
2. Preis Sozialwissenschaften 2025
Foto: Xavier Lejeune / iStock
Donald Trump inszeniert seine „America First“-Politik oft überdramatisch, doch nicht erst seit dessen zweiter Amtszeit ziehen sich die USA immer wieder aus internationalen Organisationen und Verträgen zurück. Was das bewirkt und wie sich Europa nun positionieren sollte, analysiert der Politikwissenschaftler Tim Heinkelmann-Wild.
Die Forschung
Europas Antwort auf Trump 2.0
Text: Dorthe March
Eine weitverbreitete Annahme sei, dass der Rückzug der USA aus multilateralen Institutionen eine Besonderheit der Trump-Ära ist, sagt Tim Heinkelmann-Wild. Und in der Tat kündigte bereits die erste Trump-Administration die Unterstützung für oder die Mitgliedschaft der USA in zahlreichen internationalen Organisationen und Abkommen auf. „Beispiele sind das Pariser Abkommen zum Klimawandel, die Welthandelsorganisation (WTO) und sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) während der Covid-19-Pandemie“, sagt der Politikwissenschaftler. Die allgemeine Debatte zeichnet Trump als großen Ausreißer unter den US-Präsidenten. Doch weder ist der Ausstieg der USA aus multilateralen Institutionen ein Trump-spezifisches Phänomen, noch stürzen die Entscheidungen des US-Präsidenten multilaterale Institutionen wie zum Beispiel die WTO in unüberwindbare Probleme, sagt Heinkelmann-Wild.

Starke Führung mit „Soft Power“
Vielmehr kann der Politikwissenschaftler im Rahmen seiner Betrachtung vier weitverbreitete Annahmen zu den USA und Trump widerlegen und daraus Handlungsempfehlungen für Europa ableiten. Seine Analyse beruht auf mehr als 50 Interviews mit hochrangigen Vertreter:innen internationaler Organisationen, von Regierungen und der Europäischen Union und zieht einen neuen Datensatz des US-Rückzugs aus multilateralen Institutionen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hinzu. Die Ergebnisse: „Erstens ist der Rückzug der USA aus multilateralen Institutionen Teil eines historischen Musters, zweitens waren die Entscheidungen zur Beendigung der US-Unterstützung für multilaterale Institutionen unter Trump 1.0 nicht irrational oder erratisch, sondern folgten einem strategischen Kalkül. Drittens waren die von Trump 1.0 verlassenen Institutionen keineswegs zum Scheitern verurteilt, sondern zeigten sich oft widerstandsfähig. Viertens wurde das von den USA hinterlassene Macht-Vakuum nicht durch revisionistische Mächte wie China gefüllt, sondern oft durch westliche Mächte wie die EU und ihre Mitgliedsstaaten“, sagt Heinkelmann-Wild.
„Die EU ist stark in diplomatischer Führung – Klima, Krisen, Handelsfreiheit – und besitzt eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit als Verfechterin des Multilateralismus.“
Studienpreisträger Tim Heinkelmann-Wild
Auf dieser Basis entwirft er „Europas Antwort auf Trump 2.0“: „Die EU ist stark in diplomatischer Führung – Klima, Krisen, Handelsfreiheit – und besitzt eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit als Verfechterin des Multilateralismus.“ Diese „Soft Power“ sollten insbesondere die EU und die europäischen Regierungen bewahren und ausbauen, um neue Partnerschaften mit anderen relevanten Mitgliedsstaaten auch im globalen Süden zu knüpfen und gemeinsam die „Hard Power“ aufzubringen, um die von den USA hinterlassenen Lücken zu füllen und die verlassenen Institutionen zu erhalten.
Der Preisträger

Tim Heinkelmann-Wild studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und promovierte am dortigen Geschwister-Scholl-Institut (GSI) für Politikwissenschaft. Zudem war er Gastforscher an den Universitäten Oxford und Cambridge. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und am Lehrstuhl für Global Governance und Public Policy des GSI an der LMU.
Beitragstitel: Multilateralismus ohne Amerika? Mythos, Realität und Antworten auf Trump 2.0
Tim Heinkelmann-Wild
tim.heinkelmann-wild@gsi.lmu.de
Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft

