Foto: Claudia Höhne/Körber-Stiftung

„Ich wünsche mir mehr Diversität im Geschichtsunterricht“

Beim Geschichtswettbewerb 2020/21 „Bewegte Zeiten. Sport macht Gesellschaft“ gewann die 19-jährige Vithya Wijayaratnam aus Zeven mit ihrer Arbeit über den sri-lankischen Volkssport Cricket einen Landessieg. Im Interview mit Adrian Becker spricht Vithya darüber, warum sie die Migrationsgeschichte ihrer Eltern aufgegriffen hat und wie sich im Cricket die historischen Entwicklungen Sri Lankas widerspiegeln.

Foto: privat

Vithya, wozu hast du beim Geschichtswettbewerb geforscht und was waren die wichtigsten Erkenntnisse deiner Recherche?

Die Hauptfrage meiner Arbeit war, wie sich die Rolle der Sportart Cricket in Sri Lanka über die Zeit gewandelt hat. Zuerst war Cricket ein Exklusionsmittel mit dem sich die britischen Kolonist:innen von den Einheimischen abheben wollten und mit dem sie die damalige koloniale Hierarchie der Gesellschaftsschichten auch im Sport stabilisierten. Wenn man Sri Lanka verstehen möchte, kommt man um die langfristigen Effekte der Britischen Kolonialphase bis zur Unabhängigkeit 1948 nicht herum – und gerade am Cricket ist das gut zu sehen. Denn über die Zeit wandelte sich die Rolle des Sports: Cricket wurde nach und nach zum zentralen sri-lankischen Sport. Das zeigt sich zum Beispiel daran, wie gut das Cricket in Sri Lanka mittlerweile organisiert ist, und an der Tatsache, dass das Land seit den 1990er in der Sportart zur Weltspitze gehört und zu Indien aufschließen konnte.

Du wohnst in Zeven, aber hast kein regionales Thema gewählt, sondern in deine Familiengeschichte geblickt. Haben sich Schwierigkeiten daraus ergeben?

Wenn ich von anderen in meinem Kurs hörte, wie bei ihnen die Recherche voranging habe ich gemerkt, dass sie es teilweise einfacher hatten. Zum einen konnte ich kaum auf deutschsprachige Quellen zurückgreifen, zum anderen musste ich im Anschluss oft Übersetzungsarbeit leisten, was bei älteren englischen Texten etwas anspruchsvoll war. Während andere Teilnehmende in den örtlichen Archiven oder Bibliotheken forschen konnten, waren meine zentralen Rechercheorte die Unibibliothek Bremen und das Internet. Und weil mein Thema darüber hinaus sehr spezifisch war, hatte ich quasi keine Ansprechpartner:innen, die mir in Detailfragen weiterhelfen konnten. Am Ende war es aber machbar und eine schöne Herausforderung.

Wie hat deine Familie darauf reagiert, dass du ein Thema bearbeitet hast, das von der Migrationsgeschichte deiner Eltern motiviert ist?

Wir wussten natürlich, dass Cricket in Sri Lanka sehr wichtig ist, hatten aber keinen persönlichen Bezug zum Thema. Mir war aber wichtig mich mit dem sri-lankischen Teil meiner Heimat und Identität zu befassen und so war es schön zu sehen, wie meine Eltern sich am Ende darüber gefreut haben, dass ich zu diesem Thema eine lange Arbeit geschrieben habe. Schließlich war das Projekt im Grunde durch sie und ihre Flucht vor dem schrecklichen und fast 30 Jahre andauernden Bürgerkrieg motiviert. Nach der ganzen Arbeit habe ich dann mit meinem Vater mal ein Cricket Spiel in voller Länge geschaut, das ist eine schöne Erinnerung.

Du hast dich in deinem Projekt mit deiner persönlichen Verknüpfung zu geschichtlichen Themen außerhalb Deutschlands befasst. Gibt es dazu genug Raum im Geschichtsunterricht?

Ich würde sagen, dass ich mich sehr für Geschichte interessiere, allerdings fand ich den schulischen Unterricht nicht immer so bereichernd, wie er hätte sein können. Das hat vor allem auch mit dem Unterrichtsstoff und dem Lehrplan zu tun, in dem die Geschichte der Länder und Regionen von Schüler:innen mit Migrationshintergrund meistens fehlt. Das könnte insgesamt deutlich interaktiver werden, sodass sich diese Schüler:innen auch im Stoff mehr wiederfinden. Für mein Projekt hat das bedeutet, dass ich mir das Wissen und die Quellen zu sri-lankischer Geschichte selbst erarbeiten musste. Nur zur britischen Kolonialhistorie habe ich etwas aus dem Unterricht verwenden können. Ich würde ich mir mehr Raum für inhaltliche Diversität der Themen im Geschichtsunterricht wünschen.

Welche Tipps würdest du dir rückblickend selbst für das Projekt geben?

Einerseits ist gutes Zeitmanagement wichtig. Man muss Raum für Schwierigkeiten haben und flexibel bleiben können, wenn etwas nicht läuft wie geplant, man zum Beispiel nicht an die gewünschten Quellen kommt. Aber eine Struktur und ein Projektplan, der einem Orientierung gibt, ist wichtig, gerade in Phasen, in denen es nicht so gut läuft und man Motivation verliert.

Dazu gehört aber auch, entspannt mit sich umzugehen. Wenn etwas nicht funktioniert, darf man sich nicht entmutigen lassen. Das musste ich mir einerseits selbst immer wieder vergegenwärtigen. Andererseits bin ich froh, dass zum Beispiel meine Schwester und mein Tutor immer wieder geholfen haben in schwierigen Phasen das Projekt nicht aufzugeben, sondern weiter- oder umzuplanen. Das Gefühl, ein so langes Projekt zu Ende zu bringen, wiegt alle Schwierigkeiten auf, die man währenddessen überwinden muss.