2. Preis Geistes- und Kulturwissenschaften 2024

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Die Vorannahme, dass die Exekutive freiwillig Gerichtsentscheidungen befolgt, geht nicht immer auf. Rechtswissenschaftler Philipp Koepsell spricht in diesen Fällen von „exekutivem Ungehorsam“ und fordert wirksame Maßnahmen für einen verlässlichen Rechtsstaat.

Die Forschung

Exekutiver Ungehorsam gefährdet den Rechtsstaat

Text: Mann beißt Hund

Wer gegen die öffentliche Verwaltung vor Gericht zieht, weil sein/ihr Antrag zu Unrecht abgelehnt wurde, bekommt in der Regel recht. Aber was geschieht, wenn sich die Exekutive weigert, den Richterspruch zu befolgen? Im Zweifel nicht viel, wie der Rechtswissenschaftler Philipp Koepsell in seiner Dissertation an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg herausfand. Denn in Deutschland gilt das „Ehrenmannprinzip“: Wenn staatliche Institutionen, Verwaltungen oder Behörden, verurteilt werden, geht das Gericht davon aus, dass das Urteil „ehrenhalber“ befolgt wird. Entspricht die Exekutive dem Urteil aber nicht, drohen höchstens milde „Beugemittel“ wie geringe Zwangsgelder, die allzu oft wirkungslos verpuffen.

Ein Beispiel: Als 2018 in München Fahrverbotszonen für bestimmte Dieselfahrzeuge eingerichtet werden sollten, um die Grenzwerte ein- und die Luft sauber zu halten, widersetzte sich der Freistaat Bayern dem richterlichen Beschluss. Auch Zwangsgelder bewirkten nichts. Erst deutlich später und mit einem Wechsel der Zuständigkeiten von Landes- auf Kommunalebene wurden endlich Fahrverbotszonen eingerichtet. Philipp Koepsell: „Dieser Fall gab für mich den Anstoß zu meiner Arbeit. Ich habe mich gefragt: Hat der Rechtsstaat wirklich nichts zu bieten, wenn die Exekutive Gerichtsentscheidungen missachtet?“

Um diese Frage zu beantworten, hat Philipp Koepsell mehrere solcher Fälle untersucht, Gesetze geprüft, viel Literaturrecherche betrieben und letztlich einen Rechtsvergleich von fünf Nationen angestellt. Daraus entwickelte er ein dreistufiges System von Handlungsoptionen: Auf der ersten Stufe sollten wie gehabt Zwangsgelder verhängt werden, allerdings nicht mit der Möglichkeit, diese innerhalb derselben Verwaltung von A nach B zu verschieben, sondern zugunsten wohltätiger Zwecke. Sollte diese Stufe keine Wirkung zeigen, empfiehlt Koepsell Stufe zwei: periodische Zwangsgelder, wie etwa in den USA möglich, um den Druck zu erhöhen. Als letzte Maßnahme wäre sogar die Anordnung einer Haft für Amtsträger:innen denkbar.

„Werden die aufgezeigten Handlungsoptionen wahrgenommen, kann der Rechtsstaat ein hohes Niveau an Resilienz erreichen und die Herausforderung exekutiven Ungehorsams erfolgreich bewältigen.“

Preisträger Philipp Koepsell

Immerhin: Das Bundesjustizministerium, dem Koepsell 2023 seine Forschungsergebnisse vorgestellt hat, hat im Juni 2024 ein Eckpunktepapier dazu veröffentlicht. „Ein erster Schritt ist getan“, sagt Koepsell und betont: „Werden die aufgezeigten Handlungsoptionen wahrgenommen, kann der Rechtsstaat ein hohes Niveau an Resilienz erreichen und die Herausforderung exekutiven Ungehorsams erfolgreich bewältigen.“

Der Preisträger

Philip Koepsell
Philip Koepsell Svea Pietschmann

Während seines Jurastudiums und seiner Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg arbeitete Philipp Koepsell als studentischer und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Universität Freiburg. Seit 2023 ist der 29-jährige Jurist als Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Karlsruhe tätig.

Beitragstitel: Exekutiver Ungehorsam und rechtsstaatliche Resilienz

Philipp Koepsell

Kontakt via LinkedIn.

Promotion an der Universität Freiburg, Rechtswissenschaftliche Fakultät

Materialien zum Download

Wettbewerbsbeitrag und Pressefoto von Philipp Koepsell

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