Stadt- und Gemeinderäte: Engagiert vor Ort

Photo: Körber-Stiftung

Gemeinsam mit Bundespräsident Steinmeier haben wir am 8. April 2025 ehrenamtlich engagierte Stadt- und Gemeinderatsmitglieder aus ganz Deutschland zum Erfahrungsaustausch nach Berlin eingeladen.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung zeigt, was sich ehrenamtliche Stadt- und Gemeinderäte wünschen, welche Herausforderungen sie für ihre Gemeinden sehen und was sich ändern muss, um dem Nachwuchsmangel in der Kommunalpolitik zu begegnen.

In Deutschland engagieren sich mehr als 200.000 ehrenamtliche Stadt- und Gemeinderäte für die lokale Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in ihren Kommunen. Sie sind das Herzstück der Demokratie und der kommunalen Selbstverwaltung. Die Ratsmitglieder setzen sich in den Gremien für die Belange ihrer Gemeinden ein, sie moderieren zwischen Bürgerschaft und Verwaltung und tragen im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnisse unmittelbare Verantwortung für die Lebensqualität und die Zukunft ihrer Gemeinden. Sie sind Ansprechpartner und Ansprechpartnerin für die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger, sie streiten in der Sache um die besten Entscheidungen und bringen ihre Gemeinden nach vorne. Dabei stehen sie vor vielfältigen Herausforderungen wie hoher zeitlicher Belastung, der schwierigen Vereinbarkeit mit Beruf und Familie, zunehmenden Anfeindungen sowie defizitären kommunalen Haushalten.

Ehrenamtliche Stadt- und Gemeinderatsmitglieder im Portrait – Kurzfilm

This video can not be played.

Load external video from YouTube.

Read more in our privacy policy.

Stadt- und Gemeinderäte: Engagiert vor Ort Source: YouTube/Körber-Stiftung

Die Ergebnisse – Kurzfassung

Vielfältige Herausforderungen

Eine große Mehrheit (86 Prozent) der befragten Stadt- und Gemeinderäte stellt fest, dass das Ausmaß der Vorgaben und Auflagen von höheren politischen Ebenen sowie die Vielfalt der Herausforderungen in ihrer Gemeinde (85 Prozent) in den letzten Jahren zugenommen haben. So bewerten 70 Prozent der befragten Ratsmitglieder die finanzielle Lage ihrer Kommune als schlecht oder sehr schlecht, in den ostdeutschen Kommunen sind es sogar 80 Prozent. Für 90 Prozent stellen die fehlenden Finanzmittel die drängendste Herausforderung der kommenden Jahre dar, gefolgt vom Erhalt der Wirtschaftskraft (80 Prozent), der Umsetzung der Energiewende (79 Prozent) und dem Modernisierungsstau (77 Prozent).

Eingeschränkter Gestaltungsspielraum

Diese Herausforderungen schränken den Gestaltungsspielraum ein, der laut einer Mehrheit der Befragten (61 Prozent) abgenommen hat. Die Stadt- und Gemeinderäte wünschen sich für einen größeren Gestaltungsspielraum unter anderem eine bessere finanzielle Ausstattung (53 Prozent), weniger Bürokratie (32 Prozent) sowie mehr Entscheidungsfreiheiten (10 Prozent).

Aufnahme von Geflüchteten nicht als größte Herausforderung benannt

Das bundespolitisch viel diskutierte Thema Migration spielt im Vergleich eine untergeordnete Rolle (57 Prozent), insbesondere im Osten der Republik (44 Prozent).

Auswirkungen der Bundespolitik und fehlende Wertschätzung vom Land

Gut zwei Drittel der Befragten (70 Prozent) beobachten, dass die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Bundespolitik sich auch auf kommunaler Ebene widerspiegelt. Zudem fühlt sich eine große Mehrheit (79 Prozent) nicht ausreichend von der Landesregierung wertgeschätzt.

Vermehrte Demokratiefeindlichkeit in den Gemeinden

Mehr als ein Viertel der Ratsmitglieder beobachtet demokratiefeindliche Tendenzen in der eigenen Kommune (27 Prozent). Auch sehen 39 Prozent Rechtsradikalismus als sehr große bzw. große Herausforderung.

Gesamtzufriedenheit

Trotz der Herausforderungen ist die Mehrzahl der befragten Ratsmitglieder überwiegend zufrieden mit den Rahmenbedingungen des Ehrenamts. Über zwei Drittel der befragten Personen (68 Prozent) geben an, mit den allgemeinen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit eher oder sehr zufrieden zu sein. 

