Alle Preistragenden
Von 1985 bis 2004 wurde der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft an europäische Forschenden-Teams vergeben. Bis dahin stand die Förderung einer grenzüberschreitenden Wissenschaft im Vordergrund. Im heutigen Forschungsalltag ist die internationale Zusammenarbeit zur Selbstverständlichkeit geworden.
Seit 2005 erhält eine einzelne Spitzenwissenschaftlerin oder ein einzelner Spitzenwissenschaftler, die/der in Europa in den Life Sciences oder Physical Sciences forscht, den Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft.
- Erin Schuman: Erinnerungen schaffen- Neue Erkenntnisse zur Kommunikation zwischen Hirnzellen
- Cordelia Schmid (2023): Künstliche Intelligenz klüger machen – smarte Bilderkennung für autonome Roboter
- Anthony Hyman (2022): Kondensate – Zelltröpfchen als biochemische Mini-Labore
- Clare Grey (2021): Neue Batterien für mehr Klimaschutz
- Botond Roska (2020): Neues Sehen für Erblindete
- Bernhard Schölkopf (2019): Die Rechentricks der Künstlichen Intelligenz
- Svante Pääbo (2018): Die Gene der Neandertaler
- Karsten Danzmann (2017): Schwerkraftsignale aus den Tiefen des Alls
- Hans Clevers (2016): Ersatzorgane aus der Petrischale
- Nicola Spaldin (2015): Aufbruch ins Oxid-Zeitalter
- May-Britt und Edvard Moser (2014): Das Navigationssystem des Gehirns
- Immanuel Bloch (2013): Quantengas im Laserkäfig
- Matthias Mann (2012): Rasterfahndung nach Proteinen
- Stefan Hell (2011): Lichtblicke in die Nano-Welt
- Jiří Friml (2010): Auxin – Einsicht ins Pflanzenwachstum
- Andre Geim (2009): Graphen, das dünnste Material im Universum
- Maria Blasco (2008): Medikamente gegen Krebs und das Altern
- Peter Seeberger (2007): Kohlenhydratimpfstoffen gegen Tropenkrankheiten
- Ulrich F. Hartl (2006): Chaperone der Proteinfaltung
- Philip Russell (2005): Mit Licht auf neuen Wegen
- Preisträger:innen 1985 bis 2004
„Das Preisgeld erlaubte es, die Lücke zwischen Grundlagenforschung und kurzfristiger Wettervorhersage zu schließen, ein gewaltiger Erfolg für die angewandte Klimaforschung.“
Klaus Hasselmann
Klimaforscher, Körber-Preisträger 1990 und Nobelpreisträger für Physik 2021
Nicola Spaldin (2015): Aufbruch ins Oxid-Zeitalter
Die britische Materialforscherin Nicola Spaldin hat die theoretischen Grundlagen für die neuartige Stoffklasse der Multiferroika gelegt. Das sind kristalline chemische Verbindungen, die sowohl auf elektrische als auch auf magnetische Felder reagieren. Zudem lässt sich die magnetische Ordnung in diesen Kristallen mit Hilfe elektrischer Felder beeinflussen. Damit sind Multiferroika prädestiniert für ultraschnelle, extrem kleine und sehr energieeffiziente Computer der Zukunft. Multiferroika sind Verbindungen von Metallen und Sauerstoff und könnten irgendwann das Silizium in den Chips ersetzen, dem die heutigen PCs und Smartphones ihre Rechenfähigkeit verdanken.
„In unserer Forschung wollen wir Material schaffen, das sowohl gute magnetische wie gute ferroelektrische Eigenschaften besitzt.“
Nicola Spaldin
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der University of California in Berkeley untersuchte Nicola Spaldin Materialien auf atomarer und molekularer Basis, hauptsächlich Halbleiter und magnetische Stoffe, und befasste sich dabei zunehmend auch mit physikalischen Fragestellungen, so dass sie als Postdoc in die Abteilung für angewandte Physik an der Yale University wechselte. Nachdem sie als ordentliche Professorin von 2006 bis 2010 an der University of California in Santa Barbara tätig war, folgte Nicola Spaldin dem Ruf der ETH Zürich, wo sie bis heute in der Abteilung für Materialforschung forscht und lehrt.
Broschüre für den Körber-Preis 2015: Aufbruch ins Oxid-Zeitalter
May-Britt und Edvard Moser (2014): Das Navigationssystem des Gehirns
Das norwegische Forscher-Ehepaar wurde für seine wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Hirnforschung ausgezeichnet. May-Britt und Edvard Moser entdeckten bei Experimenten mit Ratten spezielle Neuronen – sogenannte Rasterzellen – die den Tieren eine genaue Orientierung im Raum ermöglichen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten Alzheimer-Patient:innen eines Tages helfen, ihren eingeschränkten Orientierungssinn zu verbessern.
