Photo: Sandra Röse - Mayor of Oyten

Leere Kassen, alternde Städte – Wie bleiben Kommunen handlungsfähig?

Die demografische Alterung birgt viele kommunale Herausforderungen. Während der Bedarf an Versorgungsstrukturen steigt, der gesellschaftliche Zusammenhalt aller Generationen in den Fokus rückt und die Infrastruktur vielerorts schon bessere Zeiten gesehen hat, verzeichnen die kommunalen Haushalte Rekorddefizite. In Zeiten leerer Kassen werden die zur Verfügung stehenden Mittel für Pflichtaufgaben benötigt. Freiwillige kommunale Selbstverwaltungsaufgaben – zu denen häufig Leistungen aus den Bereichen Gesundheit und Soziales gehören – geraten zunehmend unter Druck. Besteht die Aufgabe der Städte und Gemeinden darin, der Bevölkerung zu kommunizieren, dass sie sich auf ein stetig sinkendes Versorgungsniveau einstellen muss? Mit der vorliegenden Publikation „Leere Kassen, alternde Städte“ möchten wir andersherum fragen: Wie kann es Kommunen angesichts dieser Rahmenbedingungen gelingen, handlungsfähig zu bleiben – und gut funktionierende Orte für alle Generationen zu sein? Wir haben mit vier Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern von Gemeinden aus verschiedenen Teilen der Bundesrepublik und mit unterschiedlichen demografischen Voraussetzungen genau darüber gesprochen.

Sie berichten davon, wie sie gemeinsam mit ihren Verwaltungen, den Bürgerinnen und Bürgern und den ansässigen Unternehmen Infrastruktur erhalten, wiederbeleben oder neu aufbauen – unter anderem durch finanzielle Mittel jenseits des kommunalen Haushalts. Das können klassische Fördermittel sein, aber auch kreative Ansätze wie ein kommunales Crowdfunding. Was sind die Erfolgsfaktoren der kommunalen Gestalterinnen und Gestalter? Einig sind sie sich darin, dass die Kommune in den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gehen muss. Sie muss bereit sein, neue Wege zu gehen. Und sie muss off en sein für die Ideen von Mitwirkungswilligen. So kann es der alternden Kommune bei angespannter Finanzlage gelingen, ein lebenswerter Ort für alle zu bleiben.

Leere Kassen, alternde Städte

Leere Kassen, alternde Städte

Ferid Giebler - Muldestausee

„Als ich zum Bürgermeister gewählt wurde, war ich mit 33 Jahren der Jüngste im Gemeinderat. Das Durchschnittsalter lag bei ca. 60 Jahren. Ich habe mich damals gefragt, wie es gelingen soll, eine Politik für alle Generationen zu machen, wenn nur eine Generation vertreten ist.“ – Ferid Giebler

Der Spendenbeschaffer - Ferid Giebler und die Gemeinde Muldestausee

Ferid Giebler gelingt es, große Fördersummen einzuwerben. Dafür nimmt er die Bürgerinnen und Bürger und Gewerbetreibenden in die Pflicht. Wenn sie einen Beitrag leisten, kann die Gemeinde attraktive Projekte umsetzen.