Ergebnisbericht zum Download

Zur Situation der Stadt- und Gemeinderäte in Deutschland

Die Ergebnisse - Langfassung

Sozialstruktur der Stadt- und Gemeinderäte

Mehr als 70 Prozent der befragten Ratsmitglieder sind Männer, weniger als 30 Prozent sind Frauen. Zwei Drittel der Amtsträger und Amtsträgerinnen sind 50 Jahre oder älter, zehn Prozent sind mindestens 70 Jahre alt. Drei Viertel wohnen seit mindestens 20 Jahren in ihrer Gemeinde. 75 Prozent sind neben ihrem Ehrenamt erwerbstätig, meist in Vollzeit.

26 Prozent der Befragten sind in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen tätig, 38 Prozent in Gemeinden mit 5.000 bis unter 20.000, und 35 Prozent in größeren Gemeinden.

Grundsätzliche Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen – Unterschiede bei der Größe der Gemeinde

Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) sind zufrieden mit den Rahmenbedingungen ihrer Arbeit im Stadt- bzw. Gemeinderat. Allerdings zeigt sich jede/r Dritte unzufrieden. 74 Prozent der Ratsmitglieder geben an, dass ihr Amt mit Familie, Privatleben und Beruf vereinbar ist, allerdings variieren die Einschätzungen stark je nach Gemeindegröße. So geben Ratsmitglieder in kleineren Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen häufiger an, dass sich das Amt (sehr) gut mit Familie, Privatleben und Hauptberuf vereinbaren lässt (74 Prozent). Bei Gemeinden mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen geben dies nur 65 Prozent und bei Gemeinden mit mindestens 20.000 nur 54 Prozent der Befragten an.

Stadt- und Gemeinderäte: Vielzahl an Herausforderungen

Neun von zehn Befragten sehen fehlende Haushaltsmittel als größte Herausforderung. Auch der Erhalt der Wirtschaftskraft (80 Prozent), die Energiewende (79 Prozent) und der Modernisierungsstau (77 Prozent) werden von mehr als drei Viertel der Gemeinderäte als problematisch angesehen.

Das bundespolitisch viel diskutierte Thema Migration spielt im Vergleich eine untergeordnete Rolle (57 Prozent), insbesondere im Osten der Republik (44 Prozent).

Mehr als 80 Prozent der Ratsmitglieder berichten, dass Auflagen und Herausforderungen in den letzten Jahren zugenommen haben.

Zu wenig Gestaltungsspielraum, zu wenig Unterstützung

Sechs von zehn Ratsmitgliedern nehmen eine Abnahme ihres Gestaltungsspielraums wahr. Besonders kritisiert wird hierbei die unzureichende finanzielle Ausstattung und das Ausmaß an Bürokratie.

Die Mehrheit der Ratsmitglieder fühlt sich von der Landesregierung und der Bundespolitik nicht ausreichend unterstützt (80 Prozent). 53 Prozent der Befragten, die eine mangelnde Unterstützung beklagen, wünschen sich mehr und bessere finanzielle Unterstützung sowie weniger Bürokratie und kürzere Prozesse (32 Prozent).

Der Einfluss von Bundes- und Landesebene auf das politische Engagement vor Ort

Gut zwei Drittel der Befragten (70 Prozent) beobachten, dass die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Bundespolitik sich auch auf kommunaler Ebene widerspiegelt.

Während sich viele Ratsmitglieder von ihrer Gemeinde wertgeschätzt fühlen, fühlt sich nur jede/r siebte durch die Medien anerkannt (15 Prozent). Die geringste Wertschätzung sehen die Befragten seitens der Landesregierung (7 Prozent).

Beleidigungen, Konflikte und Verrohung – die Lage vor Ort

Für rund 39 Prozent der Befragten stellen Rechtsradikalismus, Reichsbürger und ähnliche Bewegungen eine große bis sehr große Herausforderung in den kommenden Jahren dar. Zudem nehmen etwa 27 Prozent der Ratsmitglieder vermehrt demokratiefeindliche Tendenzen wahr. In Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen wird die Situation bezüglich Rechtsradikalismus und Demokratiefeindlichkeit tendenziell pessimistischer bewertet mit 52 und 38 Prozent.

Drei Viertel der Befragten bewerten die Kooperation mit der Verwaltung positiv, dennoch treten in vielen Fällen regelmäßig Konflikte auf. Es gibt zunehmend Spannungen, die sich auch in einer verschärften Tonalität äußern.

