Engagiert euch, Boomer!

Das Potenzial der Älteren für unsere Kommunen

Mittlerweile wissen alle, was schon lange bekannt ist: Die Babyboomer sind bereits dabei, in die Nacherwerbsphase zu starten. Unternehmen und auch Verwaltungen gehen erfahrene Arbeitskräfte verloren.
Und auch für die Menschen dieser Alterskohorte selbst stellt sich die Frage: Wie geht es weiter nach dem Erwerbsleben?

Eine aktuelle Befragung aus dem Jahr 2024 gibt Antworten.

Für ein gutes Zusammenleben ist es angesichts des demografischen Wandels wichtig, dass wir als Gesellschaft von der Lebenserfahrung, den Ideen und dem Tatendrang der Babyboomer profitieren. Sie bringen viele freie Zeitressourcen mit und sind häufig gut abgesichert und ausgebildet. Für Kommunen ist das eine Chance – sie sind aufgrund großer Herausforderungen und dabei oft leerer Kassen auf das Engagement der Boomer angewiesen. Als Körber-Stiftung unterstützen
wir diesen potenzialorientierten Blick auf das Alter schon lange. Viele Menschen der Boomer-Jahrgänge engagieren sich bereits neben der Erwerbsarbeit und leisten gerne, freiwillig und unentgeltlich einen Beitrag für die Gemeinschaft. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist auch ein wirksames Präventionsmittel gegen spätere Einsamkeit und gegen das Gefühl von Bedeutungsverlust nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit. Wenn also unsere Kommunen vom Engagement
der Boomer profitieren und die engagierten Menschen für sich selbst einen Mehrwert durch ihre freiwillige Tätigkeit erzeugen, ist das ein Gewinn für die Gesellschaft im Ganzen. Und es geht um viel: Große kommunale Aufgaben wie der Umgang mit dem Fachkräftemangel und das bestmögliche Gelingen von
Integration und Altenhilfe müssen bewältigt werden. Um Menschen zu erreichen, die sich freiwillig engagieren möchten, und sie für Aufgaben zu gewinnen, die sie gerne annehmen und die dem guten Zusammenleben in den Sozialräumen helfen, müssen sich Kommunen genau überlegen, wen sie wofür gewinnen wollen und wie man potenzielle Engagierte anspricht. Um das große Engagementpotenzial zu heben, braucht es Erkenntnisse darüber, was sich die Menschen vor Renteneintritt für ihre Nacherwerbsphase vorstellen. Deshalb hat die Körber-Stiftung die 55- bis 65-Jährigen dazu befragt, wie sie zum Engagement stehen und
welche Rolle es für ihre Ruhestandsplanung spielt. Wie möchten sie angesprochen werden und für welche Themen und Aufgaben begeistern sie sich?
In den kommenden Jahren scheiden fünf Millionen Menschen mehr aus dem Erwerbsleben aus, als neu eintreten werden. Engagementförderung gehört auf die Agenda!

Engagiert euch, Boomer!
Heute 55- bis 65-Jährige, die sich für ihre Rentenzeit ein Engagement vorstellen können
60%
Bereits Engagierte, die noch im Beruf sind und sich auch danach engagieren wollen
84%

Im ländlichen Raum ist die Bereitschaft zu einem Engagement besonders hoch.

Die meisten wollen zukünftig für Umwelt- und Naturschutz aktiv werden.

Persönliches Knowhow wird gern eingebracht, Geld nicht. Eine Vergütung wäre hingegen ein gewünschter Anreiz.

Für ein Engagement wollen die Boomer persönlich angesprochen, breit informiert und gewürdigt werden.

Engagement im Alter: Bekannte Fakten

Was ist Engagement?

