Demokratie in der Vertrauenskrise
Unsere Gegenwart ist stark von Krisen geprägt, die sich auf das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie und ihre Institutionen auswirken: Der von Russland ausgelöste Ukrainekrieg, die nachfolgende Energiekrise, der Rückgang des Wirtschaftswachstums, der deutliche Anstieg der Lebenshaltungskosten, die Klimakrise und steigende Migrationszahlen.
Dies sind nur einige der großen Problemlagen, denen sich nicht nur die politische Ebene, sondern auch die Bundesbürgerinnen und -bürger persönlich gegenübersehen. Die Körber-Stiftung hat in den letzten Jahren durch repräsentative Erhebungen die Reaktionen der Bundesbürger auf diese Entwicklungen dokumentiert.
Die aktuelle repräsentative Umfrage wurde von policy matters im Auftrag der Körber-Stiftung vom 19. Juni 2024 bis 6. Juli 2024 unter 1068 Personen durchgeführt.
Selbsttest zur Umfrage
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Hinweis Ergebnisse: Repräsentative Umfrage von policy matters im Auftrag der Körber-Stiftung, 2024
Die Ergebnisse – Kurzzusammenfassung
Anhaltend pessimistische Grundstimmung
Das Vertrauen der Deutschen in die Demokratie bleibt gering. Nach den Europawahlen 2024 gaben nur noch 46 Prozent an, großes oder sehr großes Vertrauen in die Demokratie zu haben. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent hat wenig oder geringes Vertrauen in die Demokratie und ihre Prozesse.
Die globale Krisenentwicklung, deren Auswirkungen auch in Deutschland spürbar sind, führt zu einer insgesamt eher pessimistischen Zukunftserwartung. Gut die Hälfte der Bundesbürgerinnen und -bürger gibt an, eher Sorgen bezüglich ihrer eigenen Zukunft zu haben (54 Prozent). Besonders betroffen sind Personen mit niedrigem Einkommen (72 Prozent) und Frauen (59 Prozent). Besserverdienende (59 Prozent) und die jüngere Generation (58 Prozent) sehen eher positive Perspektiven. Bemerkenswert ist, dass die persönlichen Zukunftserwartungen von West- und Ostdeutschen sowie von Personen mit und ohne Migrationshintergrund kaum Unterschiede aufweisen.
Die wirtschaftliche Lage im Land wird mehrheitlich als schlecht eingeschätzt. Drei von vier Bürgerinnen und Bürgern halten die derzeitige Lage für weniger gut (46 Prozent) oder ausgesprochen schlecht (28 Prozent). Nur gut jede/r Fünfte (22 Prozent) empfindet sie als gut, und nur wenige (2 Prozent) als sehr gut. Damit bleibt die Stimmung im vierten Jahr in Folge auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau.
Bewältigung anstehender Herausforderungen
Das aktuelle Unbehagen an der Demokratie hängt wohl mit dem Eindruck zusammen, dass die Politik mit den anstehenden Herausforderungen überfordert ist. Nur gut jede/r Fünfte (22 Prozent) glaubt, dass Deutschland ausreichend vorbereitet ist, die großen Transformationsaufgaben unserer Zeit zu bewältigen. Ebenso viele trauen sich hierzu kein Urteil zu, während eine deutliche Mehrheit (57 Prozent) dieser Meinung nicht zustimmt – ein Anstieg um 7 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Wunsch nach starken Führungspersönlichkeiten
Das sinkende Vertrauen in die Politik geht einher mit dem lauter werdenden Wunsch nach Politikerinnen und Politikern, die mehr Macht und Durchsetzungswillen haben, um schnell und entschieden handeln zu können – eine Erwartung, die 60 Prozent der Befragten teilen.
In diesem Kontext tauchen zunehmend Forderungen auf, in Krisensituationen wie Bedrohungen der inneren oder äußeren Sicherheit, bei Naturkatastrophen oder Pandemien den Handlungsspielraum der Bundesregierung zu erweitern. Eine Mehrheit der Befragten lehnt eine solche Ausdehnung der Exekutivbefugnisse jedoch ab. Entscheidungen der Regierung in Notsituationen ohne Zustimmung des Parlaments lehnen 61 Prozent ab. Die Einschränkung der Überprüfung von Parlamentsbeschlüssen durch Gerichte halten 76 Prozent nicht für zielführend. Auch Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit lehnt eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent ab. In all diesen Fragen überwiegt die Ablehnung parteiübergreifend.
Die Forderung nach schnelleren und klareren Entscheidungen bedeutet jedoch nicht eine Hinwendung zu populistischen Parteien. Im Gegenteil: die große Mehrheit (69 Prozent) sieht Populismus als eine Gefahr für die Demokratie. Ältere sehen dies eher so als Jüngere (74:60 Prozent), Westdeutsche eher als Ostdeutsche (70:64 Prozent). Auch in allen Parteien gibt es deutliche Mehrheiten gegen Populismus, mit einer Ausnahme: der AfD. Deren Anhängerinnen und Anhänger bestreiten mehrheitlich (62 Prozent) eine Gefährdung der Demokratie durch populistische Parteien oder Politikerinnen und Politiker, aber immerhin 38 Prozent stimmen zu, dass Populismus der Demokratie eher schadet.
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