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History & Politics Roundtable: Von Ostpolitik zu neuer Ostseepolitik?

Die deutsche Ostpolitik steht seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine in Frage. Ist es Zeit für eine europäische Ostseepolitik, die die Sicherheit des Baltikums ebenso berücksichtigt wie die historischen Erfahrungen in der Region? Kann Deutschland eine regionale Führungsrolle übernehmen und eine strategische Perspektive auf das Baltikum entwickeln? Was sind die Sicherheitsinteressen Polens und der baltischen Staaten?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Hintergrundgesprächs am 14. November 2022 in Berlin. Rund 25 internationale Expert:innen aus Politik, Geschichte, Diplomatie und Think Tanks diskutierten über Geostrategien und prägende historische Erfahrungen im Ostseeraum. Das Gespräch war eine Kooperation vom Körber History Forum und dem Centre for Geopolitics der Cambridge University.

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Das vergessene Meer

Die Teilnehmenden aus Deutschland und den Ostsee-Anrainerstaaten stimmten überein, dass die Ostsee in der deutschen Wahrnehmung bislang ein „vergessenes Meer” war. Deutschland hatte sich im Kalten Krieg nach Westen orientiert. Der Eiserne Vorhang funktionierte lange Zeit auch als eine Barriere zwischen Deutschland und den Bedürfnissen und Themen des baltischen Raumes. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Ostsee aus deutscher Perspektive nicht zu einem Großraum für Geopolitik und maritime Sicherheit.

Dagegen hat der Raum für die übrigen Ostsee-Anrainerstaaten eine ganz andere Bedeutung. Ihre Sichtweisen auf die Region und Russland haben sich durch die Erfahrungen im Kalten Krieg und mit der früheren imperialen Expansion Russlands herausgebildet. Für sie bleibt die Ostsee aufgrund der Bedrohung durch Russland ein Raum mit großer sicherheitspolitischer Bedeutung. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass die deutsche Ostpolitik aufgearbeitet und so neu gestaltet wird, dass sie den Sicherheitsbedürfnissen der Ostseestaaten Rechnung trägt.

Die Bedrohung des Baltikums

Zur Diskussion stand auch, ob die notwendige Neubewertung der Ostpolitik zu einer neuen Ostseepolitik führen könnte. Für die Teilnehmenden aus den baltischen Staaten war es wichtig, dass Deutschland dabei weiter auf Russland schaut – aber durch die baltische Brille. Alle Teilnehmenden drückten ihre Sorge aus, dass Deutschland die geopolitische Bedrohung des Baltikums durch Russland nicht ernst genug nehmen könnte.

Das Körber History Forum und das Centre for Geopolitics werden die Diskussionen über Strategien und Sicherheit im Baltikum und die Macht der Vergangenheit auf die Gegenwart in 2023 fortführen.