Für Engagement gibt es verschiedene Definitionen und Begriffe, die zum Teil auch synonym benutzt werden. Klassisch ist das „Ehrenamt“. Es bezeichnet vor allem den aktiven und unentgeltlichen Einsatz in organisationsgebundenen Gruppen wie z. B. Vereinen.
„Gesellschaftliches Engagement“ oder „bürgerschaftliches Engagement“ wird freiwillig und gemeinwohlorientiert ausgeübt. Es ist nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet und findet gemeinschaftlich und öffentlich statt. Diese beiden Begriffe lassen Raum für ein breites Spektrum, u. a. auch direkt demokratische Bürgerbeteiligung oder Bürgerinitiativen.

Voraussetzungen

Der Grad des Engagements von Menschen in der zweiten Lebenshälfte hängt von vielen Faktoren ab: Wer gebildeter, gesünder und noch erwerbstätig ist,
engagiert sich häufiger. Der Bildungsgrad ist in allen Altersgruppen und über den ganzen Lebenslauf hinweg stark prägend.
2019 engagierten sich Menschen mit hohem Bildungsabschluss zu 51 Prozent, mit mittlerem zu 37 Prozent, mit niedrigem zu 26 Prozent.
Als größtes Hindernis für ein freiwilliges Engagement werden zeitliche Gründe aufgeführt.
Dies gilt sowohl für die Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen als auch für die Personen, die 65 Jahre und älter sind. Auch der Wunsch, keine Verpflichtung einzugehen, hindert am Engagement.
Bei der jüngeren Gruppe kommen die Einschränkungen durch den Beruf hinzu, bei der Altersgruppe ab 65 Jahren spielt die gesundheitliche Verfassung eine größere Rolle. 42 Prozent gaben hier an, dass gesundheitliche Gründe sie von einem Engagement abhalten. Die genannten Hürden werden von den älteren Engagierten auch als Gründe für die Beendigung eines Engagements genannt.
Die Engagierten ab 65 Jahren geben darüber hinaus häufig auch das Erreichen einer Altersgrenze als Grund an.
Bei den Beendigungs- und Hinderungsgründen ist in allen Altersgruppen ein Geschlechterunterschied deutlich. So geben die Frauen anteilig häufiger familiäre Gründe als Hindernis an als Männer.

Engagement muss man sich leisten können

Ob ein Engagement aufgenommen wird oder nicht, hängt häufig vom Geld ab. Ein starker Faktor ist die selbst eingeschätzte finanzielle Lage. Von den Personen ab 65 Jahren, die sich finanziell schlecht ausgestattet fühlen, engagieren sich 18 Prozent. Bei eingeschätzter sehr guter finanzieller Lage sind mit mehr als 40 Prozent doppelt so viele engagiert.

Wie, wofür und warum engagieren sich Ältere?

Betrachtet man die Themengebiete, in denen sich die Älteren aktiv einbringen, so ist der soziale Bereich am stärksten vertreten. Danach folgen Engagement im Sport und Bewegungsbereich sowie Kultur und Musik. Traditionell engagieren sich Ältere häufiger für andere Ältere.
Besonders im höheren Lebensalter aber kommen auch generationsübergreifendes Engagement und die Unterstützung hilfs- und pflegebedürftiger Menschen dazu.
Hier sind es vor allem Frauen, die sich um sie kümmern. Bei den Motiven für das Engagement unterscheiden sich die älteren Generationen kaum von den jüngeren. Außer um den Spaß geht es darum, anderen zu helfen, etwas für das Gemeinwohl zu tun und die Gesellschaft mitzugestalten.
Engagierte im Alter ab 65 Jahren üben ihr Engagement anteilig besonders häufig aus, um mit anderen Menschen zusammenzukommen.

Babyboomer - Hoffnung für die Kommunen?

