2. Preis Sozialwissenschaften 2024
In ihrer Dissertation untersuchte die Wirtschaftswissenschaftlerin Elisa Rottner den Effekt von klimapolitischen Maßnahmen auf die CO2-Emissionen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Die Forschung
Was zu einer erfolgreichen Klimapolitik fehlt
Text: Mann beißt Hund
Vor dem Hintergrund der globalen Klimakrise und den verschärften europäischen Klimazielen steht Deutschland vor der Herausforderung, bis 2045 klimaneutral zu werden. Besonders die Industrie, die einen erheblichen Anteil an den nationalen CO₂-Emissionen hat, steht im Fokus der Klimapolitik. „In meiner Arbeit habe ich untersucht, ob klimapolitische Maßnahmen funktionieren und die Emissionen der Industrie sinken“, sagt Elisa Rottner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
In ihrer Dissertation arbeitete Rottner hauptsächlich mit den sogenannten AFiD-Daten, den amtlichen Firmendaten für Deutschland. Diese Mikrodaten bieten detaillierte Einblicke in die Aktivitäten der Industrie, etwa zum Energieverbrauch. Ihre Analyse zeigt: Trotz aller politischer Ziele sind die CO₂-Emissionen in Deutschland zwischen 2003 und 2017 nicht zurückgegangen, sondern sogar gestiegen. „Das liegt vor allem daran, dass die deutsche Industrie in diesem Zeitraum deutlich gewachsen ist und mehr produziert wurde“, begründet Rottner.
Sie hat untersucht, wie höhere Strompreise als Folge der Klimapolitik Unternehmen beeinflussen. Während das europäische Emissionshandelssystem, in dem Zertifikate für den CO₂-Ausstoß erworben werden müssen, nur wenige große Firmen direkt betrifft, erhöhen viele Klimaschutzmaßnahmen die Strompreise und wirken so indirekt auf eine deutlich größere Zahl von Unternehmen. Rottner stellte fest, dass höhere Strompreise zwar dazu führen, dass Betriebe ihren Strombezug reduzieren, sie aber gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.
„Meine Forschungsarbeit zeigt, dass Klimapolitik grundsätzlich funktioniert, jedoch strenger werden muss, um wirkliche Veränderungen zu bewirken.“
Preisträgerin Elisa Rottner
„Anhand der Daten ist nicht erkennbar, dass die Betriebe unter den gestiegenen Strompreisen leiden und deswegen weniger Umsätze machen, weniger investieren oder die Beschäftigung sinkt“, sagt Rottner. Eine befürchtete Verlagerung der Produktion ins Ausland aufgrund steigender Strompreise konnte sie ebenfalls nicht nachweisen. Größere Unternehmen ersetzten gekauften Strom jedoch zunehmend durch Strom, den sie selbst mit fossilen Brennstoffen erzeugten.
„Meine Forschungsarbeit zeigt, dass Klimapolitik grundsätzlich funktioniert, jedoch strenger werden muss, um wirkliche Veränderungen zu bewirken“, erklärt Rottner. Besonders kritisch sieht sie die zahlreichen Ausnahmeregelungen für energieintensive Industrien, die dazu führen, dass die entscheidenden Preissignale abgeschwächt werden. „Es muss jetzt darum gehen, die vorhandenen klimapolitischen Maßnahmen wirklich stringent und umfangreich durchzusetzen. Nur so kann die Dekarbonisierung der Industrie gelingen“, so Rottners Fazit.
Die Preisträgerin
Nach ihrem Betriebswirtschaftslehre- und Philosophy and Economics-Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und an der Universität Bayreuth begann die 28-jährige Elisa Rottner ihre Forschung am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Parallel promovierte sie als externe Doktorandin an der Universität Basel in der Schweiz. Mit einer Zwischenstation als Gastwissenschaftlerin an der University of California ist Elisa Rottner nun wieder in Deutschland, wo sie weiterhin am ZEW arbeitet.
Beitragstitel: Zwischen internationalem Wettbewerb und Klimaschutz – die deutsche Industrie
Elisa Rottner
Webseite von Elisa Rottner
Promotion an der Universität Basel, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.