Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel

EUSTORY-Netzwerktreffen 2025

Im März 2025 trafen sich die Verantwortlichen der EUSTORY-Wettbewerbe zum jährlichen Netzwerktreffen – dieses Mal in Oslo. Zwar agieren alle Wettbewerbe unabhängig, doch manche Herausforderungen sind für alle gleich: Polarisierung, antidemokratische Tendenzen und die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz. Während der dreitägigen Konferenz beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der norwegischen Erinnerungskultur, tauschten sich zu didaktischen Schwierigkeiten aus und diskutierten Lösungen.

Zwischen Gedenkstätte und Zentrum für Demokratie: Utøya

Der erste Konferenztag führt die Teilnehmenden nach Utøya – einem Ort, der die Gräuel des Rechtsextremismus ebenso symbolisiert wie die demokratische Resilienz Norwegens: Am 22. Juli 2011 erschoss ein norwegischer Rechtsextremer 69 Menschen, vor allem junge Teilnehmende des Sommerlagers der Arbeiterpartei auf Utøya. Heute ist die Insel einerseits Gedenkstätte, andererseits ein Lernort für Demokratie, wo jährlich mehr als 15.000 Schüler:innen Workshops zu demokratischen Werten und Anti-Extremismus durchlaufen. Nach einem Rundgang über die Insel konnten die Wettbewerbsorganisierenden die Methoden des Lernorts selbst ausprobieren.

Im Eröffnungsvortrag ging es um Polarisierung und die Kraft von Dialog. Jørgen Watne Frydnes, Generalsekretär von PEN Norway und Vorsitzender des norwegischen Nobelkomitees, war der erste Direktor von Utøya nach dem Anschlag und prägte das neue Konzept der Insel. In seinem eindrücklichen Vortrag plädierte er für eine neue Kultur des Zuhörens:

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„Wir sollten bewusst üben zuzuhören: Nicht nur Argumenten widersprechen, sondern tatsächlich zuhören und versuchen, den Standpunkt des anderen zu verstehen und sich mit ihm auseinandersetzen – nicht bloß versuchen, den Streit zu gewinnen. Und dies bedeutet, dass wir manchmal von einer Debatte zu einem echten Dialog wechseln müssen.“

Jørgen Watne Frydnes

Generalsekretär von PEN Norwegen

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  • Jørgen Watne Frydnes während seines Vortrags
    Jørgen Watne Frydnes während seines Vortrags Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel
  • Das „Haus, das schützt“, ist das neue Herzstück der Insel
    Das „Haus, das schützt“, ist das neue Herzstück der Insel Körber-Stiftung
  • Im Inneren des „Hauses, das schützt“
    Im Inneren des „Hauses, das schützt“ Körber-Stiftung
  • Gedenkort für die Opfer
    Gedenkort für die Opfer Körber-Stiftung

Ist die historisch-politische Bildung gescheitert?

Der Besuch auf Utøya und Frydnes‘ Vortrag zeigten, wie Dialog wirken kann – doch eine Frage blieb: Warum wachsen antidemokratische Einstellungen trotz historisch-politischen Bildungsangeboten? Darüber diskutierten Claudia Lenz und Nedim Krajišnik.

Claudia Lenz, Geschichtsdidaktikerin an der MF Vitenskapelig Høyskole in Oslo, forscht zur Prävention von Antisemitismus und Islamophobie. Sie forderte, dass die in der politischen Bildung genutzten Methoden alle Jugendlichen einbeziehen – unabhängig von Gender, Klasse oder sozialem Hintergrund. Sie machte deutlich, dass politische Bildung oft die ausschließt, die am meisten profitieren würden: benachteiligte Jugendliche.

Für Nedim Krajišnik, Direktor der NGO Step by Step – der größten Lehrerfortbildungsorganisation in Bosnien –, ist die politische Bildungsarbeit gescheitert. In seinem Vortrag zeigte er auf, wie Bosnien trotz verschiedenster Initiativen und internationaler Förderung weiterhin entlang ethnischer Grenzen gespalten ist. Politische Bildung könne für ihn nur funktionieren, wenn sie auf geteilten Werten basiert.

Solutions Not Sides

Jess Brandler, stellvertretende Direktorin der britischen NGO Solutions Not Sides (SNS), präsentierte einen praxisorientierten Ansatz für die Arbeit mit polarisierten Gruppen. SNS arbeitet zum Israel-Palästina-Konflikt und ermöglicht Begegnungen, die unterschiedliche Sichtweisen vermitteln und kritisches Denken fördern. Die NGO lädt Friedensaktivisten aus Israel und Palästina ein, um zu zweit in britischen Schulen mit den Schüler:innen ins Gespräch zu kommen, über Motivationen für Friedensaktivismus und mögliche Lösungen des Konflikts zu sprechen.

„Wir praktizieren die Kunst, schwierige Gespräche über heikle Themen zu führen.“

Jess Brandler

stellvertretende Direktorin, Solutions not Sides

Geschichtsunterricht in polarisierten Zeiten

Wie können Geschichtswettbewerbe der Polarisierung begegnen? In Workshops und Diskussionsrunden tauschten sich die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen aus und entwickelten Lösungsansätze.

Zuzana Jezerska stellte den Abschlussbericht des Projekts „HistEdu: Contested Histories“ vor. Vier EUSTORY-Wettbwerbe hatten Unterrichtspläne und Handreichungen für den Umgang mit umstrittenen und emotionalisierten Themen im Geschichtsunterricht entwickelt.

Wird die Polarisierung einfach aufhören? Nein, aber die politische Bildung bietet Werkzeuge, um ihr entgegenzutreten: Dialog, Zuhören, Empathie. Das EUSTORY-Netzwerk wird auch in Zukunft diese Fähigkeiten und weitere Schlüsselkompetenzen wie kritisches Denken und Informationskompetenz zu fördern – im Klassenzimmer und darüber hinaus.

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