Wettbewerb: Ost-West-Geschichte(n) – Jugendliche fragen nach Tapetenwechsel oder Umbruch?

4. Preis
1995
Oesterle, Jenny Rahel / Marco Hochstein / Christine Stein:
Christoph Geibel

11. Klasse, Landgraf-Ludwig-Schule, 35396 Gießen

35396 Gießen, Hessen, Deutschland

#1995-0874

Die Verf. beschäftigen sich mit den Erfahrungen von Menschen, die, aus der DDR stammend, seit der Wende als Obdachlose in Gießen auf der Straße leben. Im ersten Teil ihres Beitrags stellen sie die autobiographischen Berichte dreier solcher Obdachloser vor. Es handelt es sich dabei um einen Hamburger, der als Kind zu seinen ostdeutschen Großeltern gegeben wurde und der nach wiederholten Problemen mit dem Regime 1989 in den Westen zurückgekehrt ist. Außerdem geht es um einen Mann, der nach versuchter Flucht in der DDR inhaftiert war und heute den Wunsch nach Freiheit im Vagabunden-Leben realisiert sieht, sowie um einen Mann, der, unangepaßt schon in der DDR, durch den Verlust seiner Arbeit und private Probleme in der Wendezeit in die Obdachlosigkeit abgerutscht ist. Den Berichten lassen die Verf. jeweils Interpretationen und einen auf bestimmte Aspekte - wie z. B. das Verhältnis zum SED-Staat - konzentrierten Vergleich der Lebensgeschichten folgen. In einem allgemeineren zweiten Teil weisen sie vor dem Hintergrund rechtlicher Grundlagen auf den unterschiedlichen Umgang mit Obdachlosen in BRD und DDR hin. Zudem skizzieren sie die Lage von Obdachlosen heute, geben mit Hilfe einer Umfrage Einblick in die Haltung von Passanten zum Thema und stellen einen Forderungskatalog zur Verbesserung der Situation von Betroffenen auf. Für die erste Biographie halten die Verf. die Ost-West-Trennung, für die zweite den Drang nach Freiheit und für die dritte den Einfluß des Politischen auf einen unpolitischen Menschen als bestimmende Faktoren fest. Als Ergebnis werten sie die Einsicht in das Akzeptieren von Widersprüchen und Gefühlen der Zeitzeugen. Mit ihrer Arbeit möchten sie vermitteln, welch tiefen Einschnitt die Wende für viele Ostdeutsche bedeutete, und zugleich um Verständnis für Obdachlose werben. Gerade auch angesichts der Kriminalisierung von Wohnungslosen in der DDR warnen die Autor(inn)en vor einer Zwangsverpflichtung Obdachloser zur Arbeit, wie sie z. T. in der Umfrage befürwortet wurde. Sie fordern vielmehr individuelle Hilfe für Betroffene und Gefährdete und plädieren z. B. für ein Obdachlosen-Wahlrecht. Grundlage des ersten Teils sind drei von der Diakonie bzw. der Arbeiterwohlfahrt in Gießen vermittelte Interviews; Notizen der Verf. zu den Interviews finden sich im Anhang. Zwei ähnliche Interviews wurden geführt, aber nicht explizit in den Text eingebunden. Ergänzend haben die Verf. Literatur berücksichtigt und eine Umfrage unter 26 Gießener(inne)n durchgeführt. Im Anhang versammeln sie Artikel aus der Lokalpresse zum Thema "Obdachlosigkeit in Gießen".

Literaturverzeichnis

(53 S. Text., ms., ill. mit graphischen Statistiken; 31 S. Anhang mit Kopien von Presseartikeln, Fragenkatalogen, Briefwechseln der Verf., Interviewnotizen u. eines Flugblatts)

Quellen

Intensivinterviews, Meinungsumfrage, aktuelle Presse (Gießener Allgemeine, Gefährdetenhilfe), Fachliteratur.