2. Preis Geistes- und Kulturwissenschaften 2023

Foto: Nuttawan Jayawan

Laura Anna Klein kritisiert, dass die Regulierung von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt in Deutschland nicht mit den Grund- und Menschenrechten im Einklang steht. Deshalb fordert die Juristin legislative Veränderungen.

Die Forschung

Grundrechte müssen auch bei der Fortpflanzung gelten

Text: Dorthe March

Ende Februar 2023 hat die Bundesregierung eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einberufen. Damit wird die Debatte über kontrovers diskutierte Themen wie das Verbot von Eizellspende und Leihmutterschaft weiter Fahrt aufnehmen, ist die Juristin Laura Anna Klein überzeugt. Einen eigenen Beitrag leistet die 31-Jährige mit ihrer interdisziplinären Dissertation. „Das Thema Reproduktion muss rechtlich ganz neu aufgestellt werden“, sagt sie.

„Das Thema Reproduktion muss rechtlich ganz neu aufgestellt werden.“

Studienpreisträgerin Laura Anna Klein

Klein widmet sich der Grundsatzfrage, wer oder was im Zentrum sämtlicher Fragen der Fortpflanzung und der Reproduktionsmedizin stehen sollte. Sie will „den Blick für die lebenspraktische Bedeutung reproduktiver Belange von Individuen öffnen und schärfen“. Denn den deutschen Rechtsdiskurs dominierten bisher Betrachtungen, die den Embryo und das Thema Bevölkerungspolitik – „Frauen sollen Kinder gebären, um den Fortbestand der Deutschen zu sichern“ – fokussieren. Vorgaben des internationalen Rechts würden weitestgehend außer Acht gelassen. So regelt in Deutschland immer noch die Strafgesetzgebung zum Beispiel Schwangerschaftsabbrüche. „Der Schwangerschaftsabbruch ist zwar grundsätzlich für ungewollt schwangere Personen straffrei, ist jedoch weiterhin als Tötungsdelikt im Strafgesetzbuch geregelt und an ein spezifisches Prozedere geknüpft. Dabei zählt der Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen zu den Menschenrechten“, erläutert Klein.

Foto: iStock/pexels

Ihre Arbeit plädiert nicht nur für die Neujustierung von aktuellen Verboten. Die Juristin argumentiert zudem, dass unter reproduktive Freiheiten auch die Kostenübernahme von Verhütungsmethoden für Menschen mit geringem Einkommen fallen müsse. Klein: „Die Freiheit, sich fortzupflanzen, mündet bisher noch nicht in der umfassenden Anerkennung der Freiheit, sich nicht fortzupflanzen.“ Darüber hinaus regt Kleins Arbeit weitere konkrete verfassungsrechtliche Aufträge an. Ganz grundlegend setzt sie sich zum Beispiel für die staatliche Information und Aufklärung über Zeugung, Schwangerschaft und Geburt ein. „Aufklärungsarbeit und Beratungspraxis sollte Individuen einen Raum für Wahlfreiheit gewähren“, meint Klein – Optionen für das eigene Leben mit und ohne Kinder, in dem die Bandbreite an Wertüberzeugungen und persönlichen Haltungen rund um Reproduktion Platz findet. „Es gilt Orientierung zu bieten – nicht im Sinne einer vorgegebenen Empfehlung einer reproduktiven Entscheidung, sondern im Sinne von Transparenz über Für und Wider, über Chancen, Risiken und Grenzen von Wahlfreiheiten.“

Die Preisträgerin

Foto: David Ausserhofer

Ihr Studium der Rechtswissenschaften absolvierte Laura Anna Klein (31) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, an der Universidad de Chile und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2018 bis 2022 promovierte sie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Derzeit ist Klein dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht tätig und absolviert ihr Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin.

Beitragstitel: Reproduktive Freiheiten. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Regulierung von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt

Laura Anna Klein

laura.klein@uni-mainz.de

Promotion an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht

Materialien zum Download

Wettbewerbsbeitrag von Laura Anna Klein

Portraitfoto

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