Jede/r Vierte hat aufgrund des Amts bereits Beleidigungen, Bedrohungen oder Angriffe erlebt. Davon haben 26 Prozent wiederum aus diesen Gründen überlegt, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Motivation für das politische Ehrenamt als Stadt- und Gemeinderat

Die große Mehrheit der Befragten fühlt sich am meisten durch den Bürgermeister/die Bürgermeisterin wertgeschätzt (72 Prozent), aber auch durch die anderen Mitglieder im Stadt- bzw. Gemeinderat (71 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten erfahren Anerkennung und Wertschätzung durch die Angestellten der Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung (61 Prozent) sowie durch die Bürgerinnen und Bürger.

Die stärkste Motivation für das Engagement besteht für die Ratsmitglieder in der Möglichkeit zur Weiterentwicklung und Mitgestaltung der Gemeinde (68 Prozent). Als zweithäufigster Grund für das politische Engagement wird der Einsatz für die Mitbürgerinnen und -bürger genannt (30 Prozent).

Ein Blick nach vorne: Nachwuchsmangel und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung

61 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass ihre Gemeinde ein Nachwuchsproblem bei politischen Amtstragenden hat.

Etwas mehr als die Hälfte der Ratsmitglieder plant eine erneute Kandidatur. Diejenigen, die nicht erneut antreten, nennen als Hauptgrund ihr Alter (67 Prozent).

Um das Ehrenamt attraktiver zu gestalten, fordern die Ratsmitglieder mehr ideelle Wertschätzung (51 Prozent) und einen größeren Gestaltungsspielraum (48 Prozent). Zudem werden finanzielle Kompensationen (49 Prozent) und eine Verringerung bürokratischer Hürden (30 Prozent) als dringend notwendig angesehen.

Wer engagiert sich im Stadt- und Gemeinderat?

In Deutschland engagieren sich mehr als 200.000 ehrenamtliche Stadt- und Gemeinderäte für die lokale Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in ihren Kommunen.

Die Zusammensetzung der befragten Ratsmitglieder zeigt ein klares Muster: In den Gemeinderäten sind Männer nach wie vor deutlich in der Überzahl – mehr als 70 Prozent der Befragten sind männlich. Auch das Durchschnittsalter ist hoch: Zwei Drittel der Ratsmitglieder sind mindestens 50 Jahre alt, jede oder jeder Zehnte hat sogar die 70 bereits überschritten.

Viele der Kommunalpolitikerinnen und -politiker sind tief in ihrer Gemeinde verwurzelt. Drei Viertel von ihnen leben seit über 20 Jahren dort, wo sie ihr Mandat ausüben. Trotz des Engagements für die Kommunalpolitik sind die meisten berufstätig: Drei von vier Ratsmitgliedern gehen einer Erwerbstätigkeit nach, in den meisten Fällen in Vollzeit.

Die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Ratsmitglieder unterscheiden sich je nach Gemeindegröße. In kleineren Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen sind die Ratsmitglieder weniger zufrieden mit den Bedingungen ihres Engagements (67 Prozent) als ihre Kolleginnen und Kollegen in größeren Gemeinden ab 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen (72 Prozent).

Auch der Zeitaufwand unterscheidet sich deutlich: Während 53 Prozent der Ratsmitglieder in kleinen Gemeinden weniger als fünf Stunden pro Woche für ihr Amt aufwenden, sind es in größeren Gemeinden nur zehn Prozent. Dort investieren viele mehr als zehn Stunden pro Woche in ihre politische Arbeit. Die Vereinbarkeit des Ehrenamts mit Familie, Privatleben und Hauptberuf wird von den Ratsmitgliedern in kleineren Gemeinden positiver bewertet. 74 Prozent der Ratsmitglieder in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen bewerten die Vereinbarkeit als gut oder sehr gut, in Gemeinden mit mehr als 20.000 sind es nur 54 Prozent. Auch die Herausforderungen, mit denen sich die Kommunalpolitikerinnen und -politiker konfrontiert sehen, unterscheiden sich je nach Gemeindegröße. In größeren Kommunen werden Fachkräftemangel (83 Prozent), Wohnungsmangel (76 Prozent) und soziale Ungleichheit (60 Prozent) häufiger als große Probleme genannt. Zudem werden dort Digitalisierung und Rechtsextremismus von 52 Prozent als drängendere Themen wahrgenommen. In kleineren Kommunen wird dagegen die Bewahrung der lokalen Identität mit 48 Prozent als besondere Herausforderung gesehen.

Auch der Investitionsbedarf ist unterschiedlich. In größeren Gemeinden werden vor allem Schulen und Bildungseinrichtungen (73 Prozent), digitale Infrastruktur und Kommunikation (64 Prozent) sowie der öffentliche Personennahverkehr (51 Prozent) als dringende Investitionsfelder gesehen. In kleineren Gemeinden stehen dagegen die Finanzierung der Feuerwehr und des Fuhrparks (54 Prozent) sowie Orte der Begegnung und des Austauschs (47 Prozent) im Vordergrund.