Die große Bevölkerungsgruppe der Babyboomer geht in den kommenden 10 Jahren in Rente.
Für die kommunalen Verwaltungen bedeutet das auf den ersten Blick einen enormen Verlust an gut ausgebildeten Arbeitskräften, die sie ersetzen müssen. Gleichzeitig wächst die Sorge, wie vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und klammer Haushaltskassen der Versorgungsauftrag für die zunehmende Anzahl der Seniorinnen und Senioren langfristig erfüllt werden kann.
Denn von den lokalen Infrastrukturen und sorgenden Netzwerken vor Ort hängen die Lebensqualität und die Teilhabe Älterer im besonderen Maße ab.

Der Fokus der Verwaltungen richtet sich vor allem auf die Herausforderungen, die mit dem Renteneintritt der Generation der Vielen erwartet werden.
Doch für einen Großteil der Babyboomer bedeutet das Ende der Erwerbstätigkeit nicht „Ruhestand“, sondern den Start in einen neuen aktiven Lebensabschnitt. Dafür bringen sie Erfahrung, Gestaltungswillen und ein starkes Bedürfnis nach sinnvollen Aufgaben im „dritten Lebensabschnitt“ mit.
Hier könnte eine Win-win-Situation genutzt werden. Viele Angebote in den Kreisen, Städten und Gemeinden sind ohne das freiwillige Engagement von Menschen nicht realisierbar.
Könnten die Babyboomer eine wichtige Ressource für diese ehrenamtliche Arbeit in den Kommunen sein?

Ergebnisse der Studie

Diese exklusive Befragung im Auftrag der Körber-Stiftung aus dem Jahr 2024 zeigt, wie sich die Babyboomer engagieren und das im Alter weiter tun wollen.
Was können die Kommunen von der neuen Altersgeneration erwarten?

Zahl der engagierten Babyboomer gesunken

Rund 30 Prozent der von uns aktuell Befragten im Alter von 55 bis 65 Jahren geben an, aktuell ehrenamtlich (formell oder informell) tätig zu sein. Als diese Altersgruppe fünf Jahre jünger war – also 50 bis 60 Jahre alt –, ermittelte der Deutsche Freiwilligensurvey für sie eine Engagementquote von rund 41 Prozent.
Auch wenn die Befragungsdesigns unterschiedlich sind, ist dieser statistische Unterschied von ca. 10 Prozentpunkten bemerkenswert.
In der älteren Gruppe der heute 60- bis 65-Jährigen fällt der Rückgang sogar noch höher aus.
Selbst wenn man die befragte Altersgruppe mit den im Jahre 2019 55- bis 65-Jährigen vergleicht, beträgt die Differenz der Engagementquoten fast 10 Prozentpunkte.

Bildung ermöglicht mehr Engagement

Mit nahe 48 Prozent ist auch bei der aktuellen Befragung der Anteil der Personen mit höherer Bildung (Fach- und Hochschulreife) überdurchschnittlich.
Auch wenn sich die Befragten bereits in Rente befinden, sind sie etwas häufiger ehrenamtlich tätig als der Durchschnitt (37 Prozent).

Engagement befürwortet, aber nicht geplant

Dass zivilgesellschaftliches Engagement für den eigenen Wohnort wichtig ist, ist unter den Befragten wenig umstritten.
Fast jeder und jede Zweite hält es sogar für sehr wichtig. Ein starker Zusammenhang zeigt sich mit dem Bildungsgrad: 68 Prozent der Personen mit niedriger Bildung halten das Engagement für sehr oder eher wichtig, bei denen mit hoher Bildung sagen dies 89 Prozent.
Bei der konkreten Abfrage der weiteren bzw. zukünftigen Bereitschaft geben jedoch nur 12 Prozent der Befragten an, ein Engagement in Zukunft fest vorzuhaben. 48 Prozent können sich das zumindest vorstellen.
Sehr viel höher ist das Potenzial in der Gruppe der bereits engagierten Berufstätigen, in der mehr als doppelt so viele mehr bzw. eine Weiterführung ihres Engagements im Rentenalter fest vorhaben, 59 Prozent sich das vorstellen können.