„Der Mensch speichert nicht nur mentale Landkarten, auch Erinnerungen an tagtägliche Geschehnisse werden stets zusammen mit der Information, an welchem Ort sie stattfanden, gespeichert.“
May-Britt Moser
Broschüre für den Körber-Preis 2014: Das Navigationssystems des Gehirns
Immanuel Bloch (2013): Quantengas im Laserkäfig
Der deutsche Physiker Immanuel Bloch wurde für seine wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Quantensimulation mit ultrakalten Atomen ausgezeichnet. Bloch erzeugt einen mikroskopischen „Lichtkristall“ aus Laserstrahlen, in dessen „optischen Käfigen“ ultrakalte Atome eingefangen werden. Mit diesem „Quantensimulator“ lassen sich theoretische Modelle über den Aufbau von Festkörpern – feste Materialien wie Metalle oder Keramiken – genau überprüfen. Er ermöglicht außerdem Experimente unter extremen, bisher im Labor nicht erreichbaren Bedingungen. Diese Erkenntnisse können künftig helfen, Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln – etwa neue Supraleiter, die Strom verlustfrei leiten können.
„Wir möchten verstehen, wie Materie auf der Quantenebene funktioniert, und uns dadurch die Möglichkeit schaffen, ungeahntes Material zu erzeugen, zum Beispiel eines, das reibungslos Strom leitet, ohne Verluste.“
Immanuel Bloch
Broschüre für den Körber-Preis 2013: Quantengas im Laserkäfig
Matthias Mann (2012): Rasterfahndung nach Proteinen
Der deutsche Physiker und Bioinformatiker Matthias Mann hat sich zum Ziel gesetzt, den Code des Proteoms – das sind sämtliche Eiweiße im menschlichen Körper – zu knacken. Mann entwickelte ein bahnbrechendes Analyseverfahren, das die bereits seit Jahrzehnten in Physik und Chemie bewährten Massenspektrometer nun auch für Biologen nutzbar macht. Damit ist es möglich, sämtliche in einer Zelle enthaltenen Proteine gleichsam auf einen Schlag zu analysieren, und dies nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Bereits 2008 gelang es Mann, erstmals ein komplettes Proteom zu entschlüsseln – das der Hefezelle. Nun hat sich sein Team das menschliche Proteom vor-genommen. Die Forschungsarbeiten versprechen grundlegende Erkenntnisse im Kampf gegen Diabetes und Krebs.
„Es gibt über 200.000 unterschiedliche Proteine im menschlichen Körper. Zusammen sind sie gleichsam die Essenz des Lebens.“
Matthias Mann
Broschüre für den Körber-Preis 2012: Rasterfahndung nach Proteinen
Stefan Hell (2011): Lichtblicke in die Nano-Welt
Der deutsche Physiker Stefan Hell konstruierte ein neuartiges Lichtmikroskop, das deutlich schärfer sehen kann, als es das zuvor als kaum überwindbar geltende Abbe’sche Gesetz aus dem Jahre 1873 „erlaubt“. Ernst Abbe hielt die Lichtwellenlänge für eine natürliche Grenze der optischen Auflösung: Strukturen unterhalb 200 Nanometer, der halben Wellen länge blauen Lichts, können Abbe zufolge mit optischen Mikroskopen nicht mehrunterschieden werden. Doch Hell fand – mit quantenmechanischen Tricks – einen Weg, die Abbe-Grenze auszuhebeln. Die von ihm entwickelten STED-Mikroskope erlauben Auflösungen von bis unter 15 Nanometer. Hells Erkenntnisse geben nicht nur der Physikeinen Schub, sondern eröffnen auch Lebenswissenschaftlern wie Biologen ungeahnte optische Nano-Perspektiven.
„Der Clou meines Verfahrens besteht darin, Moleküle mit Quanten-Methoden gezielt ein- und auszuschalten. Dann muss ich mich um Abbes Wellen gar nicht mehr kümmern.“
Stefan Hell
Broschüre für den Körber-Preis 2011: Lichtblicke in die Nano-Welt
Jiří Friml (2010): Auxin – Einsicht ins Pflanzenwachstum
Woher weiß eine Pflanze an welcher Stelle sie Blätter, Stängel und Wurzeln bilden muss? Und wie passt sie ihr Wachstum an veränderte Umweltbedingungen an? Der Molekularbiologe und Biochemiker Jiří Friml erforscht die genetischen, molekularen und zellbiologischen Prozesse, die die Entwicklung von Pflanzen steuern. Im Mittelpunkt von Frimls Forschung steht das Wachstumshormon Auxin, dessen Verteilung reguliert, wo bei einer Pflanze oben und unten ist, wie stark sie in welche Richtung wächst und wo welche Organe angelegt werden. Frimls Erkenntnisse über die Auxinverteilung und Signalwege zwischen Pflanzenzellen gelten als Meilenstein nicht nur zum Verständnis zahlreicher physiologischer Prozesse in der Pflanze, sondern auch für die agrarwissenschaftliche und medizinische Forschung. Etwa wenn es darum geht, das Pflanzenwachstum gezielt zu steuern, um Nährstoffe im Boden besser ausschöpfen zu können. Oder darum, tiefere Einblicke in die grundlegenden Prozesse der Zellteilung und -spezialisierung zu gewinnen.
