Deutsche fordern mehr außenpolitisches Engagement

Umfrage der Körber-Stiftung zum Ukraine-Krieg belegt »Zeitenwende« auch in der öffentlichen Meinung

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in der deutschen Bevölkerung zu einem Sinneswandel geführt. Mit 67 Prozent spricht sich erstmals eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für ein langfristiges Engagement Deutschlands bei internationalen Krisen aus. Im September 2021 befürworteten dies lediglich 45 Prozent der Befragten.
Zugleich wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen eine größere Unabhängigkeit von den USA: 76 Prozent wollen, dass die Bundesrepublik in ihrer Sicherheitspolitik eigenständiger wird. Fast die Hälfte gibt als Grund die Notwendigkeit an, die Sicherheit in Deutschland und Europa auch bei einem Rückzug der USA gewährleisten zu können. Nur 24 Prozent nennen andere sicherheitspolitische Ziele Deutschlands als Motivation für mehr Unabhängigkeit. Das ist das Ergebnis der repräsentativen Sonderumfrage von »The Berlin Pulse« der Körber-Stiftung, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public im März 2022.

»Der deutliche Zuspruch für mehr internationales Engagement belegt, dass der sicherheitspolitische Paradigmenwechsel der Bundesregierung bei der Bevölkerung angekommen ist. Ob die öffentliche Zustimmung anhält, hängt allerdings davon ab, wie gut es der Politik gelingt die Bundesbürger bei der Umsetzung der ‚Zeitenwende‘ mitzunehmen«, kommentiert Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, die Umfrageergebnisse.

Auch nach der russischen Invasion der Ukraine ist ein nennenswerter Teil der deutschen Bevölkerung weiterhin an einem engen Verhältnis zu Russland interessiert: 14 Prozent der Deutschen finden enge Beziehungen zu Russland wichtiger als zu den USA (2021: 16 Prozent). Gleichermaßen enge Beziehungen zu Russland und den USA priorisieren nur noch 7 Prozent der Deutschen (2021: 17 Prozent).

Außen- und Sicherheitspolitische Allianzen

Angesichts der aktuellen Krise wird die Partnerschaft mit Frankreich aus Sicht der deutschen Bevölkerung wieder wichtiger: Für 35 Prozent der Befragten ist Frankreich der wichtigste Partner Deutschlands (September 2021: 27 Prozent). Damit messen die Deutschen ihrem europäischen Nachbarn derzeit eine ähnlich große Bedeutung zu wie den USA, die 39 Prozent der Deutschen als wichtigsten Partner angeben (September 2021: 47 Prozent).

8 von 10 Deutschen (82 Prozent) nehmen die USA außerdem als Partner beim Schutz und der Verteidigung Europas wahr. Trotz der angespannten Sicherheitslage verstärkt sich diese Wahrnehmung innerhalb der deutschen Bevölkerung lediglich um 9 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021. Nur 63 Prozent der Deutschen sehen die USA als Partner im Umgang mit Russland. Fast ein Fünftel der Befragten (19 Prozent) nennt China als Partner Deutschlands bei dieser Frage. Bei Befragten aus Ostdeutschland sind es sogar 27 Prozent, die China als verlässlichen Partner im Umgang mit Russland sehen.

Innerdeutsches Stimmungsbild

Der Paradigmenwechsel in Deutschland zeigt sich besonders deutlich bei der SPD-Wählerschaft. Seit 2019 hat sich die Zustimmung zu einem stärkeren außenpolitischen Engagement Deutschlands innerhalb dieser Gruppe verdoppelt (von 37 Prozent auf 75 Prozent). Der größte Zuspruch kommt jedoch von Befragten mit einer Parteipräferenz für Bündnis90/Die Grünen (90 Prozent).

Beim Wunsch nach einem langfristigen internationalen Engagement zeigt sich erstmals auch ein deutlicher Ost-West-Unterschied. Während knapp die Hälfte (55 Prozent) der Ostdeutschen ein langfristiges Engagement befürwortet, beträgt die Zustimmung im Westen 70 Prozent.

Die Sonderumfrage

Die Umfrage Kantar Public hat im Auftrag der Körber-Stiftung im März 2022 1.020 Wahlberechtigte ab 18 Jahren in Deutschland zu ihren außenpolitischen Einstellungen befragt.

Alle Ergebnisse, Tabellen, Grafiken und weitere Hinweise zur Erhebung online verfügbar unter: www.theberlinpulse.org.

The Berlin Pulse

Die Publikation »The Berlin Pulse« der Körber-Stiftung erscheint seit 2017 jährlich anlässlich des Berliner Forums Außenpolitik. Die Jahresschrift stellt internationale Erwartungen hochrangiger Autorinnen und Autoren an deutsche Außenpolitik den außenpolitischen Einstellungen der Deutschen auf Basis einer repräsentativen Umfrage gegenüber. Die sechste Ausgabe wird dieses Jahr Mitte Oktober veröffentlicht. Alle Beiträge vergangener Ausgaben sind online verfügbar unter www.theberlinpulse.org.

Angebote für Journalistinnen und Journalisten (bitte über den Pressekontakt, Herrn Julian Claaßen, anfragen):

  • Interview mit Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung
  • Interview mit Julia Ganter, Editor »The Berlin Pulse«, Körber-Stiftung
  • Tabellenband von Kantar Public mit allen Umfrageergebnissen
  • Alle Infografiken zum honorarfreien Abdruck auf www.theberlinpulse.org
  • Folgen Sie uns auf Twitter unter @KoerberIP und kommentieren Sie die Ergebnisse mit dem Hashtag #TheBerlinPulse. Verfolgen Sie Reaktionen auf die Umfrage auch über unsere Kanäle auf Facebook, LinkedIn und Instagram

Pressekontakt
Julian Claaßen
Körber-Stiftung
Bereich Internationale Politik
Telefon: 040 – 808 192 233
E-Mail: claassen@koerber-stiftung.de
Twitter @KoerberIP

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