Selbst wenn die Babyboomer nicht engagiert sind, ist ihr Potenzial fürs Ehrenamt größer, solange sie noch berufstätig sind. Sind Personen, die bisher
nicht ehrenamtlich tätig sind, dagegen bereits in Rente, ist die Bereitschaft zu einem zukünftigen Beitrag am geringsten.
Potenzial gibt es eher noch bei der befragten Personengruppe, die weder erwerbstätig noch in Rente/Pension ist.
54 Prozent von ihnen können sich einen Engagementbeitrag vorstellen. Über dem Durchschnitt liegt mit 29 Stunden monatlich der zeitliche Aufwand, den sie dafür aufbringen würden.

Exkurs: Der glückliche ländliche Raum

Der glückliche ländliche Raum

Rechnen mit dem Engagement der Älteren können die Gemeinden im ländlichen Bereich.
Hier planen rund 33 Prozent der Babyboomer fest ein, sich auch zukünftig zu engagieren.
Das ist dreimal so hoch wie die Bereitschaft in der Großstadt (10 Prozent).
Der Sport als Betätigungsfeld ist noch immer überdurchschnittlich beliebt, aber besonders hoch ist das Interesse für den Umwelt- und Naturschutz sowie für Gesundheit und Soziales.
Mit 58 bzw. 52 Prozent liegt in diesen Bereichen die Bereitschaft der Befragten ca. 15 Prozentpunkte über dem Durchschnitt. Der deutlich höhere Einsatzwille auf dem Land schlägt sich auch in einer überdurchschnittlichen Nennung vieler Betätigungsfelder nieder und in dem Angebot, sich mit durchschnittlich 32 Stunden monatlich einzubringen.
Das sind fast 10 Stunden mehr, als sich der Durchschnitt aller Befragten vorstellen kann.

Ansprache und Anreize für Engagement

Sprich mich an!

Die Frage nach den Faktoren, die ein mögliches Engagement fördern könnten, wird vielfältig beantwortet. Für je rund ein Drittel der Befragten sind die direkte Ansprache, umfassende Informationen zum möglichen Engagement sowie die Anerkennung durch die Gemeinschaft wichtig.
Aber auch die weiteren zur Auswahl stehenden Faktoren erhalten hohe Werte. Es scheint also sinnvoll zu sein, sich um „das ganze Paket“ zu kümmern.
Das anschließende Ranking der Anreiz faktoren differenziert die Bedeutung der fördernden Faktoren (Punkte).

Gern auch Vergütung als Anreiz

Im Ranking hatten die Befragten die Möglichkeit, die von ihnen angekreuzten Anreiz faktoren auf einer Skala von 1 (= am wichtigsten) bis 7 (= am unwichtigsten) zu ordnen.
Das Ergebnis: Die direkte Ansprache behauptet weiterhin den Platz 1 und ist damit der wichtigste Promotor. 78 Prozent der Befragten, die den jeweiligen Punkt ausgewählt haben, stimmten für Rang 1 oder 2 von insgesamt 7 Rängen.
Direkt dahinter folgt jedoch nun die angemessene Vergütung. Für 59 Prozent derjenigen, für die das Geld ein fördernder Faktor ist, steht dieser auf Rang 1. Für weitere 13 Prozent auf Rang 2. Das heißt: Für diejenigen, die die Vergütung gewählt haben, ist sie besonders wichtig.

Ansprache der migrantischen Community

Über vielfältige Informationskanäle wollen Menschen mit Migrationshintergrund angesprochen werden. Diese Gruppe der Befragten wählte mehrere Informationskanäle überdurchschnittlich. Rund 48 Prozent der Befragten mit internationaler Familiengeschichte sprachen sich für die persönliche Ansprache durch die Kommune aus, 55 Prozent möchten auch durch Organisationen und Verbände informiert werden.
Der Bedarf, mehr über die Möglichkeiten von Engagement informiert zu werden, korrespondiert mit der Bereitschaft, Zeit in ein mögliches Ehrenamt einzubringen. Mit 35 Stunden wöchentlich lag dieses Angebotüber denen der Vergleichsgruppen.