Ohne Jugend keine Zukunft

„Beim Thema Demografie dürfen wir aber die Jugend nicht vergessen. Nach der Wende sind viele junge Menschen abgewandert. Wenn wir sie in der Gemeinde halten wollen, müssen wir ihre Interessen berücksichtigen. Als ich zum Bürgermeister gewählt wurde, war ich mit 33 Jahren der Jüngste im Gemeinderat. Das Durchschnittsalter lag bei ca. 60 Jahren. Ich habe mich damals gefragt, wie es gelingen soll, eine Politik für alle Generationen zu machen, wenn nur eine Generation vertreten ist. Weil ich nicht regelmäßig mit 1000 Jugendlichen sprechen kann, mussten wir ein Gremium schaffen, das die Interessen der Jugend bündelt. Mit dem Schwung des guten Wahlergebnisses konnte ich die Gründung eines Jugendgemeinderates durchsetzen.
Unser Jugendgemeinderat hat ein festes Antrags- und Rederecht und verfügt über ein eigenes Budget von 6000 Euro. Das Land ist zwar der Meinung, dass wir
keine so weitgehenden Rechte einräumen dürfen. Aber das sehe ich anders und nutze meine Möglichkeiten im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung großzügig. Meiner Ansicht nach sind die weitgehenden Rechte der Schlüssel zum Erfolg. Auf Antrag des Jugendgemeinderates hat die Gemeinde eine Jugendsozialarbeiterin eingestellt. Auch die große Freizeitanlage in der Ortschaft Pouch geht auf seine Initiative zurück.Ich halte den Jugendgemeinderat für ein enorm wichtiges kommunalpolitisches Instrument. Die Mitglieder machen bei allen Aktivitäten in der Gemeinde mit – sei es beim Marathon oder beim Clean-up-Day. Ein ehemaliges Mitglied kandidierte bei der letzten Kommunalwahl sogar für den Gemeinderat. Und einige der jungen Menschen sagen inzwischen:
‚Ich habe hier so viel mitentwickelt, ich möchte in der Gemeinde bleiben.“

Neue Wege zum Geld

„Ein Riesenproblem ist der Investitionsstau. Viele Gebäude, die nach der Wende errichtet wurden, müssen saniert werden. Mitder Investitionspauschale, die wir zugewiesen bekommen, können wir aber nur das Allernötigste tun. Um an Fördermittel heranzukommen, müssen Kommunen einen Eigenanteil erbringen. Das Geld haben wir oft nicht. Deshalb ist es nötig, andere Wege zu gehen. Die Freizeitanlage in Pouch haben wir über kommunales Crowdfunding finanziert. Das ist ein starkes Instrument, mit dem wir in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte realisieren konnten. Am Anfang unserer Projekte steht immer ein aufwändiger partizipativer Prozess. Wir erarbeiten mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen über Monate, was sie sich vorstellen. Bei der Freizeitanlage in Pouch dauerte das locker ein halbes Jahr. Wir sprachen damals mit den Vereinen, den Senioren und natürlich den Jugendlichen. Es gab den Wunsch nach einem Skatepark, einem Fahrradweg, einem Cross-Fitnesspark. Auf Basis dieser Vorschläge erstellte die Verwaltung eine Projektskizze undnahm eine Kostenschätzung vor. Wir machten klar: Die Freizeitanlage, die ihr euch wünscht, wird rund 500.000 Euro kosten. Die Gemeinde kann sich um Fördermittel kümmern, aber wir brauchen erstmal rund 70.000 Euro Eigenmittel, die wir nicht haben. Wenn ihr mitmacht, können wir das Projekt umsetzen, andernfalls nicht. Damals starteten wir unsere erste Spendenkampagne. Nach zweieinhalb Monaten hatten wir das Geld zusammen. Damit wir Firmen beauftragen konnten, mussten wir weitere 35.000 Euro sammeln, was innerhalb von nur einer Woche gelang. Heute fahren Menschen aus einem Umkreis von zehn Kilometern mit dem Fahrrad zu uns, nur um auf der Freizeitanlage Sport zu machen.“

Alexandra Gauß - Windeck

„Es ist uns gelungen, in den vergangenen Jahren rund 200 neue Kitaplätze zu schaffen. Das war ein gewaltiger Kraftakt. Bei solchen Projekten denken wir immer schon weiter. Wenn wir eine Kita neu bauen, achten wir zum Beispiel darauf, dass die Türen breit genug sind, um sie mit einem Rollstuhl passieren zu können. Wer weiß heute, ob die Kita für immer eine Kita bleiben wird.“ – Alexandra Gauß

Die Ermöglicherin - Alexandra Gauß und die Gemeinde Windeck

Alexandra Gauß ist auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Sie schafft Räume, in denen Menschen aktiv werden können. Wer eine gute Idee hat, bekommt Unterstützung – so entstanden unter anderem ein Dorfladen und eine Gaststätte.

