2. Preis Geistes- und Kulturwissenschaften 2024
Die Idee des „Verantwortungseigentums“ könnte Unternehmen ermöglichen, stärker zum gesellschaftlichen Wohl beizutragen. Marvin Reiff ebnet den Weg zur gesetzlichen Verankerung des juristisch komplexen Konzepts.
Die Forschung
Verantwortungseigentum: mehr als Profit
Text: Mann beißt Hund
Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und maximalen Profit erwirtschaften – nur wenigen Unternehmen gelingt beides zugleich, denn oft ist das eine nur auf Kosten des anderen möglich. Das Konzept „Verantwortungseigentum“ möchte aus diesem Zwiespalt führen, indem es dem „finanziellen Eigentum“ ein „Eigentum an der Verantwortung“ für Unternehmen gegenüberstellt. „Es geht nicht darum, persönlich das Vermögen eines Unternehmens zu besitzen, sondern die Verantwortung“, erklärt Reiff: „Indem man das in Gestalt eines ‚treuhänderischen‘ Privateigentums trennt, öffnet man einen unternehmerischen Freiraum, Entscheidungen zum Wohle der Gesellschaft zu treffen, anstatt maximale Gewinne zum Wohle Einzelner zu erwirtschaften.“ Das Besondere: Sämtliche Gewinne, die ein Unternehmen in Verantwortungseigentum erwirtschaftet, gehören nicht dessen Eigentümer:innen, sondern dem Unternehmen selbst.
„Indem man das in Gestalt eines ‚treuhänderischen‘ Privateigentums trennt, öffnet man einen unternehmerischen Freiraum, Entscheidungen zum Wohle der Gesellschaft zu treffen, anstatt maximale Gewinne zum Wohle Einzelner zu erwirtschaften.“
Preisträger Marvin Reiff
Ein befreundeter Soziologe habe ihn früh auf das Thema aufmerksam gemacht. „Damals gab es keine rechtswissenschaftlichen Vorarbeiten dazu. Zuerst wollte ich selbst einen Gesetzentwurf schreiben, aber eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe ist mir zuvorgekommen“, erzählt Reiff. „Stattdessen habe ich dann diesen Gesetzentwurf und die Debatten, die er ausgelöst hat, umfassend untersucht.“ Dabei hat Reiff auch das besondere Eigentumsverständnis des Konzeptes beleuchtet. Das zentrale Ergebnis seiner Dissertation an der Universität Münster: eine umfangreiche und weiterführende Zusammenfassung der bisherigen Ansätze und Überlegungen als Grundlage für zukünftige interdisziplinäre Forschung und rechtspolitische Diskussionen zu dem hochaktuellen Thema.
Viele deutsche Familien- und Sozialunternehmen fordern die Einführung einer gesetzlichen Rechtsform, um Verantwortungseigentum unkompliziert und rechtssicher umzusetzen. Eine solche Rechtsform würde den Fokus auf den Unternehmenszweck legen und eine langfristig unabhängige Unternehmensführung erleichtern. „Aktuell müssen sich Unternehmer:innen selbst auf die Reise machen. Das dauert lange und kostet viel Geld“, sagt Reiff. Um es ihnen leichter zu machen, schlägt der von ihm untersuchte Gesetzentwurf vor, ans GmbH-Recht anzuknüpfen. Reiffs Fazit dazu: Der Entwurf ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings unterscheidet sich Verantwortungseigentum so stark von allen existierenden Rechtsformen, dass eine ganz eigene Rechtsform nötig ist. Reiff ist zuversichtlich, dass es dazu kommen wird: „Als ich mit meiner Dissertation begonnen habe, war Verantwortungseigentum noch ein Nischenthema. Inzwischen ist die Einführung einer neuen Rechtsform im Koalitionsvertrag vereinbart worden und zählt derzeit zum Arbeitsprogramm der Bundesregierung.“
Der Preisträger
Marvin Reiff (29) studierte und promovierte an der Universität Münster am Fachbereich Rechtswissenschaft. Während seiner Promotion wurde er von der Studienstiftung gefördert und war unter anderem als Dozent an der International School of Management tätig. Derzeit absolviert Marvin Reiff sein Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin und ist Akademischer Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina.
Beitragstitel: Wozu Privateigentum an Unternehmen? Strukturwandel durch „Verantwortungseigentum“ und die Rechtswissenschaft
Marvin Reiff
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Promotion an der Universität Münster, Rechtswissenschaftliche Fakultät