Voraussetzungen und Barrieren für Engagement

Barrieren

Zivilgesellschaftliches Engagement halten fast 50 Prozent der in dieser Studie Befragten für sehr wichtig. Auch die Bereitschaft, sich zukünftig für vielfältige Themen zu engagieren, ist hoch (60 Prozent). Können die Kommunen also mit den Babyboomern auch nach dem Eintritt in die nachberufliche Phase rechnen? Welche Hinderungsgründe würden sie davon abhalten?
Die Frage nach den Barrieren für ehrenamtliches Engagement im Rentenalter haben wir auf zwei Arten gestellt: Personen, die sich kein Engagement vorstellen können, wurden gefragt, was die Gründe dafür sind. Personen, die sich ein Engagement vorstellen können oder es fest einplanen, wurden gefragt, was sie eventuell daran hindern könnte.

Das muss passen: Gesundheit, finanzielle Lage und Mobilität

Bei der Gruppe, die ein Engagement ausschließen, rangiert mit 33 Prozent klar an erster Stelle die eigene gesundheitliche Lage als Hindernis. Von denjenigen, die diese Barriere gewählt haben, setzen sie 81 Prozent auf Rang 1 (am wichtigsten) aller von ihnen gewählten Barrieren. Es gibt also eine Gruppe von Personen, die sich sehr deutlich durch ihre Gesundheit vom ehrenamtlichen Engagement abgehalten sieht.
Die eigene finanzielle Lage wird nur von 20 Prozent aller Nicht Engagierten als Barriere gesehen, jedoch wird diese Barriere im Ranking nach Wichtigkeit ebenfalls sehr hoch bewertet: 73 Prozent derjenigen, die diese Barriere ausgewählt haben, setzen sie auf Platz 1. Als weitere wichtige Barriere erweist sich der Wunsch, sich nicht an eine Aufgabe binden zu müssen. Von den 25 Prozent der Befragten, die das auswählten, setzen 63 Prozent diese Barriere auf Platz 1. Generell wurden die zur Auswahl stehenden möglichen Barrieren von dem Personenkreis, der sich kein Engagement vorstellen kann, besonders hoch gewertet. Für die Menschen, die die Fortführung oder ein zukünftiges neues Engagement im Rentenalter fest einplanen bzw. sich vorstellen können, ist dieses ebenfalls vor allem vom eigenen Gesundheitszustand abhängig. 71 Prozent wählen diese Barriere als mögliches Hindernis.
Am zweithäufigsten ausgewählt wird die Tatsache, dass der Ort des Engagements eventuell nicht gut erreichbar wäre (51 Prozent). Es folgt mit 34 Prozent die finanzielle Lage als Hürde für die Ausführung des Ehrenamts. Das Ranking nach Bedeutung bestätigt auch in dieser Gruppe die Barrieren wie gesundheitliche und finanzielle Ausgangslage und Erreichbarkeit des Engagementortes (Mobilität).
Jedoch werden, mit Ausnahme der gesundheitlichen Gründe, die weiteren zur Auswahl stehenden Barrieren als weniger wichtig gerankt. Die möglichen Hürden für den eigenen freiwilligen Beitrag fürs Gemeinwohl spielen also für die am Engagement Interessierten eine weniger große Rolle.

Fazit

Können die Kommunen mit den Babyboomern rechnen?

