
2. Preis Sozialwissenschaften 2025
Foto: Vitalii Ionov / iStock
Anna Billerbeck arbeitet jeden Tag daran, dass Europa seine ehrgeizigen Klimaziele erreicht:
Sie forscht zur Effizienz und Akzeptanz von Wärmenetzen.
Die Forschung
Mehr Wärmenetze für ein klimaneutrales Energiesystem
Text: Dorthe March
Während die Erzeugung von Strom aus Wind-, Wasser- und Sonnenkraft in Europa bereits ganz gut vorangehe, gebe es bei der ressourcenschonenden Wärmegewinnung noch viel Luft nach oben, sagt Anna Billerbeck. „Wärme macht etwa die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs in Europa aus und basiert nach wie vor überwiegend auf klimaschädlichen fossilen Energieträgern“, erläutert die Wissenschaftlerin. „Eine zügige Transformation zu einem klimaneutralen Wärmesektor ist deshalb unerlässlich.“ Mit diesem Fokus forscht Billerbeck an Wärmenetzen – unterirdischen Leitungen, in denen heißes Wasser von einem Wärmeerzeuger zu einer Vielzahl von Abnehmern wie Haushalten oder Betrieben transportiert wird, um dort die Heizung zu betreiben oder Warmwasser zu bereiten. Erhitzt wird das Wasser in Heiz- und Heizkraftwerken, die idealerweise erneuerbare Technologien einsetzen – beispielsweise Geothermie- oder Solarthermieanlagen sowie große Wärmepumpen im Megawattbereich. „Insbesondere in dicht besiedelten Gebieten stellen Wärmenetze eine energieeffiziente und wirtschaftliche Möglichkeit dar, klimaneutrale Wärmequellen in großem Maßstab zu integrieren“, erläutert Billerbeck.
„Wärme macht etwa die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs in Europa aus und basiert nach wie vor überwiegend auf klimaschädlichen fossilen Energieträgern. Eine zügige Transformation zu einem klimaneutralen Wärmesektor ist deshalb unerlässlich.“
Studienpreisträgerin Anna Billerbeck
Transparenz und Verbraucherschutz
In ihrer kumulativen Dissertation analysiert Billerbeck die technisch-ökonomische, die politische und die gesellschaftliche Perspektive auf das Thema Wärmenetze. „Meine Ergebnisse zeigen, dass eine kosteneffiziente Wärmewende durch den Ausbau klimaneutraler Wärmenetze in Europa auf einen Anteil von 25 Prozent der beheizten Gebäudefläche – von derzeit rund zehn Prozent – erreicht werden kann.“ Um diese Versorgungsstruktur zu erreichen, sei ein integrierter Ansatz für die Regulierung von Wärmenetzen erforderlich, der unter anderem die Markttransparenz erhöht. „Meinen Stromanbieter kann ich beliebig wechseln – meinen Nah- oder Fernwärmeerzeuger nicht. Damit bin ich der Preisgestaltung des Anbieters mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert“, erläutert sie. Hier müsse die Politik faire und transparente Preise garantieren.

Zudem arbeitet Billerbeck heraus, unter welchen Umständen Wärmenetze positiv wahrgenommen werden und auf hohe Akzeptanz stoßen. Zum Beispiel vertrauten Menschen neuen Technologien und seien bereit, auf klimaneutrale Wärmequellen umzusteigen, wenn sie gleichsam Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger:innen ihrer Kommune und ihres Landes haben. „Meine Szenarioanalysen zeigen, dass ein europäisches Energiesystem, das aus einer erneuerbaren Stromversorgung und einem starken Ausbau der Wärmenetze sowie einer hohen Verbreitung von zentralen und dezentralen Wärmepumpen basiert, die geringsten Kosten bei der Transformation zu einem klimaneutralen Energiesystem aufweist“, sagt Billerbeck. Das könne in der aktuellen Situation, in der Entscheidungen über das künftige Energiesystem politisch kontrovers diskutiert werden, einen sachlichen Diskurs unterstützen, damit Europa die Wärmewende erfolgreich meistert und Klimaneutralität erreicht.
Die Preisträgerin

Anna Billerbeck studierte Wirtschaftsingenieurwesen (Bachelor) an der Hochschule Mannheim und Energiewirtschaft (Master) an der Hochschule Darmstadt. Promoviert hat sie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Dort arbeitet Billerbeck als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin weiterhin am Thema klimaneutrale Energiesysteme.
Beitragstitel: Klimaneutralität durch Wärmenetze – Technisch-ökonomische, politische und gesellschaftliche Perspektiven der Wärmewende
Anna Billerbeck
anna.billerbeck@isi.fraunhofer.de
Promotion an der Albert-Ludwigs Universität Freiburg, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Fach Umweltschutz