‚Seit Sie Bürgermeisterin sind, mache ich wieder Ehrenamt‘

„Wir sind auf die Eigeninitiativen angewiesen und versuchen zu unterstützen, wo wir können, indem wir zum Beispiel Vereine auf Förderprogramme hinweisen und bei der Antragstellung helfen. Oder wir stellen Kontakte zu Stiftungen her. Auf Wunsch der Bürgervereine haben wir kürzlich ein Vernetzungstreffen organisiert. Die Mitglieder konnten sich kennenlernen und Erfahrungen austauschen. Einige Vereine coachen sich inzwischen gegenseitig. Vor allem ist es wichtig, dass wir als Verwaltung ansprechbar sind. Die Leute müssen das Gefühl haben, dass sie mit ihren Ideen zu uns kommen können. Ein Mann sagte mir vor ein paar Jahren: ‚Seit Sie Bürgermeisterin sind, mache ich wieder Ehrenamt.‘ Darüber habe ich mich sehr gefreut.“

Aus Ideen werden Projekte

„Kürzlich war jemand bei mir, der eine Bücherei gründen möchte. Wir haben gemeinsam überlegt, wie man das organisieren könnte und wie die Gemeinde
helfen kann. Jetzt gibt es eine Whatsapp-Gruppe mit einer Handvoll Interessierter, die weiter daran arbeiten. So sind schon andere Projekte entstanden. Zum Beispiel unser genossenschaftlich betriebener Dorfladen LandMarkt in Leuscheid, der 2023 eröffnet hat. Auch hier gab es erstmal nur ein paar Engagierte, die eine Einkaufsmöglichkeit im Ort schaffen wollten, nachdem der letzte Supermarkt vor Jahren geschlossen hatte. Die Initiatoren gründeten eine Genossenschaft, die Gemeinde kümmerte sich um Fördermittel und unterstützte bei der Renovierung. Inzwischen hat die Genossenschaft mehrere hundert Mitglieder, jeder ab 18 Jahren kann Anteile zeichnen und so zum Mitbesitzer werden. Der Laden steht allen offen, Genossenschaftsmitglieder können mit einer Kundenkarte rund um die Uhr einkaufen. Es gibt ein kleines Café, in dem sich die Dorfgemeinschaft trifft. Aus der Initiative einiger Engagierter entstand auch die genossenschaftlich betriebene Dorfkneipe Siegtaler Hof in Herchen. Die Eigentümer hatten die Gaststätte im Jahr 2020 altersbedingt aufgegeben und das Grundstück an die Gemeinde für die Erweiterung des Feuerwehrhauses verkauft. Damit gab es in Herchen keine Gastwirtschaft mehr, den Vereinen fehlte ein Treffpunkt. Einige Bürgerinnen und Bürger hatten die Idee, die Dorfkneipe als Genossenschaft weiterzubetreiben, damit sie und andere auch im Alter noch einen Treffpunkt im Ort haben. Sie sprachen uns an und wir einigten uns auf einen Pachtvertrag zu fairen Konditionen. 2022 eröffnete der Siegtaler Hof wieder, inzwischen hat die Genossenschaft 146 Mitglieder, rund 90 Leute übernehmen den Zapfdienst oder die Bedienung, 40 Kuchenbäckerinnen unterstützen sonntags mit Selbstgebackenem. Das Geheimnis liegt darin, dass sich ein paar Menschen verantwortlich fühlen und loslegen. Vielleicht ändert sich zwischendurch die Richtung. Das ist egal. Hauptsache, sie haben den Mut, anzufangen. Dann kommen mit der Zeit viele andere dazu und machen mit.“