Unsere Ergebnisse zeigen: Die aktuellen Engagementquoten dieser Altersgruppe sind gesunken. Gleichzeitig wird der Bedarf von zivilgesellschaftlichem Engagement am Wohnort von der befragten Altersgruppe als sehr hoch eingeschätzt. Feste Pläne für ein Engagement nach dem Eintritt in die Nacherwerbsphase haben nur wenige. Aber eine Mehrheit kann sich ein zukünftiges Ehrenamt vorstellen. Mit höherem Bildungsabschluss steigt die Bereitschaft zum Engagement und besonders hoch ist sie im ländlichen Raum. Ein wichtiges Potenzial stellen die erfahrenen Engagierten, die noch im Beruf stehen, dar. Sie haben überdurchschnittlich die Weiterführung oder Neuaufnahme eines Engagements fest eingeplant bzw. können sich das gut vorstellen. Bei den abgefragten Betätigungsfeldern fielen besonders viele Stimmen auf die Stadtteil- und Nachbarschaftshilfe. Für ein soziales Miteinander und gutes Leben am eigenen Wohnort ist die Bereitschaft zu einem eigenen freiwilligen Beitrag groß. Spitzenreiter ist das Interesse, sich für den Umwelt- und Naturschutz einzusetzen. Die Babyboomer haben aber auch Wünsche und Ansprüche für ihr Engagement: Sie wollen für Menschen da sein und ihre persönlichen Fähig keiten und auch berufliche Kenntnisse einbringen. Flexible Zeitmodelle werden dabei bevorzugt, die Bereitschaft zu eigenen finanziellen Beiträgen ist eher gering. Für den Schritt zum Engagement ist den Befragten eine persönliche Ansprache wichtig. Sie möchten über vielfältige Kanäle informiert werden und Anerkennung erfahren. Auch eine angemessene Vergütung wäre ein wichtiger Anreizfaktor für ein Engagement. Als mögliche Barrieren sehen die Befragten vor allem ihre gesundheitliche Verfassung und persönliche finanzielle Lage.

Handlungsempfehlungen

Kommunen profitieren vom Engagement der Babyboomer – dafür müssen sie ihren Bürgerinnen und Bürgern Anlaufstellen in der Verwaltung anbieten. Kommunen sind aber meist nicht selbst die Träger von Engagement. Umso mehr sollten sie mit anderen kooperieren und den Austausch und die Vernetzung von Vereinen, lokalen Wohlfahrtsverbänden, Begegnungsorten oder potenziellen Förderern aus der Wirtschaft initiieren. Solche Netzwerke können die lokale Engagementlandschaft transparent machen und Doppelstrukturen vermeiden. Kommunale Koordinierungsstellen können ein geeignetes Mittel zum Ziel sein.

Kommunen können am meisten auf die bereits Engagierten bauen. Ob berufstätig oder in Rente: Wer schon engagiert ist, ist auch zu mehr bereit. Das sind überproportional die jüngeren Babyboomer, deren Verrentung noch ein paar Jahre entfernt ist, sowie Menschen mit höherer Bildung. Es gilt, sie auch in der Nacherwerbsphase im Engagement zu halten. Wichtig ist dabei die Anerkennung – sichtbar und öffentlich, z. B. mit einem Empfang, einem Preis oder einem Artikel in der Lokalzeitung.

Für die Gewinnung und Motivation Engagierter ist die persönliche Ansprache am wirkungsvollsten. Vorher ist es wichtig, zu wissen, wen man wofür sucht. Konkrete Steckbriefe helfen, passgenaue Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren. Es ist wichtig, dass Kommunen die bereits aktiven „Key Player“ gewinnen. Sie können als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wirken. Die Babyboomer wollen auch über alle Möglichkeiten zum Engagement breit informiert werden – am besten über klassische Printmedien oder über Informationsveranstaltungen.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Menschen mit dem Übertritt in die Nacherwerbsphase ihre Zeit und ihre Ressourcen sofort in bürgerschaftliches Engagement ummünzen. Neue Engagierte sollten gewonnen werden, solange sie noch im Beruf sind. Danach sind sie schwerer zu erreichen. Kommunen können Menschen schon vor dem Renteneintritt einladen, sich im Austausch mit anderen neu zu orientieren und Mitwirkungsmöglichkeiten kennenzulernen. Niedrigschwellige Formate wie ein Infostand auf dem Wochenmarkt und im Einkaufscenter oder ein Stammtisch sind attraktiv. Übrigens: Am Arbeitsplatzselbst möchten weder Engagierte noch Nicht-Engagierte angesprochen werden.

