
„Die Bewertung war eine Herausforderung“
Die Landesergebnisse des Geschichtswettbewerbs 2024/25 sind da. Nach dem Einsendeschluss am 28. Februar begannen die Landesjurys mit der Bewertung der eingereichten Beiträge zum Thema „Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte.“ Zum ersten Mal mit dabei: Dr. Steffi Brüning, Historikerin und Leiterin der Dokumentations- und Gedenkstätte der Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern.
Im Interview spricht sie über ihre Eindrücke der Jurytätigkeit und die Potentiale, die der Geschichtswettbewerb Kindern und Jugendlichen bieten kann.
Das Interview führte Fabian Knothe.

Frau Brüning, Sie waren in diesem Jahr zum ersten Mal als Jurorin beim Geschichtswettbewerb in einer Landesjury tätig. Was hat Ihnen bei der Juryarbeit besonders viel Spaß gemacht? Was hat Sie vor Herausforderungen gestellt?
Mich haben die vielen verschiedenen Auseinandersetzungen mit Geschichte durch Jugendliche wirklich beeindruckt. Die Teilnehmer:innen sind kreativ geworden, haben sich ungewöhnliche Fragen gestellt, klug, und gleichzeitig oft mit Humor, Geschichte entdeckt. Diese vielen verschiedenen Beiträge anzusehen, war für mich unglaublich lehrreich und ich habe bewundert, wie intensiv die Teilnehmenden gearbeitet haben. Eine Herausforderung war deswegen oft die Bewertung, auch im Vergleich mit allen Beiträgen. Es ist mir schwergefallen, die besten Beiträge zu finden, weil viele wirklich toll waren.
In Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Beiträge in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Haben Sie Vermutungen, warum gerade bei diesem Thema so viel mehr Arbeiten eingereicht wurden?
Das Thema Grenzen ist auf der einen Seite so allgemein gehalten, dass es ganz viele Möglichkeiten zur Auseinandersetzung gibt, auf der anderen Seite aber so konkret und nah an der Realität der Jugendlichen, dass sich Themen schnell finden lassen – das war zumindest mein Eindruck, als ich die Ausschreibung das erste Mal las. Ich hatte auch schnell viele Gedanken und Fragen, die sich ergeben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es Jugendlichen ähnlich ging.
Die eingereichten Beiträge weisen eine große Themenvielfalt auf. Haben sich aus Ihrer Sicht inhaltliche Schwerpunkte ergeben?
Beim Wettbewerbsthema lag die Auseinandersetzung mit räumlichen Grenzen und ihren Folgen in der Geschichte nahe, so dass einige Beiträge sich damit befasst haben. Gleichzeitig gab es aber keinen inhaltlichen Schwerpunkt, der sich in der Mehrheit der Beiträge zeigte. Jugendliche haben sich mit moralischen Grenzen, mit Grenzen aufgrund von Alter und Herkunft, sogar mit Grenzen von Geschichte durch verschwindende Zeitzeug:innen auseinandergesetzt. Diese Vielfalt zeigt die Stärke des diesjährigen Wettbewerbsthemas ganz besonders auf.
Sie leiten die Dokumentations- und Gedenkstätte in Rostock und arbeiten viel mit Kindern und Jugendlichen. Wie schätzen Sie das Verhältnis von jungen Menschen zu Geschichte und historischen Themen ein? Was für Problemstellungen gibt es aktuell und wie gehen Sie in der Gedenkstätte damit um?
Ich erlebe interessierte, offene, reflektierte und kluge Jugendliche, die viele Fragen an Geschichte stellen, die sie in der Gegenwart beschäftigen. Sie suchen in der Geschichte Antworten, Hilfestellungen, Leitlinien. In der Gedenkstätte liegt ein Schwerpunkt auf dem Thema Flucht aus der DDR, in Rostock setzen wir uns oft mit dem Weg über die Ostsee auseinander. Junge Menschen verbinden das sehr schnell mit unserer Gegenwart, zum Beispiel mit der Flucht über das Mittelmeer oder Migration im Allgemeinen. Das sind Alltagsthemen, die ständig kontrovers diskutiert werden.
Momentan merke ich aber auch, dass ein Teil der Jugendlichen sich stark zu autoritären Systemen oder auch nur Ideen hingezogen fühlen – das betrifft nicht die Mehrheit, aber wir führen regelmäßig mit Jugendlichen Gespräche darüber. Ich höre dann auf der einen Seite eine Relativierung von Diktaturgeschichte und auf der anderen Seite, dass Jugendliche sich nach einfachen, klaren, strikten Antworten sehnen. Ich nehme diese Gespräche sehr ernst und versuche deswegen, ganz ernsthaft und respektvoll mit Jugendlichen darüber zu diskutieren.
An welcher Stelle kann der Geschichtswettbewerb im Bereich der Geschichtsvermittlung einen Beitrag leisten, wo im Geschichtsunterricht vielleicht Grenzen gesetzt sind?
Der Geschichtswettbewerb bietet Jugendlichen die Möglichkeit, sich intensiv mit einer historischen Fragestellung auseinanderzusetzen, mit vorhandenen Quellen zu arbeiten oder auch durch Interviews neue Quellen zu produzieren. Dieses Kennenlernen von historischem Arbeiten, vom Forschen zu einem selbst gewählten Thema und am Ende der selbstständigen Produktion eines Beitrags ist unglaublich wichtig und ich wünsche den Teilnehmenden, dass sie den Prozess zu einem fertigen Beitrag genießen können.