritt in Richtung einer robusten europäischen Rüstungsindustrie. Nichtsdestotrotz ist der symbolische Wert nicht zu unterschätzen: Er markiert den Beginn einer umfassenden Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen. Derzeit besteht eine starke Dynamik für gemeinsames Handeln im Bereich der europäischen Verteidigung. Hoffen wir, dass die Europäische Kommission diese Dynamik erkennt und diese vielversprechende Gelegenheit nutzt.

Dieser Artikel stellt die persönliche Meinung von Sara Skyttedal, MEP, dar und repäsentiert nicht notwendigerweise die Auffassungen der Körber-Stiftung. Bitte wenden Sie sich bei Anfragen, Anmerkungen oder Kommentaren an youngleaders@koerber-stiftung.de.