Wer krank, ohne Arbeit oder arm ist, hat schlechtere Voraussetzungen, empfindet aber auch Barrieren oft als größer, als sie sind. Gespräche können Ängste nehmen. Kommunen sollten sich gezielt für niedrigschwellige Zugangschancen für alle einsetzen. Engagementangebote, die ohne Einsatz eigener Mittel oder auch von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ausgefüllt werden können, sollten geschaffen und proaktiv kommuniziert werden. Eine zentrale Barriere für viele ist die Mobilität. Hier kann die Kommune z. B. ein Ehrenamts-Shuttle oder Mitfahrdienste organisieren.

Ihre Erfahrung, aber nicht ihr Geld wollen die Babyboomer in ein Engagement einspeisen. Und stärker als bei früheren Altersgenerationen ist sogar die Vergütung von Engagement ein Thema. Für die Kommunen heißt dies: umdenken und genauer hinsehen. Vielleicht könnte eine monetäre Anerkennung über Übungsleiterund Ehrenamtspauschale hinaus zu mehr Verbindlichkeit und nachhaltigem Engagement beitragen? Vergünstigungen, wie sie z. B. die Ehrenamtskarte oder Gratis-ÖPNV bieten, sind auch eine Form der Würdigung.

Es ist die Nachbarschaft im Quartier oder im Dorf, in dem sich die Babyboomer bereits engagieren oder das wollen. Eine große Chance für die Städte und Gemeinden, die Bewohnerinnen und Bewohner selbst in die Gestaltung ihres Lebensraums einzubinden und konkrete Probleme zusammen zu lösen. Der Einsatz der Babyboomer wird maßgeblich gestärkt, wenn sie mit hauptamtlichen „Quartierskümmernden“ zusammenarbeiten oder an Organisationen und Begegnungsorte andocken können. Kommunen sollten die Infrastruktur für Engagement breit fördern: Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäuser, Seniorenbüros oder Stadtteilzentren.

Die Babyboomer wollen flexibles Engagement: viel Freiheit in der Stundengestaltung, aber auch Einsätze mit Befristung. Jede Kommune sollte deshalb neue Engagementformen erproben – warum nicht z. B. ein geteiltes Ehrenamt? Zur Flexibilität der Babyboomer gehört auch, dass sie ihre Engagementbereitschaft auf aktuelle Themen konzentrieren, z. B. auf Umwelt- und Naturschutz. Wenn Kommunen die Generation also mitverantwortlich in konkrete, punktuelle Herausforderungen einbinden, dürfen sie auf gute Resonanz hoffen.

Die Babyboomer-Generation ist selbstbewusst, verbindet Potenziale auch mit Forderungen und sie fühlt sich nicht „alt“. Dennoch trägt Wertschätzung, die sich auch aus einem positiven Altersbild speist, sehr dazu bei, sie zur Verantwortungsübernahme zu motivieren. Diese Generation hat die Kompetenzen und die Bereitschaft, mit Politik und Verwaltung auf Augenhöhe Zukunftsideen für die Kommune und das Engagement zu entwickeln. Dieses Potenzial sollte genutzt werden.

Engagementförderung sollte in der kommunalen Verwaltung nicht als „nice to have“ gelten, sondern als wichtiges Querschnittsthema verankert sein. Engagement braucht politische Rückendeckung und verlässliche, langfristige Finanzierung. Denn die positiven Effekte des Engagements sind gewaltig – für das Gemeinwesen ebenso wie präventiv für die Gesundheit und soziale Einbindung der Engagierten selbst. Engagierte können aber nicht offizielle Stellen ersetzen: Hauptamt stützt Ehrenamt, nicht umgekehrt.

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