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Wir können den Stein nicht verstecken!

Der Gedenkstein für den deutschen Kolonisten Carl Peters (1856–1918) im heute niedersächsischen Ort Amt Neuhaus ist eines der vielen Beispiele für alte Denkmäler, die bis heute lebhafte Debatten hervorrufen. Tom-Luca Maywald, 17-jähriger Schüler des Gymnasialen Schulzentrums Fritz Reuter Dömitz, analysierte im Rahmen des Geschichtswettbewerbs 2024/25 die Diskussionen um das Carl-Peters-Denkmal. Er wurde dafür mit einem Landessieg in Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. Im Interview betont Tom-Luca, wie wichtig es sei, dass auch junge Menschen sich kritisch mit Kolonialismus auseinandersetzten

Das Interview führte Klara Emilia Amaya Farias.

Tom-Luca Maywald gewann einen Landessieg in Mecklenburg-Vorpommern
Tom-Luca Maywald gewann einen Landessieg in Mecklenburg-Vorpommern Foto: privat

Tom-Luca, dein Beitrag dreht sich um den Kolonisten Carl Peters, für den 1931 in seinem Geburtsort Amt Neuhaus ein Denkmal errichtetet wurde. Er gilt als Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika und gewalttätiger Rassist, der auch als „Hänge-Peters“ bekannt war. Wie bist du auf das Thema gekommen?

Mir war der regionale Bezug bei meinem Thema für den Geschichtswettbewerb sehr wichtig. Ich bin auf Carl Peters gekommen, weil er als historische Figur noch immer sehr umstritten ist. Durch verschiedene Beschmierungen war der Stein auch in den regionalen Medien schon öfter vertreten. Ich wollte das Thema weiter erkunden und habe somit den Stein als „nicht sichtbare Grenze“ definiert, um letztendlich der Umstrittenheit auf eine wissenschaftliche Art und Weise auf den Grund zu gehen.

Wie bist du bei der Recherche vorgegangen und welche Herausforderungen gab es bei der Quellensuche?

Zunächst habe ich Archive angeschrieben, das kannte ich aus der letzten Wettbewerbsrunde, an der ich auch schon mit einer Mitschülerin teilgenommen habe. Dadurch wusste ich bereits, wie man mit Quellen arbeitet. Das Problem hierbei war, dass es nicht so viele und passende Quellen aus den Archiven gab. Zum Beispiel haben wir die Geburtsurkunde von Carl Peters nicht mehr in Neuhaus. Aber ein Bewohner aus Amt Neuhaus, Sigbert Helle, hat eine Internetseite über Carl Peters und den Stein erstellt, er hat mir sehr weitergeholfen. Bei dieser Internetseite kann man zum Beispiel vergleichen, wie Beschmierungen wann aussahen.

Für meine Arbeit habe ich Herrn Helle interviewt und seine Website zu Rate gezogen. Herr Helle gehörte zum „Arbeitskreis Carl Peters“, den der Gemeinderat Amt Neuhaus damals gegründet hat, als es um die Frage ging, was mit dem Stein passieren soll. Als weitere Informationsquelle hatte ich Herrn Wolfgang Grewe, der auch im Arbeitskreis vertreten ist. Er hatte auch schon anklingen lassen, dass es selbst im Arbeitskreis noch keine genaue Einigkeit gab bezüglich der Gedenktafel, die neben dem Stein steht. Es gab bereits mehrere Schriftänderungen, weil der Text den Einwohnern von Amt Neuhaus immer noch nicht gepasst hat, auch nicht dem Arbeitskreis und der Stadtvertretung.

Was hat dich bei deiner Arbeit über Carl Peters besonders überrascht?

Schwierige Frage! Mich hat überrascht, dass der Stein so umstritten ist und die Meinungen so auseinander gehen, obwohl Carl Peters nur einen kleinen Teil seines Lebens in Neuhaus verbracht hat. Das macht es fast unmöglich eine Lösung zu finden, die auch allen recht ist. Einer der Neuhauser war sehr aufgebracht und hat gesagt, er schämt sich jedes Mal, wenn er an diesen Stein vorbeigeht. Einige sagen auch, der Stein müsse ganz weg oder dort müsse ein abschreckendes Bild hin, das zeigt wie Carl Peters jemanden aufhängt. Andere finden die Mahntafel sei zu klein geschrieben oder der Stein solle in ein Museum.

Wofür würdest du plädieren, nachdem du dich sechs Monate mit dem Thema beschäftigt hast?

Der Stein sollte als Mahnung an Peters‘ Taten erhalten bleiben. Wenn man den Stein ganz wegschafft, wie man es bereits in der DDR versucht hat, wäre dies ein Verdrängen und Totschweigen der Tatsachen. Genau das sollte man nicht tun. Das Denkmal von Carl Peters ist schon lange kein Ehrenmal mehr. Carl Peters war kein ehrenvoller Mensch und hat nachweislich Kolonialverbrechen begangen. Natürlich ist es schwierig eine Lösung zu finden, weil die Meinungen so auseinander gehen, aber den Stein zu „verstecken“ wäre die schlechteste Lösung.

Wie sollte man sich in der Gesellschaft mit Kolonialismus auseinandersetzen und warum ist dies gerade für junge Menschen wichtig?

Da ich selbst noch Schüler bin, weiß ich, wie das Thema Kolonialismus in der Schule behandelt wird. Man kratzt den Kolonialismus kurz an und das war’s dann schon wieder. Das Gegenteil müsste der Fall sein – der Kolonialismus sollte viel mehr beleuchtet werden. Es ist immerhin eine große Epoche der Weltgeschichte; nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern. Zum Beispiel hat das Commonwealth bis heute Kolonialverbindungen. Wir müssen uns tiefgreifender informieren und vor allem genau betrachten, was Kolonialismus heißt und was das mit sich bringt. Dies sollte auch an Schulen vermittelt werden. Auch heute noch ist Kolonialismus zu spüren. Daher ist es wichtig, dass auch junge Menschen wissen, was geschehen ist und mit welchen Mitteln andere Länder und Menschen ausgebeutet wurden.

Welche moralischen Grenzen werden denn durch die Existenz von Denkmälern wie dem von Peters infrage gestellt?

Man muss sehen, aus welcher Zeit und aus welcher Perspektive ein Denkmal aufgestellt worden ist. Was sagt das Denkmal aus unserer heutigen Sicht aus? Können wir diese Aussage als Gesellschaft akzeptieren? Denkmäler repräsentieren immer etwas, was die Leute aus ihrer Zeit verehrten. Carl Peters hat ein Denkmal zu Ehren gekriegt. Das würden wir heute nicht unterstützen und eine moralische Grenze ziehen, weil er gegen die Menschenrechte verstoßen hat. Wir müssen unsere Erinnerungskultur so hinkriegen, dass wir sagen können: „Wir haben ein Mahnmal und das unterstützen wir.“