Foto: Claudia Höhne

2× hören: Keine Angst vor Mehdi Jalali

Der iranische Komponist Mehdi Jalali gilt als Pionier der zeitgenössischen Musikszene Irans. Seine Musik spiegelt stets die politischen und gesellschaftlichen Missstände seiner Heimat wider. Anlässlich der jüngsten Proteste hat er nun ein Werk komponiert, das all den Menschen gewidmet ist, die in 44 Jahren islamischer Herrschaft in Iran inhaftiert und getötet wurden.

In diesem Stück hat Jalali seine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Exil verarbeitet: Seit er sich im September 2022 öffentlich mit den Protestierenden solidarisiert hat, steht er unter strenger Beobachtung – und ging deshalb ins innere Exil: „Ich erlebe einen Zustand von Exil, das sogar die Tür und die Wand unseres eigenen Hauses durchdrungen hat.“

Das Werk, das Jalali eigens für das Berliner Sonar Quartett geschrieben hat, findet im Körber Forum seine Uraufführung. Wie bei jeder 2× hören-Veranstaltung wurde es zweimal gespielt – einmal vor und einmal nach dem Gespräch des Moderators Rafael Rennicke mit den Musiker:innen. Wir sind sicher: Anschließend hören Sie das Stück mit ganz anderen Ohren.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit „Tage des Exils“.

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2× hören: Keine Angst vor Mehdi Jalali

Impressionen

  • alle Fotos: Claudia Höhne

Sonar Quartett

Foto: Claudia Höhne

Seit seiner Gründung 2006 tastet das Sonar Quartett immer wieder die Ränder der klassischen Musik ab, es erschafft Utopien und improvisiert Klangabdrücke, deren Nachhall schon den Weg zum nächsten notierten Werk nährt. Die vier in Berlin lebenden Musiker:innen verstehen sich als komponierendes Streichquartett, das weit über vermeintliche Genregrenzen hinausgreift, indem es sich auch der eigenen Körper, elektronischer Verstärkung und Verfremdung bedient oder auch bildkünstlerische Werke in Klang verwandelt. Neue Musik geht mit dem Sonar Quartett über das Hör- und Sichtbare hinaus, sie wird für die Spielenden und für die Zuhörer gleichermaßen zu einem taktilen Erlebnis.

Mehdi Jalali

Foto: Dimitri Papageorgiou

Mehdi Jalali wurde 1980 in Teheran geboren. Seit 1996 lernte er traditionelle iranische Musik und studierte Musiktheorie, Komposition, Dirigieren und elektronische Musik. Er ist künstlerischer Leiter der Yarava Music Group, eines Ensembles, das 2001 von ihm mitgegründet wurde und heute ca. 100 Instrumentalisten vereint. Die Musikerinnen und Musiker der Yarava Music Group spielen sowohl auf den klassischen persischen als auch auf westlichen Instrumenten. Mit der Uraufführung von neuen Werken, mit Seminaren, einem Wettbewerb und CD-Produktionen geben sie der Neuen Musik viele wichtige Impulse, die weit über die Stadt Teheran hinausreichen. Mehdi Jalali ist aber auch Komponist. Und wie viele Komponisten der mittleren Generation ist er mit der klassischen persischen Musik groß geworden. Für ihn ist sie noch immer eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Inspirationsquelle für seine kompositorische Arbeit. Als Komponist geht es ihm vor allem darum, die besondere spirituelle Atmosphäre, die der klassisch persischen Musik eigen ist, auch in der Neuen Musik zu bewahren. Gleichzeitig spiegelt seine Musik zumeist die politischen und gesellschaftlichen Missstände seiner Heimat wider.

Als im September 2022 die jüngsten Proteste im Iran ausbrachen, war Jalali auf Konzertreise in Europa. Entsetzt über die Härte, mit der die Regierung gegen die Bevölkerung vorging, solidarisierte er sich via Twitter mit den Protestierenden und blieb zunächst in Deutschland, wo er mit Konzerten unter dem Motto „Woman Life Freedom“ auf die Lage in seiner Heimat aufmerksam machte. Familiäre Gründe zwangen ihn zurück in die Heimat, wo er seitdem unter strenger Beobachtung der Behörden in einem inneren Exil lebt: „Ich erlebe einen Zustand von Exil, das sogar die Tür und die Wand unseres eigenen Hauses durchdrungen hat.“