Foto: WSB Bayern / Kurt Otto

Zwischen Zerstörung und Zuflucht: Wohnen im Krieg und danach

von Seray Ünsal

Krieg, Angst und Flucht – das Verlustgefühl des eigenen Zuhauses und die Frage nach Sicherheit in Zeiten der Krise. Diese grundlegenden Themen beschäftigten die Teilnehmer:innen, die sich in ihren Wettbewerbsbeiträgen intensiv mit dem Thema Krieg auseinandersetzten. Sie stöberten in den Tagebüchern ihrer Großeltern oder führten Gespräche mit Zeitzeug:innen, um deren Erfahrungen auf einfallsreiche Weise in Gedichten oder Filmen darzustellen.

Beschädigte Gebäude nach Luftangriffen im 2. Weltkrieg. Beitrag 2023-1506
Beschädigte Gebäude nach Luftangriffen im 2. Weltkrieg. Beitrag 2023-1506 Foto: Stadtarchiv Neuss

Ausgebombt, vertrieben, schikaniert – Das Leben in der Nissenhütte

Die in der Vergangenheit errichteten Lager für britische Soldaten erfüllten nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Funktion als Wohnraum für zahlreiche Familien in Hamburg. Diese sogenannten „Nissenhütten“ wurden aufgrund der wenigen Arbeitskräfte und Baumaterialien zu den einzigen verfügbaren Unterkünften für viele Haushalte. Um die Lebensumstände der Bewohner:innen in den ungedämmten und ohne Badezimmer ausgestatteten Hütten zu veranschaulichen, wählte Tara Paulina Jensen einen poetischen Ansatz, indem sie ein Gedicht als Einführung in ihre schriftliche Arbeit verfasste. In dieser Arbeit konzentrierte sie sich insbesondere auf die Herausforderungen mit denen die Menschen konfrontiert waren und die zu sozialer Ausgrenzung führten. Die Schülerin beschreibt ausführlich die beengten Wohnverhältnisse in den Nissenhütten, in denen oft mehrere Familien gleichzeitig ohne Privatsphäre lebten. Aufgrund der Verwendung kostengünstiger Materialien für den Bau dieser improvisierten Wohnräume und der schlechten Ausstattung, gab es erhebliche Mängel in Bezug auf Hygiene und Wärme, was die Lebensqualität der Bewohner:innen sehr beeinträchtigte.

Gedicht von Tara Paulina Jensen. Video: GW-Beitrag 2023-0463

Eine nordische Besonderheit: Bremens Kaisenhäuser

Eine andere Form der Behelfsheime, die es in dieser Form nur in Bremen gab, untersuchte eine sechste Klasse für ihre Spurensuche: Die nach dem ehemaligen Bürgermeister benannten „Kaisenhäuser“, welche nach dem Zweiten Weltkrieg von Bürger:innen unter strengen Kontrollen selbst gebaut wurden, boten den Bewohner:innen ein Zuhause von nur rund 30 Quadratmetern Die Schüler:innen präsentieren die Ergebnisse ihrer Entdeckungen in einem selbsterstellten Film. Während ihrer Forschungsarbeit beschäftigten sich die Schüler:innen mit verschiedenen Fragen:

„Wie erging es den Bremerinnen und Bremern nach dem Krieg und wie kamen sie zu den sogenannten Kaisenhäusern? Welche Bautechniken verwendeten sie und mit welchem Inventar sowie kreativen Ideen richteten sie ihre Häuser ein?“

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, führten sie Interviews mit einer Zeitzeugin, die ihnen von kleinen, selbstgebauten Wohnräumen und einer herzlichen Gemeinschaft berichtete. Dabei betonte sie gleichzeitig auch, dass es für Menschen ohne handwerkliche Fähigkeiten kaum möglich war sich ein Kaisenhaus selbst zu bauen.

  • Bewohner:innen vor einem Bremer Kaisenhaus
    Bewohner:innen vor einem Bremer Kaisenhaus Screenshot: Beitrag 2023-0908
  • Beim Bau der Behelfsheime.
    Beim Bau der Behelfsheime. Screenshot: Beitrag 2023-0908

Bombeneinschläge in Dortmund

Als Maria Antonia Goecke im Jahr 1944 ihre Gedanken und Erlebnisse in ihrem Tagebuch während der Kriegszeit festhielt, konnte sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass fast 80 Jahre später ihre Enkelin Marie Luisa Wittstamm diese persönlichen Einblicke und das alltägliche Leben während der Bombardierungen in Dortmund auf einer Webseite veröffentlicht würde. Während die Neuntklässlerin die Tagebucheinträge sorgfältig auswertete, hatte sie die Gelegenheit, die Geschichte ihrer Großmutter besser kennenzulernen. Ihre Oma hatte in der Vergangenheit wenig über diese tragische Zeit berichtet, aber durch die Beschäftigung mit ihren Aufzeichnungen konnte die Schülerin eine tiefere Verbindung zur Geschichte ihrer Familie und der Zeit, in der ihre Großmutter lebte, herstellen.

Tagebucheinträge

„Ganz traurige Weihnachten! Alle sind so nett zu mir. Ich wäre am liebsten ganz für mich allein und möchte mich ausweinen. Schlafen bis zum Kriegsende!“

Maria Antonia Goecke

So, 24.12.

„Ein schöner Sonntag. Ich habe von Paule was geerbt! Mit den Kindern rumgetollt und spazieren gewesen. Auch diese Nacht in Hohenlimburg gewesen. Ohne Alarm geschlafen! Wunderbar. In unserer Küche können wir schon wieder sein (Wiederaufbau). An Jochen wieder nicht geschrieben.“

Maria Antonia Goecke

So, 20.8.

Tagebuch von Maria Antonia Goecke
Tagebuch von Maria Antonia Goecke Foto: Beitrag 2023-1975
Foto: Ein Bauernhof verändert sein Gesicht, GW-Beitrag 20230384.

„Obwohl die Bewohner Dußlingens durchaus Berufe wie Weber, Schuhmacher, Maurer, Schuster und Kessler ausübten, reichten diese gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer weniger zum Leben. Aus diesem Grund führten viele Dußlinger Landwirtschaft im Nebenbetrieb.“

Die Neuntklässlerin hat unter anderem den Plan eines Wohnhauses aufgetan, erbaut Ende des 19. Jahrhunderts: Nutzräume wie der Stall und eine Scheune befanden sich unter einem Dach mit den sehr viel kleineren Wohnräumen.

„In den Dörfern verschwanden allmählich die Ställe und Scheunen, die Misthaufen sind verschwunden und das Erscheinungsbild hat sich in den 60er/70er Jahren relativ schnell gewandelt. Durch Aktionen wie „Unser Dorf soll schöner werden“ wurde regelrecht ein Wettbewerb unter den Dörfern ausgelöst, das Dorfbild zu verändern und neu zu gestalten, sodass man das ländliche Aussehen und die Enge nur noch […] in der Dorfmitte erkennen kann.“

Die neue Landlust

Seit einigen Jahren ist auch der gegenläufige Trend zu beobachten, das Historische, authentisch Ländliche zu bewahren oder wieder herzustellen. Mit einem 1796 erbauten Gehöft im Rottal beschäftigten sich fünf Schülerinnen aus dem bayerischen Pfarrkirchen. Das aktuelle Besitzerpaar kaufte das stark verfallene Wohnstallhaus im Jahr 2018 und sanierte es mit viel Liebe fürs Historische. Alte Möbelstücke wurden restauriert, ein Bauerngarten angelegt.