„Dahinter steckt ganz viel Herzblut und Arbeit!“
Es wird spannend beim Geschichtswettbewerb: Die Jurys haben angefangen, die eingereichten Beiträge zu bewerten. Um einen Blick hinter die Kulissen der laufenden Juryarbeit zu werfen, haben wir mit dem Juror Martin Verg gesprochen. Er ist Autor, Journalist, Moderator und seit 2019 Landesjuror in Hamburg. Im Interview erklärt er, wie die Bewertung der Beiträge zum Thema “Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ funktioniert und was ihn an der Juryarbeit begeistert.
Herr Verg, Sie sind bereits zum dritten Mal Juror in der Landesjury Hamburg. Wie sind Sie zum Geschichtswettbewerb gekommen?
Ich war mehr als zehn Jahre Chefredakteur des Kindermagazins Geolino, bis ich mich vor ungefähr vier Jahren selbstständig gemacht habe. Aus dieser Zeit stammt der Kontakt zum Geschichtswettbewerb, da wir damals kooperiert haben. Und als ich gefragt wurde, ob ich in der Jury mitmachen würde, hat das bei mir eine offene Tür eingerannt. Ich habe selbst Geschichte studiert und finde den Geschichtswettbewerb, seine Themen und seine Art und Weise, junge Forscher:innen an historische Themen heranzuführen, total spannend.
Wie können wir uns den Ablauf Ihrer Juryarbeit vorstellen?
Es beginnt mit einem gemeinsamen Kick-Off-Treffen der Landesjury. Dort setzen wir uns zusammen und besprechen eine Musterarbeit, die zuvor an alle Juror:innen bundesweit geschickt wurde. Da wir alle aus verschiedenen Bereichen kommen und unterschiedliche Blickwinkel haben, loten wir zunächst eine gemeinsame Bewertungsgrundlage aus. Dann teilen wir uns in Zweierteams ein und jede:r geht mit einem Arbeitspaket, in meinem Fall etwa 20 Arbeiten, für die ich Erst- oder Zweitgutachten zu erstellen habe, nach Hause. Wir haben ein paar Wochen Zeit, um uns da durchzuarbeiten, eine Meinung zu bilden und Diskussionen im Team zu führen. Schließlich treffen wir uns alle bei der Abschlusssitzung wieder und treffen Entscheidungen über die Preise.
Allein in Hamburg wurden dieses Jahr mehr als 150 Beiträge eingereicht. Was war Ihr erster Eindruck, als Sie einen Blick in die Projekte geworfen haben?
Das Thema ist in diesem Jahr besonders gut gewählt! Es ist so unmittelbar, dass eigentlich jede:r etwas beitragen und eine spannende Fragestellung entwickeln konnte. Gleichzeitig sind die Beiträge ausgesprochen vielfältig und behandeln sehr unterschiedliche Themen auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Natürlich kommen bei uns manche Highlights der Hamburger Geschichte immer wieder vor. Mittlerweile ist es ein Running-Gag in der Hamburger Jury, dass wenn die Sturmflut oder der Hamburger Brand nicht vorkommen, irgendetwas falsch gelaufen sein muss.
Haben sich aus Ihrer Sicht inhaltliche Schwerpunkte ergeben?
Mein Eindruck ist, dass es vielen Teilnehmer:innen diesmal besonders leicht gefallen ist, einen persönlichen Bezug zum Thema herzustellen. Es gab zum Beispiel einen Podcast einer größeren Gruppe von Schüler:innen, die kurz vor ihrem Abschluss steht und ihren Beitrag damit einleitet, dass sie bald die Schule verlassen und ausziehen werden. Das macht das Thema Wohnen für sie besonders aktuell und relevant, da die Schüler:innen wissen wollen, was sie erwartet, wenn sie das Haus verlassen.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie sich solche Beiträge anschauen?
Es berührt mich sehr, wenn ich merke, dass der Beitrag den Schüler:innen wirklich wichtig ist, etwas bedeutet. Sie sind nicht nur mit dem Kopf voll drin, sondern auch mit dem Herzen voll dabei. Dahinter steckt ganz viel Herzblut und Arbeit!
Und wie haben die Schüler:innen ihre Projekte umgesetzt?
Ich fand es schon auffällig, wie hoch der Anteil der nicht reinen Textarbeiten ist. Es gibt eine Vielzahl von Podcasts und Filmen – zum Teil auf beeindruckend professionellem Niveau. Auch PowerPoint-Präsentationen oder Ausstellungen gibt es einige. Das ist erstmal interessant. Aber natürlich kein Selbstzweck. Als Jury schauen wir schon genau hin, ob die Darstellungsform für das Projekt Sinn ergibt, einen Mehrwert hat.
Ist das eine neue Entwicklung?
Ich würde schon sagen, dass es hier einen Trend gibt. Dass die Schüler:innen mehr ausprobieren, was die Formate der Beiträge betrifft. Mir scheint es zudem so, dass die Schüler:innen auch immer versierter sind, mit Formaten wie Film oder Podcast zu arbeiten. Sicherlich hängt das auch mit ihrem eigenen Medienkonsum zusammen: Podcasts hören, Clips gucken. Da ist der Schritt vielleicht nicht mehr so groß zu sagen, „ich probiere das jetzt auch mal“.
Oftmals entscheiden sich viele Schüler:innen dazu, zusammenzuarbeiten. Gab es Gruppenarbeiten?
Ja, erstaunlich viele! Das liegt zum einen daran, dass teilweise komplette Kurse oder Klassen sich beteiligt haben. Zum anderen, dass das Arbeiten als Gruppe vielleicht auch mehr Spaß macht? Es hat aber auch seine Herausforderungen: Eine Textarbeit in einer Gruppe zu erstellen, die am Ende konsistent und stringent erscheint, ist nicht ohne. Dieser Herausforderung sind sich viele Autor:innen bewusst. Ich hatte ein schönes Beispiel zum Thema “Obdachlosigkeit”, wo aus dieser Not eine Tugend wurde: Die Schüler:innen in Einzel- oder Kleingruppenarbeit jeweils zu einem Unterthema gearbeitet und daraus ein geschlossenes Kapitel gemacht. Die lesen sich alle sehr unterschiedlich, werden aber durch das Layout und eine durchlaufende Illustration wunderbar zusammengehalten.
Bald werden die Sieger:innen des Wettbewerbs bekannt gegeben. Was würden Sie den Schüler:innen, die erwartungsvoll auf die Ergebnisse warten, mit auf den Weg geben?
Es wird für uns auf jeden Fall eine sehr spannende Abschlussdiskussion. Habt einfach Geduld und vertraut uns. Ansonsten gilt wie immer: Vorfreude ist ja schließlich die schönste Freude.
Der Geschichtswettbewerb feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Was wünschen Sie dem Wettbewerb zum runden Geburtstag und für die Zukunft?
Selbstverständlich, dass er auch die nächsten 50 Jahre erfolgreich sein wird. Dass er noch größer wird und vor allem mehr in die Breite geht. Wir versuchen jetzt schon, auch jüngere Menschen an den Wettbewerb heranzuführen und die Hürden für die Teilnahme etwas herunterzuholen, ohne das Niveau zu senken. In vielen Köpfen steckt bestimmt das Bild, dass eine Teilnahme zu anspruchsvoll und man der Herausforderung nicht gewachsen sei. Warum? Es geht doch auch darum, es einfach mal auszuprobieren. Traut euch!
Das Interview führte Maximilian Pott.