2. Preis Sozialwissenschaften 2024
Erneuerbare Energien sind nicht nur gut fürs Klima. Sie sollen uns auch unabhängiger machen von Vorkommen fossiler Brennstoffe. Doch nicht nur Wind und Sonne sind entscheidende Faktoren in diesem Spiel – effiziente Technologien und das richtige Auslesen von Daten tragen entscheidend zur Energiewende bei. Wer diese Daten kennt und steuert, bestimmt die Spielregeln.
Die Forschung
Big Tech: die neuen Player in der Energiewende
Text: Mann beißt Hund
Dass Big-Tech-Unternehmen wie Amazon, Google oder Microsoft enorme Datenmengen besitzen und für ihre Gewinnoptimierung nutzen, ist allseits bekannt. Dass sie aber auch in den Energiemarkt drängen, ist kaum sichtbar. Politikwissenschaftlerin Silvia Weko hat sich gefragt, ob Daten und künstliche Intelligenz (KI) wie Öl monopolisiert werden könnten – und dabei die Rolle von Big-Tech-Unternehmen untersucht.
Für ihre Dissertation an der Universität Erfurt recherchierte Weko Veröffentlichungen und Investitionen von Amazon und Co. Wissenschaftliche Literatur gab es zu ihrer Fragestellung kaum. Zwar wurde zur Ausbreitung und Monopolisierung in anderen Sektoren und zur Nachhaltigkeit der Big-Tech-Firmen selbst geforscht, aber über ihre Rolle in der Energiewende war bisher wenig bekannt.
„Big-Tech-Firmen haben einen wichtigen strukturellen Vorteil, der es ihnen ermöglicht, Wissen und damit Wertschöpfung zu bündeln: ihren Zugang zu energierelevanten Daten und ihr Know-how im Bereich der KI.“
Preisträgerin Silvia Weko
Für die Wahl-Berlinerin stand schnell fest: „Big-Tech-Firmen haben einen wichtigen strukturellen Vorteil, der es ihnen ermöglicht, Wissen und damit Wertschöpfung zu bündeln: ihren Zugang zu energierelevanten Daten und ihr Know-how im Bereich der KI.“ Die Energiewende setzt vor allem auf die Elektrifizierung vieler verschiedener Sektoren wie Verkehr oder Wärme. Gleichzeitig liefern Sonne und Wind aber nicht konstant Energie. Es ist daher wichtig vorherzusagen, wann wie viel Energie gebraucht, produziert und gespeichert wird. Um das zu berechnen, braucht es riesige Datensätze und Technologien (KI), die sie analysieren können.
Amazon hat beides. Etwa ein Drittel aller Unternehmen, die Cloudsysteme nutzen, setzt auf Amazon Web Services, darunter viele Energie- und Logistikfirmen. Amazon pflegt zudem Partnerschaften mit Energieversorgern, die ihre Unternehmensprozesse in Amazons Cloud verlagern. Dazu hat Amazon eigene Projekte wie Solaranlagen und elektrische Fahrzeuge. Durch diese Daten und Erfahrungen kann Amazon selbst Innovationen entwickeln oder verbessern.
Big-Tech-Unternehmen können entsprechend Innovationen schneller entwickeln, was wichtig wäre für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft. Aber wenn einige wenige über Erfolg und Misserfolg der Energiewende entscheiden, birgt das auch große Gefahren: Der Wettbewerb wird eingeschränkt, kleinere Anbieter unter Druck gesetzt, neue Abhängigkeiten entstehen. „So ist Energiesouveränität in Europa kaum zu erreichen“, sagt Weko. Ihre Lösung: „Wir müssen die Monopolstellung der Big-Tech-Unternehmen politisch bekämpfen. Und wir brauchen ein öffentliches Energiedaten- und KI-Management, um die Energiewende voranzubringen.“
Die Preisträgerin
Silvia Weko studierte an der Freien Universität Berlin Soziologie. Während ihrer Promotion an der Universität Erfurt arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am Helmholtz-Zentrum Potsdam. Derzeit ist die Politikwissenschaftlerin als Postdoktorandin am Lehrstuhl für Nachhaltigkeitstransitionspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg tätig.
Beitragstitel: Verteilte Energieressourcen, zentralisierte Gewinne: Warum die Monopolisierung von Daten und KI zu einer ungerechten Energiewende führen könnte
Silvia Weko
Kontakt via LinkedIn.
Promotion an der Universität Erfurt, Willy Brandt School of Public Policy