2. Preis Natur- und Technikwissenschaften 2023

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Nichts weniger als einen radikal neuen Ansatz zur Bekämpfung von Viren hat Christian Sigl entwickelt: Die Krankheitserreger werden im Körper gefangen und unschädlich gemacht.

Die Forschung

Nano-Fallen machen Viren unschädlich

Text: Dorthe March

Die Corona-Pandemie hat schmerzhaft verdeutlicht, dass wir nur die wenigsten durch Viren ausgelösten Krankheiten wirksam behandeln können. An oder mit Covid sind bis heute 6,8 Millionen Menschen gestorben, HIV und Hepatitis B töteten zuletzt zusammen fast eineinhalb Millionen Menschen pro Jahr.

„Es gibt keine breit anwendbare antivirale Therapie, die – ähnlich wie ein Antibiotikum gegen Bakterien – gegen viele verschiedene Viren eingesetzt werden kann. Und auch Impfungen stehen nur für einen kleinen Teil der Viren zur Verfügung“, erläutert Biophysiker Christian Sigl. Er hat einen radikal neuen Ansatz zu ihrer Bekämpfung entwickelt – die sogenannte Virenfalle.

„Unser antivirales Konzept hat das Potenzial, existierende Vireninfektionen zu behandeln und künftige virale Ausbrüche zu verhindern.“

Studienpreisträger Christian Sigl

Jedes Virus bindet sich in seinem Lebenszyklus an eine Wirtszelle. Wird diese Interaktion blockiert, kann das Virus seine genetische Information nicht in die Zelle transportieren, der Lebenszyklus wird unterbrochen und die Replikation des Virus gestoppt. Doch im Gegensatz zu den meisten existierenden antiviralen Wirkstoffen zielt Sigls Ansatz nicht auf einzelne Proteine oder Prozesse ab, sondern neutralisiert komplette Viren, indem sie in sogenannten Nanoschalen eingefangen werden – makromolekularen Gefäßen aus DNA. „Ich habe mit einer Technik, die DNA-Origami heißt, Schalen mit nanometergenauer Präzision herstellen, mehrere Viren darin einfangen und in Zellkulturen neutralisieren können“, schildert Sigl. Vorstellen kann man sich das Ganze wie eine an einer Seite offene Box, deren Innenwände klebrig sind: Wie an einem Fliegenfänger haften die Viren im Inneren an virusbindenden Molekülen und werden unschädlich gemacht. Anschließend wird die Schale mit den neutralisierten Viren über den normalen Stoffwechsel ausgeschieden.

capsitec

Über die ideale Struktur und Form hinaus musste vor allem die Dimension der Fallen stimmen. Am Ende konnte Sigl verschiedene Nanoschalen mit Innendurchmessern von 40 bis 280 Nanometern konstruieren, in die auch die größten für Menschen gefährlichen Viren mit einer Größe von 200 Nanometern hineinpassen. Seine Ergebnisse führten Ende 2021 zur Ausgründung der capsitec GmbH. Das Start-up verfolgt das Ziel, die Virenfalle zu kommerzialisieren. Derzeit befindet sich das Therapeutikum in der präklinischen Phase; zwei bis drei Jahre dürften die notwendigen Tier- und Zellkulturversuche noch mindestens dauern. Doch der Biophysiker ist sich sicher: „Unser antivirales Konzept hat das Potenzial, existierende Vireninfektionen zu behandeln und künftige virale Ausbrüche zu verhindern.“

Der Preisträger

Foto: David Ausserhofer

Von 2011 bis 2022 hat Christian Sigl an der Technischen Universität München studiert und promoviert. Zudem arbeitete er von 2018 bis 2020 als DNA-Origami-Designer und -Forscher bei tilibit nanosystems. Seit 2021 ist Sigl Gründer und CEO von capsitec, das Unternehmen will die Virenfalle auf den Markt bringen.

Beitragstitel: Die Virenfalle – ein generisches antivirales Therapeutikum

Christian Sigl

christian.sigl@capsitec.com

Promotion an der Technischen Universität München, Physik-Department

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Wettbewerbsbeitrag von Christian Sigl

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