
Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel
„Toleranz ist und sollte schwer sein“
Wie arbeiten wir auch im Angesicht von Terror und Gewalt weiter an einer friedlichen Zukunft? Auf dem EUSTORY-Jahrestreffen hielt der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees und frühere Direktor des Demokratie- und Bildungszentrums auf der Insel Utøya, Jørgen Watne Frydnes, ein bewegendes Plädoyer für mehr Mut auch zu schwierigen Dialogen. Das Wichtigste: Interesse und Wertschätzung an- und füreinander.
Mit gerade einmal 26 Jahren übernahm Jørgen Watne Frydnes im Jahr 2011 eine der herausforderndsten Aufgaben in Norwegen: Die Transformation der Insel Utøya, nachdem ein rechtsextremer Terrorist dort am 22. Juli desselben Jahres 69 Menschen, vor allem junge Teilnehmende eines Sommerlager der Jugendorganisation der Arbeiterpartei, erschossen hatte. Wie kann ein Ort beides werden – ein Ort zum Trauern und ein Ort, an den junge Menschen kommen, um gemeinsam die Welt zum Besseren zu verändern?
In seiner Keynote zur EUSTORY Jahrestagung Mitte März gab er Einblicke in den Prozess, das Zukunftskonzept für die Insel zu erarbeiten. Mehrere Jahre lang reiste Frydnes durch Norwegen, um Gespräche mit Überlebenden und Angehörigen zu führen. Als 2015 das erste Sommerlager nach dem Attentat stattfand, hatte Utøya sich zugleich zu einer Gedenkstätte und einem Lernort für Demokratie und Extremismusprävention weiterentwickelt.
Heute ist Frydnes Generalsekretär des Journalistenverbands PEN Norway, 2024 wurde er zudem zum Vorsitzenden des norwegischen Nobelkomitees berufen. Seitdem ist er für die Auswahl des nächsten Friedensnobelpreisträgers zuständig. Über seine Arbeit für mehr Dialog und Verständnis sagt er:

„Wir sollten bewusst üben zuzuhören: Nicht nur Argumenten widersprechen, sondern tatsächlich zuhören und versuchen, den Standpunkt des anderen zu verstehen und sich mit ihm auseinandersetzen – nicht bloß versuchen, den Streit zu gewinnen. Und dies bedeutet, dass wir manchmal von einer Debatte zu einem echten Dialog wechseln müssen.“
Jørgen Watne Frydnes
Generalsekretär von PEN Norwegen
Im Interview am Rande der EUSTORY-Jahrestagung macht Frydnes deutlich, wie ihn diese Überzeugungen weiter in seiner Arbeit leiten.
Polarisierung als Fokus der EUSTORY Jahrestagung
„Beyond Bias: Teaching History in Polarised Times” war der Titel der diesjährigen Jahrestagung des EUSTORY-Netzwerks, die Vertreter der mehr als 20 europäischen Geschichtswettbewerbe zusammenbrache.
Die Tagungsteilnehmenden hatten die Möglichkeit, sich vor Ort selbst ein Bild von Utøya und der pädagogischen Arbeit des Learning Centers zu machen.
Die norwegischen Antworten und Strategien zur gesellschaftlichen Aufarbeitung der Terroranschläge von 2011 waren der Ausgangspunkt für eine Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Arbeit der anwesenden EUSTORY-Wettbewerbsorganisatoren. Sie diskutierten unterschiedliche Ansätze zu einem sinnvollen Umgang mit Polarisierung, Radikalisierung und demokratiegefährdenden Entwicklungen in ihren eigenen Ländern.
Lokaler Gastgeber der Konferenz war die Fritt Ord-Stiftung, die sich insbesondere für Pressefreiheit einsetzt. Seit mehreren Jahren unterstützt sie zudem den norwegischen Geschichtswettbewerb.
„Beyond Bias: Teaching History in a Polarised World“ war der diesjährige Fokus. Körber-Stiftung/ Ilja C. Hendel Jørgen Watne Frydnes während seiner Keynote. Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel Das „Haus, das schützt“, ist das neue Zentrum der Insel. Körber-Stiftung Im Inneren des „Hauses, das schützt“. Foto: Körber-Stiftung Körber-Stiftung Gedenkstätte für die Opfer des Attentats. Körber-Stiftung Austausch während der Konferenz. Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel Mitglieder des EUSTORY-Netzwerk. Foto: Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel Körber-Stiftung/Ilja C. Hendel