Erik Kadesch - Mörlenbach

„Für uns als Kommunen wird es in Zukunft wichtig sein, noch viel stärker unsere älteren Bürgerinnen und Bürger einzubinden. Viele sind fit, wenn sie in den Ruhestand gehen. Gelingt es uns, dass sie sich mit der Gemeinde identifiizieren, sind sie oft bereit, eine Rolle zu übernehmen.“ – Erik Kadesch

Der Netzwerker - Erik Kadesch und die Gemeinde Mörlenbach

Erik Kadesch bringt seine Gemeinde voran, indem er viele Gespräche führt und Bündnisse schmiedet – mit Bürgern, der Politik, den Nachbarkommunen, Gewerbetreibenden. So gelingt es ihm, Projekte umzusetzen, von denen viele Seiten profitieren.

Geld sparen über Kooperationen

„Doch auch bei uns ist das Geld knapp, Mörlenbach hat hohe Schulden, so wie die meisten Kommunen. Um zu sparen, stimmen wir uns eng mit den Bürgermeistern aus den Nachbarkommunen ab. Ich hatte die Kollegen zu Beginn meiner Amtszeit privat eingeladen, mit der Zeit ist das Vertrauen gewachsen. Heute vergeben wir Patenschaften für bestimmte Aufgaben. Die eine Gemeinde kümmert sich beispielsweise stellvertretend für alle um die Digitalisierung, die andere um den Glasfaserausbau. Nach und nach kommen immer mehr Themen dazu. Von der Kooperation und dem Wissensaustausch profitieren alle. Ich glaube, dass es für die Kommunen immer wichtiger wird, sich gegenseitig zu unterstützen. Auch wenn wir an einigen Stellen sparen, muss man klar sagen: Wir können als Gemeinde viele Aufgaben nicht mehr allein übernehmen. Das verstehen die Menschen, wenn man es ihnen erklärt. Dann kann man gemeinsam neue Ideen entwickeln. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Crowdfunding gemacht, zum Beispiel bei eine neuen Kunstrasenplatz. Die Gemeinde bezahlte die eine Hälfte, für die andere sammelte der Sportverein. Jetzt finanzieren wir auf ähnliche Weise den Boden einer Sporthalle.“

Es braucht viele, die mitmachen

„Für uns als Kommunen wird es in Zukunft wichtigsein, noch viel stärker unsere älteren Bürgerinnen und Bürger einzubinden. Viele sind fit, wenn sie in den Ruhestand gehen. Gelingt es uns, dass sie sich mit der Gemeinde identifiizieren, sind sie oft bereit, eine Rolle zu übernehmen. Anfang des Jahres bot mir der ehemalige Geschäftsführer eines Mörlenbacher Unternehmens Unterstützung an. Er kümmert sich jetzt um Fördermittel und konnte für den Waldkindergarten schon erhebliche Summen beschaffen. Das ist für uns ein großer Gewinn. Ein anderes Beispiel ist unser Asylkreis, in dem sich mehr als 40 Menschen engagieren. Gemeinsam ist es uns gelungen, innerhalb eines Jahres 140 Flüchtlinge dezentral in Wohnungen unterzubringen, die vorher leer standen. Viele Privatleute vermieten ihre Wohnungen nicht, aus Sorge, dass die Mieter Probleme machen könnten. Wir haben eine Stelle bei der Stadt geschaffen, die Ansprechpartner für die Vermieterinnen und Vermieter ist. Die Gemeinde hat die Wohnungen angemietet und übernimmt die Verantwortung. Unser Asylkreis hilft den Flüchtlingen, sich in Mörlenbach zurechtzufinden, was auch bedeuten kann, ihnen zuzeigen, wie Mülltrennung funktioniert. Die dezentrale Unterbringung erleichtert die Integration. Man kommt ins Gespräch mit den Nachbarn, wir haben Flüchtlinge, die in der Feuerwehrkapelle mitspielen oder im Fußballverein aktiv sind. Einer hat gerade seine Banklehre abgeschlossen. Das sind Erfolge, aber dahinter steckt ein Riesenaufwand, den wir ohne die Ehrenamtler nicht leisten könnten. Durch ehrenamtliche Helfer wird ein Babbeltreff als Treffpunkt für Senioren einmal wöchentlich organisiert. Die Räumlichkeiten werden der Gemeinde von dem Privateigentümer zur Verfügung gestellt. Man muss diese Arbeit wertschätzen. Und man muss sie begleiten. Das tue ich zum Beispiel, indem ich regelmäßig mit den Vorsitzenden aller 80 Vereine in Mörlenbach spreche und ihnen von solchen Erfolgsgeschichten erzähle. Darin sehe ich meine Rolle: Ich bin die Schnittstelle zwischen verschiedenenAkteuren. Und ich stelle die positiven Entwicklungen heraus. Ich kann viele gute Ideen haben. Aber ich brauche viele, viele Menschen, die diese Ideen mittragen. Nicht nur im Rathaus, sondern auch beim Seniorenbeirat, dem Asylkreis, in den Vereinen. Wenn die Menschen sehen, es geht voran, dann entsteht ein Dominoeffekt.“