Das soziale Klima wird in kleineren Gemeinden oft positiver eingeschätzt als in größeren. In städtischen Gebieten wird häufiger Unzufriedenheit mit der Bundespolitik geäußert, die sich auch auf die kommunale Ebene auswirkt. Zudem berichten Ratsmitglieder aus größeren Gemeinden häufiger von antidemokratischen Tendenzen und digitaler Desinformation (38 Prozent).

Die Zusammensetzung der Räte hat sich vor allem in den größeren Gemeinden verändert: Dort gibt es immer mehr Fraktionen und Gruppierungen. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit der Fraktionen in kleineren Gemeinden oft als konstruktiver empfunden (77 Prozent), während es in größeren Räten häufiger zu Spannungen kommt. Hier bewerten nur 56 Prozent die Zusammenarbeit als sehr gut bzw. eher gut.

Probleme wie die Profilierung einzelner Ratsmitglieder (76 Prozent), der Einfluss bundespolitischer Themen auf die Arbeit (59 Prozent) oder Störungen der Sitzungen treten in großen Gemeinden häufiger auf als in kleinen. Auch Konflikte mit der Verwaltung (61 Prozent) und Schwierigkeiten bei der Priorisierung von Themen (51 Prozent) sind dort häufiger als im Durchschnitt mit 46 und 39 Prozent.

Auch die Anerkennung im Amt unterscheidet sich: Während sich Ratsmitglieder in kleinen Gemeinden häufiger von der Bevölkerung (63 Prozent) und dem Bürgermeister/der Bürgermeisterin wertgeschätzt fühlen (76 Prozent), gaben dies nur 48 bzw. 59 Prozent der Befragten aus größeren Gemeinden an. Gleichzeitig erleben die Ratsmitglieder aus größeren Gemeinden auch häufiger Anfeindungen und Übergriffe (38 Prozent) als ihre Kolleginnen und Kollegen in kleineren Gemeinden (23 Prozent).

Schließlich zeigt sich auch bei der Nachwuchsfrage ein Unterschied: Während in Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen 40 Prozent der Ratsmitglieder der Meinung sind, dass es genügend geeignete Interessenten und Interessentinnen gibt, sind es in kleineren Gemeinden noch weniger. Insbesondere in Orten zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen sehen nur 26 Prozent genügend Nachwuchs für das Amt.

Ratsmitglieder in westdeutschen Kommunen sind tendenziell zufriedener mit den Rahmenbedingungen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit (70 Prozent) als ihre Kolleginnen und Kollegen in Ostdeutschland (63 Prozent).

Die gesellschaftspolitische Stimmung vor Ort wird unterschiedlich wahrgenommen. Während in Westdeutschland 77 Prozent der Ratsmitglieder angeben, dass die Bürgerinnen und Bürger politische Entscheidungen nachvollziehen können, sind es in Ostdeutschland nur 60 Prozent. Gleichzeitig berichten ostdeutsche Kommunalpolitikerinnen und -politiker häufiger von einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung und einer zunehmenden Unzufriedenheit mit der Bundespolitik, die sich auch auf die kommunale Ebene auswirkt. Zudem wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Stadtrat und Verwaltung in Ostdeutschland insgesamt etwas geringer eingeschätzt – auch wenn die Mehrheit weiterhin von einem grundsätzlichen Vertrauen ausgeht.

Auch bei den wichtigsten Herausforderungen zeigen sich Unterschiede. Während in Westdeutschland 59 Prozent der Ratsmitglieder den Wohnungsmangel als drängendes Problem nennen, sind es in Ostdeutschland nur 37 Prozent. Auch die Aufnahme von Flüchtlingen wird in Westdeutschland mit 61 Prozent häufiger als große Herausforderung gesehen als in Ostdeutschland mit 44 Prozent. Dagegen sehen die ostdeutschen Ratsmitglieder den Strukturwandel und die Abwanderung (47 Prozent) deutlich häufiger als zentrale Herausforderungen an als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Auch der Modernisierungsstau wird von 32 Prozent der ostdeutschen Kommunalpolitikerinnen und -politiker als sehr große Herausforderung genannt.

Auch beim Investitionsbedarf gibt es Unterschiede: In Ostdeutschland sehen 55 Prozent besonders häufig Investitionsbedarf in der medizinischen Versorgung, während in Westdeutschland mit 40 Prozent eher der Bereich Energie- und Wasserversorgung als prioritär angesehen wird.

