Körber History Forum 2019
Connecting Politics and History
Alte Mythen und neue Propaganda, starke Führende und schwache Friedensschlüsse, Gefahren für die Demokratie und die Krisen Europas: Es gab viel zu besprechen auf dem vierten Körber History Forum in Berlin.
Zwei Tage diskutierten dort mehr als 200 Intellektuelle, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten kontrovers über die Vergangenheit – und blickten hin und wieder vorsichtig in die Zukunft.
Impressionen
Unser Programm
Das gebrochene Versprechen einer besseren Zukunft? Die Entwicklung einer internationalen Ordnung nach dem Ende des Kalten Krieges
Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der damaligen Euphorie über eine „neue Weltordnung“ geht es in den internationalen Beziehungen wieder um die alten Machtkämpfe. Die Entwicklungen nach 1989 sind die Ursache der wachsenden Spaltung zwischen Russland und dem Westen. Während einige Grenzen verschwanden, wurden neue Fronten aufgemacht. Zu den Streitpunkten gehört die Frage gegenseitiger Zusagen und Absprachen über geopolitische Interessensphären und damit auch der NATO-Osterweiterung. Grundlegend unterschiedliche Interpretationen der historischen Entwicklungen behindern bis heute internationale Verständigung und Dialog.
Inwiefern gehen heutige Herausforderungen der europäischen Sicherheitspolitik auf Entscheidungen und Zusagen der Mächte zurück, die die deutsche und europäische Wiedervereinigung mitgestalteten? Welche Mythen und Missverständnisse bedürfen einer Korrektur, um zukünftig den Dialog wieder verbessern zu können?
Auftaktrede von Mary Elise Sarotte
Im Fokus: Was ist der Wert Europas?
Seit 1989 hat sich Mittelosteuropa grundlegend verändert und ist heute zentraler Bestandteil des europäischen Projekts. Doch während der politische und wirtschaftliche Wandel die ehemals sozialistischen Gesellschaften an freie Marktwirtschaft und Demokratie heranführten, hatte der Beitritt zur Europäischen Union auch seinen Preis.
Wachsende innenpolitische Konflikte fördern eine zunehmende Entfremdung von Werten und Idealen der liberalen Demokratie zutage, die einst so zentral für das Zusammenwachsen Europas waren.
Welche Werte werden, ausgehend von der mittelosteuropäischen Transformationserfahrung, das europäische Projekt in Zukunft zusammenhalten?
Mit Bronisław Komorowski, ehem. Präsident der Republik Polen
Diskussion: Ist starke Führung eine Bedrohung für die Demokratie? Persönlichkeit, Macht und Populismus im historischen Kontext
Populistische Bewegungen und Rufe nach „starker Führung“ sind heute Teil nationaler und internationaler Politik. Während diese Entwicklung zum einen Befürchtungen einer Erosion der Prinzipien liberal-demokratischer Entscheidungsfindung auslöst, werden zum anderen Stimmen laut, die auf der Notwendigkeit demokratischer Erneuerung und starker politischer Führung beharren.
Werden demokratische Grundsätze durch starke Anführer ausgehöhlt? Welche Lehren bietet die Vergangenheit, insbesondere die Geschichte der verletzlichen Demokratien der 1920er Jahre, für aktuelle Herausforderungen?
Mit Zoltán Balog, Archie Brown, Daniel Brössler, Sylvie Kauffmann, Timothy Snyder
Diskussion: Jenseits von Versailles. Lehren aus der Pariser Friedensordnung und ihrer kollektiven Sicherheitsarchitektur
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wollte die Pariser Friedenskonferenz eine stabile Friedensordnung für Europa etablieren. Die Einrichtung des Völkerbunds und das Prinzip der nationalen Selbstbestimmung bildeten dabei das Herzstück einer neuen internationalen Sicherheitsarchitektur. Obwohl sie als wegweisender Moment moderner Diplomatie gelten, waren die in Paris geschlossenen Verträge Gegenstand grundlegender zeitgenössischer Kritik und letztlich in ihrem Einfluss auf die internationale Ordnung der Zwischenkriegszeit begrenzt.
Was ist das Vermächtnis von Paris? Welche Lehren lassen sich aus den Leistungen und dem Scheitern der Zwischenkriegsdiplomatie ziehen?
In Kooperation mit Der Spiegel im Rahmen der Debattenreihe „Frieden machen“.
Mit Eckart Conze, Wolfgang Ischinger, Dirk Kurbjuweit
Diskussion: Eine geraubte Vergangenheit? Europa und die Wiedergutmachung kolonialen Unrechts
Bis heute beeinflusst das Vermächtnis der Kolonialzeit die internationalen Beziehungen sowie die nationalen Debatten in den Ländern Europas und in den früheren Kolonien. Während neue Initiativen sich für eine Wiedergutmachung früheren Unrechts einsetzen, bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, in welchem Ausmaß die Kolonialregime Ungerechtigkeit, Ungleichgewicht und Konflikte förderten, bis in die heutige Zeit fort.
Wie kann ein aufrichtiges und gemeinsames Verständnis der tiefgreifenden und systemischen Folgen des Kolonialismus erreicht werden? Und was braucht es, um einen gleichwertigen und zukunftsgerichteten Dialog zwischen früheren Kolonialmächten und ehemaligen Kolonien zu erreichen?
Mit Nwando Achebe, Christine Gerberding, Antje Leendertse, Philip Murphy, James Shikwati
Diskussion: Die Macht der Manipulation. Über den Umgang mit Propaganda und „Fake News“ in Vergangenheit und Gegenwart
Das sogenannte „postfaktische Zeitalter“ mit seinem manipulativen Missbrauch von Medien macht ausgewogene Berichterstattung und Meinungsbildung für den Erhalt von Demokratie und sozialem Frieden noch wichtiger. Ein Blick in die Geschichte offenbart zahlreiche Beispiele für Manipulation durch Kommunikation, Propaganda und Verfälschungen – viele davon entwickelten einen zerstörerischen Einfluss in der Öffentlichkeit.
Wie wurde Demagogie und Manipulation in der Vergangenheit Einhalt geboten und was braucht es, damit dies heute gelingt?
Mit Anne Applebaum, Jo Fox, Markus Engels, Natalie Nougayrède, Jason Stanley