Sandra Röse - Oyten

„Mir ist wichtig, dass wir eine Idee nicht bis zur rotkarierten Tischdecke durchkonzeptionieren, sondern erstmal einen oder zwei Schritte gehen.“ – Sandra Röse

Die Pragmatikerin - Sandra Röse und die Gemeinde Oyten

Sandra Röse fragt. So erfährt sie, wo Probleme und Chancenliegen und kann pragmatische Lösungen entwickeln. Zu Beginn ihrer Amtszeit führte sie mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde ein persönliches Gespräch. Jetzt will sie die Seniorinnen und Senioren in Oyten zu ihrer Lebenszufriedenheit befragen.

Wie misst man gutes Leben?

„Um mehr Klarheit darüber zu bekommen, was die Seniorinnen und Senioren in Oyten für ein gutes Leben brauchen, wollen wir sie mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens befragen. In der Politik und im Rathaus glauben wir ja oft zu wissen, was die Menschen für ein gutes Leben brauchen. Aber um herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist, müssen wir sie fragen. Der Fragebogen wurde von Prof. Joost van Hoof von der Universität Den Haag in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation entwickelt und bereits in anderen Kommunen erprobt. Er misst die Lebenszufriedenheit älterer Menschen in einer Gemeinde. Alle Bürgerinnen und Bürger ab 65 Jahren bekommen den Fragebogen per Post zugeschickt. Über einen QR-Code können sie ihn in mehreren Sprachen aufrufen und direkt am Handy oder über ein Tablet ausfüllen. Sie können den Fragebogen aber auch auf Papier ausfüllen und am Rathaus abgeben. Wir haben das bewusst einfach gehalten. Die Auswertung wird zeigen, wie zufrieden die Senioren in den jeweiligen Ortsteilen mit der Wohnsituation, den Angeboten der Stadt und den öffentlichen Verkehrsmitteln sind und ob sie sich respektiert und eingebunden fühlen. Vielleicht bekommen wir die Rückmeldung, dass in einem Ortsteil Angebote fehlen, dann können wir dort gezielt nach passenden Lösungen suchen. Dafür wird es weitere Gespräche mit den Menschen vor Ort geben. Da es sich um einen standardisierten Fragebogen handelt, lassen sich die Ergebnisse mit anderen Gemeinden vergleichen. Und wir haben die Möglichkeit, die Befragung nach drei oder fünf Jahren zu wiederholen, um zu sehen, was sich verbessert hat. Für die Umfrage bekommen wir Gelder der EU im Rahmen der LEADER-Förderung für die Entwicklung ländlicher Räume. Wir haben die vier anderen Kommunen aus der LEADER-Region gefragt, ob sie mitmachen wollen. Dadurch würden die Kosten sinken. Leider gab es von einigen Kommunen eine Absage. Durch die Bürokratie der Förderung und die Abstimmung kommen wir auch bei diesem Thema nicht so schnell voran, wie ich gerne möchte. In meinem Blog roesebloggt.de erkläre ich solche Zusammenhänge, um mehr Verständnis für die Politik und die Verwaltung zu wecken. Ich erlebe immer wieder, dass mich Bürger ansprechen und sagen: ‚Das wusste ich ja gar nicht.‘ Natürlich besteht die Gefahr, dass wir durch die Umfrage Erwartungen wecken, die später enttäuscht werden. Zum Beispiel, weil Menschen auf Probleme hinweisen, die wir nicht schnell lösen können. Aber die Erwartungshaltung besteht so oder so. Wenn wir nicht fragen, dann enttäuschen wir in Wirklichkeit auch. Zum Fragebogen: [https://extranet.who.int/agefriendlyworld/wp-content/uploads/2024/09/AFCCQ_DE.pdf]

