Foto: WSB Bayern / Kurt Otto

Die Misthaufen sind verschwunden

von Dennis Kirsch

Leben auf dem Land: Für viele ist das eine attraktive Vorstellung, verbunden mit Natur und frischer Luft. Zugleich steht der ländliche Raum vor Herausforderungen, denn es fehlt vielerorts an Infrastruktur, während die Bevölkerung altert.

Wie wohnte es sich früher auf dem Land – wie lebt es sich dort heute? Das hat auch Kinder und Jugendliche beim Geschichtswettbewerb “Mehr als ein Dach über dem Kopf” interessiert. In über 60 Beiträgen erforschten Schüler:innen bäuerlichen Alltag und den Strukturwandel ländlicher Regionen.

Foto: Wohnen auf dem Dorf in der DDR am Beispiel unserer Familien, GW-20231871

„Eine Kuh macht muh, viele Kühe machen Mühe“

Nur noch eine kleine Minderheit lebt heute von der Landwirtschaft – trotzdem prägt dieser Wirtschaftszweig den ländlichen Raum wie kein anderer. Fünf Zehntklässler:innen aus dem thüringischen Sondershausen erkundeten durch Gespräche in den eigenen Familien dörfliches Leben in der DDR. Ihre Recherchen veröffentlichten sie auf einer Website. Das „übliche Klischee, dass Frauen nur in die Küche gehören“, erfüllte sich für ihren Ort nicht, auch Frauen und Kinder arbeiteten auf dem Feld mit. Eine andere Rollenverteilung konstatierte Theresa Wagner aus Hamburg für ein niedersächsisches Dorf in den 1950er Jahren. Ihre Großmutter erinnert sich an eine sehr klare Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern.

Wohnen und Arbeiten unter einem Dach

Dass Landwirtschaft nicht nur auf großen Bauernhöfen betrieben wurde, zeigt Theda Braun aus Dußlingen in Baden-Württemberg:

„Obwohl die Bewohner Dußlingens durchaus Berufe wie Weber, Schuhmacher, Maurer, Schuster und Kessler ausübten, reichten diese gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer weniger zum Leben. Aus diesem Grund führten viele Dußlinger Landwirtschaft im Nebenbetrieb.“

Die Neuntklässlerin hat unter anderem den Plan eines Wohnhauses aufgetan, erbaut Ende des 19. Jahrhunderts: Nutzräume wie der Stall und eine Scheune befanden sich unter einem Dach mit den sehr viel kleineren Wohnräumen.

Foto: Foto: Geschichte eines Bauernhauses im Steinlachtal, GW-20231494.

Dörfliches Wohnen im Wandel der Geschichte

“War früher wirklich alles besser?” Das fragte sich ein Team aus Bad Sobernheim in Rheinland-Pfalz. Die Siebtklässler:innen erforschten den Wandel des ländlichen Wohnens am Beispiel des Dorfes Pferdsfeld im Hunsrück und präsentierten ihre Ergebnisse in einer Ausstellung, einem Hörspiel und einem Video. Dabei beschrieben sie eine Entwicklung, die sich vielerorts in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog

„In den Dörfern verschwanden allmählich die Ställe und Scheunen, die Misthaufen sind verschwunden und das Erscheinungsbild hat sich in den 60er/70er Jahren relativ schnell gewandelt. Durch Aktionen wie „Unser Dorf soll schöner werden“ wurde regelrecht ein Wettbewerb unter den Dörfern ausgelöst, das Dorfbild zu verändern und neu zu gestalten, sodass man das ländliche Aussehen und die Enge nur noch […] in der Dorfmitte erkennen kann.“

Die neue Landlust

Seit einigen Jahren ist auch der gegenläufige Trend zu beobachten, das Historische, authentisch Ländliche zu bewahren oder wieder herzustellen. Mit einem 1796 erbauten Gehöft im Rottal beschäftigten sich fünf Schülerinnen aus dem bayerischen Pfarrkirchen. Das aktuelle Besitzerpaar kaufte das stark verfallene Wohnstallhaus im Jahr 2018 und sanierte es mit viel Liebe fürs Historische. Alte Möbelstücke wurden restauriert, ein Bauerngarten angelegt.

Foto: Ein Bauernhof verändert sein Gesicht, GW-Beitrag 20230384.

Das Dorf im 21. Jahrhundert

Sofern die Infrastruktur stimmt, ist Wohnen auf dem Land für die meisten der Wettbewerbsteilnehmer:innen durchaus attraktiv. Mehrere Beiträge betonen die positiven Seiten des Dorflebens, zumal es heute komfortabler sei als vor 50 Jahren. Moritz Heuer aus dem niedersächsischen Meine hat seinem Dorf Groß Schwülper sogar einen Song gewidmet: „Es fing mit Gut Groß Schwülper an / und jetzt ist Schwülper gut“.