„Wenn wir die Mechanismen in Pflanzen verstanden haben, lassen sich die Teile dieses Wissens auch auf menschliche Zellen übertragen.“
Jiří Friml
Broschüre für den Körber-Preis 2010: Auxin – Einsicht ins Pflanzenwachstum
Andre Geim (2009): Graphen, das dünnste Material im Universum
Andre Geim entdeckte im Oktober 2004 einen Stoff, den es, wie Forscher zuvor lange glaubten, gar nicht geben könne: ultraflache Kristalle aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen. Diese „zweidimensionalen“ Kristalle namens Graphen stecken voller Überraschungen. Sie sind hart wie Diamant, aber dennoch biegsam. Sie leiten elektrischen Strom besser und schneller als die meisten anderen Materialien – und versprechen die Mikroelektronik sowie Computertechnik zu revolutionieren.
„Materialien wie dieses waren bislang unbekannt. Forscher:innen hatten sogar geglaubt, sie könnten gar nicht existieren.“
Andre Geim
Broschüre für den Körber-Preis 2009: Graphen, das dünnste Material im Universum
Maria Blasco (2008): Medikamente gegen Krebs und das Altern
Wie und warum altern wir und weshalb erkranken so viele Menschen im Alter an Krebs? Die Molekularbiologin Maria Blasco erforscht Telomere, die Endstücke von Chromosomen, sowie Telomerase, ein Telomere verlängerndes Enzym. Ihre Arbeiten versprechen langfristig die Entwicklung von Medikamenten gegen Alterssymptome und Krebs.
„Das beste Mittel, alt zu werden, ist, keinen Krebs zu bekommen.“
Maria Blasco
Broschüre für den Körber-Preis 2008: Medikamente gegen Krebs und das Altern
Peter Seeberger (2007): Kohlenhydratimpfstoffen gegen Tropenkrankheiten
Trotz intensiver Bemühungen ist es Medizinern bislang noch nicht gelungen, Impfstoffe gegen Malaria und Aids zu entwickeln. Peter Seeberger hat eine Maschine entwickelt, die Krankheitserreger auf neuartige Weise attackiert: Der vollautomatische Zucker-Synthesizer stellt aus einzelnen Bausteinen synthetische Zuckerketten her, die denen auf den Erregern gleichen und sich bei Versuchen mit Mäusen bereits als wirksame Impfstoff-Kandidaten erwiesen haben.
„Ich glaube, die Zuckerforschung wird in den nächsten Jahren explodieren – so wie die Genetik in den 1970er Jahren.“
Peter Seeberger
Broschüre für den Körber-Preis 2007: Automatische Synthese von Kohlenhydratimpfstoffen gegen Tropenkrankheiten
Ulrich F. Hartl (2006): Chaperone der Proteinfaltung
Im viktorianischen und wilhelminischen Zeitalter sorgten die chaperones oder Anstandsdamen für Sitte und Ordnung. In der Wissenschaft dagegen sind als Chaperone bezeichnete Proteine mittlerweile zu einem Forschungsfeld avanciert, das nicht mehr wegzudenken ist. Dank der grundlegenden Entdeckungen des Mediziners und Biochemikers Ulrich F. Hartl lassen sich mit ihnen in einigen Jahren womöglich nicht nur Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Chorea Huntington erfolgreich behandeln – selbst den Alterungsprozess scheinen die molekularen Anstandsdamen verlangsamen zu können.
„Das wäre mein Traum, wenn wir mit unserer Arbeit vielleicht ein wenig dazu beitragen könnten, die Lebensqualität im Alter zu verbessern.“
Ulrich Hartl
Broschüre für den Körber-Preis 2006: Chaperone der Proteinfaltung in Biotechnologie und Medizin
Philip Russell (2005): Mit Licht auf neuen Wegen
Dank eines genialen Einfalles gelang es Philip Russell, dem altgedienten Glasfaserkabel völlig neue Eigenschaften zu verleihen. In den nur haardünnen Fasern lassen sich nicht nur Daten mit Licht übertragen. Die Anwendungsmöglichkeiten scheinen unbegrenzt: Mini-Laser mit beliebigen Lichtfarben, der Nachweis winziger Substanzmengen in Gasen oder die kontinuierliche Messung des Blutzuckerspiegels beim Menschen.
„Zum Ende der 1980er Jahre war die Glasfaseroptik für mich sehr langweilig geworden…Alles funktionierte sehr gut, doch es gab kaum neue Physik darin, es war wissenschaftlich wenig aufregend.“
Philip Russell