Auch die Diskussionskultur in den Kommunalparlamenten unterscheidet sich leicht. In Westdeutschland geben 27 Prozent der Ratsmitglieder an, dass sich der Umgangston und die Qualität der Debatten in den letzten Jahren verbessert haben, in Ostdeutschland sind es nur 18 Prozent.

Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei der Einschätzung der finanziellen Situation der Kommunen: Während in Westdeutschland 32 Prozent der Gemeinderäte die wirtschaftliche Lage ihrer Gemeinde als gut oder sehr gut einschätzen, sind es in Ostdeutschland nur 20 Prozent.

Die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Ratsmitglieder unterscheiden sich nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch zwischen den einzelnen Bundesländern. Besonders zufrieden sind die Ratsmitglieder in Nordrhein-Westfalen (77 Prozent), während die Zufriedenheit in Sachsen-Anhalt (64 Prozent) vergleichsweise gering ausfällt.

Auch die größten Herausforderungen unterscheiden sich regional. So werden in Sachsen-Anhalt die fehlenden Haushaltsmittel mit 97 Prozent besonders häufig als Problem genannt. Strukturwandel und Abwanderung stellen für 51 Prozent der Ratsmitglieder in Sachsen-Anhalt und 62 Prozent in Thüringen eine große Herausforderung dar, in Bayern sind es 32 Prozent und in Baden-Württemberg 38 Prozent. Die Aufnahme von Flüchtlingen wird in Hessen von 72 Prozent und in Rheinland-Pfalz von 48 Prozent als sehr große Herausforderung wahrgenommen, während dies in Sachsen-Anhalt nur 25 Prozent und in Thüringen 52 Prozent so sehen. Der Fachkräftemangel ist vor allem in Sachsen-Anhalt mit 86 Prozent ein großes Problem.

Die Wahrnehmung der gesellschaftspolitischen Stimmung ist in den Bundesländern unterschiedlich. In Sachsen-Anhalt schätzen nur 47 Prozent das Vertrauen der Bevölkerung in den Stadtrat und die Verwaltung als hoch ein, während dieser Wert im Durchschnitt der anderen Bundesländer bei 78 Prozent liegt. Demokratiefeindlichkeit wird in Hessen (27 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (35 Prozent) vergleichsweise häufiger beobachtet. Auch die Entwicklung der kommunalen Situation wird unterschiedlich wahrgenommen. Insbesondere in Baden-Württemberg (94 Prozent) und Hessen (91 Prozent) berichten die Ratsmitglieder von einer starken Zunahme von Vorgaben und Auflagen durch übergeordnete politische Ebenen.

Die Rahmenbedingungen der Ratsarbeit werden regional unterschiedlich bewertet. Während in Bayern 26 Prozent die Unterstützung durch die Landes- und Bundespolitik als positiv bewerten, sind es in Hessen nur acht Prozent und in Baden-Württemberg sogar nur 6 Prozent.

Hinsichtlich der Erfahrungen mit Anfeindungen und Übergriffen zeigen sich Unterschiede. In Hessen (32 Prozent) und Sachsen-Anhalt (33 Prozent) berichten vergleichsweise viele Ratsmitglieder von solchen Erfahrungen, während der Anteil in Schleswig-Holstein mit 14 Prozent deutlich geringer ist.

Auch die Bereitschaft zur erneuten Kandidatur variiert stark. In Nordrhein-Westfalen planen 74 Prozent eine erneute Kandidatur, in Hessen 63 Prozent, während dieser Wert in Baden-Württemberg mit 42 Prozent deutlich niedriger liegt.

Im Auftrag der Körber-Stiftung hat die Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH eine Befragung von Stadt- bzw. Gemeinderäten in Deutschland durchgeführt.

Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 2.312 Gemeinderäte in Deutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen) befragt. In jedem Bundesland wurde eine Mindestzahl von jeweils 150 Interviews realisiert. Eine Ausnahme bilden hier Sachsen-Anhalt und das Saarland, wo dies aufgrund der geringen Zahl an Gemeinden nicht möglich war. Im Anschluss an die Erhebung wurden die Ergebnisse nach der Anzahl der Gemeinden pro Bundesland sowie nach Ortsgröße gewichtet. Die Erhebung wurde vom 31. Januar bis zum 25. Februar 2025 als Online-Befragung durchgeführt.

Kontakt

Sven Tetzlaff

Head of Department Democracy and Cohesion

Ulrike Fritzsching

Programme Manager
Municipality and Resilience

Yannik Roscher

Programme Manager
Democracy