Neue Wohnkonzepte gesucht

„Ein wichtiges Thema ist die Wohnsituation im Alter. Wir haben in Oyten zehn Altenheime. Das klingt viel, aber die Häuser sind klein und bieten zwischen 12 und etwas mehr als 100 Plätze. Das reicht bei Weitem nicht aus. Wenn Sie heute in einer Notsituation bei einem Heim anrufen, dann hören Sie, dass noch 15 andere Menschen vor Ihnen auf der Warteliste stehen. Das ist erschütternd, wir lassen die Menschen völlig im Regen stehen. Ich möchte gerne helfen, aber meine Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Ich kann nur Flächen bereitstellen und nach Investoren suchen, die ein neues Angebot schaffen. Wenn ich mich mit älteren Menschen unterhalte, höre ich immer wieder, dass sie gerne aus ihrem großen Haus mit Garten in etwas Kleineres, Barrierefreies umziehen würden. Aktuell deckt der Verkaufserlös des Hauses aber kaum den Kaufpreis einer barrierefreien Zwei-Zimmer- Wohnung. Das fühlt sich sehr schlecht an. Wir versuchen deshalb, andere Lösungen zu finden, und beschäftigen uns intensiv mit verschiedenen Wohnformen im Alter. Ich höre mir Vorträge an, in denen Konzepte vorgestellt werden, wir haben einen Pflegestammtisch gegründet, der sich drei- bis viermal im Jahr trifft, ich spreche mit vielen Menschen. Bisher habe ich noch kein Konzept gefunden, das massentauglich ist. Vielleicht kann man über das Erbbaurecht und mit lokalen Partnern, die nicht auf Renditemaximierung ausgerichtet sind, bezahlbare Wohnangebote schaffen. Davon würden die älteren Menschen profitieren. Es würden Häuser frei, in die Familien ziehen können. Über solche Möglichkeiten denken wir zurzeit nach.“

Erfolgsfaktoren

  • Die Menschen befragen und dann Lösungen entwickeln
  • Das Miteinander fördern – durch Mobilitätsangebote, Feste, Veranstaltungen
  • Offen sein für Ideen, schnell anfangen. Anpassen
    kann man später immer noch
  • Räume zur Verfügung stellen, in denen neue
    Initiativen entstehen können
  • Die Aktiven stärken und so gut wie möglich unterstützen,
    ohne alles kontrollieren zu wollen
  • Sehr viel reden und zuhören: mit Bürgern, der Politik, Vereinen, Gewerbetreibenden
  • Vernetzung mit anderen Kommunen, um gemeinsam Projekte zu realisieren
  • Von Erfolgen erzählen und dafür begeistern
  • Kommunales Crowdfunding auf Basis breiter Partizipationsprozesse
  • Die eigene Arbeit erklären und dafür werben: im Amtsblatt, auf Social Media

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