Deutsche sehen USA wieder als Partner

Umfrage der Körber-Stiftung zeigt 180-Grad-Wende im transatlantischen Verhältnis. Sorge vor chinesischem Einfluss wächst.

Das transatlantische Verhältnis hat sich unter US-Präsident Joe Biden merklich verbessert: 71 Prozent der Deutschen sehen die Beziehungen zu den USA wieder als gut oder sehr gut an. Im Vorjahr lag dieser Wert nur bei 18 Prozent. Auch messen die Deutschen ihrem transatlantischen Partner mehr Bedeutung zu: Für 44 Prozent der Bundesbürger:innen sind die USA noch vor Frankreich (27 Prozent) wichtigster Partner. Das ist das Ergebnis der repräsentativen Umfrage »The Berlin Pulse« der Körber-Stiftung, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public im September und Oktober 2021.

»Erfreulich ist, dass die Trump-Jahre nicht zu einer irreversiblen Entfremdung zwischen Deutschen und Amerikaner:innen geführt haben. Ob der positive Trend anhält, bleibt jedoch abzuwarten. Nicht zuletzt, weil eine Reihe transatlantischer Streitthemen weiterhin ungelöst sind«, kommentiert Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, die Umfrageergebnisse.

Besonders in den Bereichen Verteidigung/NATO (73 Prozent), Freihandel (64 Prozent) und Demokratie/Menschenrechte (63 Prozent) werden die USA von den Deutschen als Partner wahrgenommen, weniger jedoch beim Klimaschutz und im Umgang mit China (jeweils 41 Prozent).

Aber nicht nur aus Sicht der Deutschen hat der transatlantische Beziehungsstatus einen neuen Bestwert erreicht: 85 Prozent der US-Amerikaner:innen bewerten die Beziehungen zu Deutschland als gut oder sehr gut (2020: 74 Prozent). Das zeigt die parallel vom Pew Research Center durchgeführte Studie in den USA.

Außenpoltische Erwartungen an einen Kanzler Scholz

Kann Olaf Scholz als Bundeskanzler Deutschlands Interessen in der Welt besser vertreten als Angela Merkel? 14 Prozent der Befragten trauen ihm dies zu, fast ein Drittel (27 Prozent) geht davon aus, dass Scholz dies schlechter gelingen würde. Die Hälfte der Befragten (51 Prozent) rechnet damit, dass er deutsche Interessen gleich gut vertreten würde.

Bei den drei wichtigsten Zielen, für die sich der nächste Bundeskanzler innerhalb der EU einsetzen sollte, wird die Stärkung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik am häufigsten genannt (65 Prozent), gefolgt vom Erreichen der Pariser Klimaziele (58 Prozent) und der Verteilung von Schutzsuchenden in der EU (51 Prozent).

Afghanistan als größte Herausforderung für deutsche Außenpolitik – Klima auf Platz zwei

Nach dem Abzug der NATO und Bundeswehr vom Hindukusch nennen 31 Prozent der Befragten Afghanistan als größte Herausforderung für die deutsche Außenpolitik. Dennoch bleibt die Zustimmung der Deutschen, zu einem stärkeren internationalen Engagement ihres Landes, unverändert: 45 Prozent der Befragten sind der Meinung, Deutschland solle sich bei internationalen Krisen stärker engagieren (2020: 44 Prozent), 50 Prozent sprechen sich für internationale Zurückhaltung aus (2020: 49 Prozent). Der Wunsch nach Zurückhaltung ist bei jüngeren Befragten weniger stark ausgeprägt: Unter den 18-34-Jährigen befürworten 65 Prozent ein stärkeres deutsches Engagement in der Welt.

Als zweitgrößte Herausforderung für die deutsche Außenpolitik wird der Klimawandel genannt (21 Prozent). Befragte zwischen 18 und 34 Jahren sehen darin sogar die größte Herausforderung (33 Prozent der Nennungen). Die deutschen Bemühungen um mehr Klimaschutz werden zugleich positiv bewertet: 53 Prozent der Befragten sehen ihr Land als Vorreiter in der EU in Sachen Klimaschutz.

Sorge vor chinesischem Einfluss

Der wachsende Einfluss Chinas wird zum ersten Mal seit 2017 von einer Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) als negativ empfunden, 9 Prozent bewerten ihn positiv und 34 Prozent neutral.
Im Vergleich zu Russland wird China auch als größere Bedrohung für Werte in Deutschland wahrgenommen. Während 26 Prozent in Peking eine große Bedrohung sehen, geben das in Bezug auf Moskau nur 16 Prozent der Befragten an.
Nur noch 19 Prozent der Deutschen finden enge Beziehungen zu China wichtiger als zu den USA. Eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent der Befragten findet enge Beziehungen zu den USA wichtiger.

Digitale Welt: Chance oder Gefahr?

Ist eine sich zunehmend digitalisierende Welt eine Gefahr oder eine Chance für die Demokratie? 51 Prozent der Deutschen sehen diese Entwicklung eher als Chance, 41 Prozent als Gefahr. Auch der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit Europas blicken die Deutschen optimistisch entgegen: 63 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass Europa bei technologischer Innovation und Digitalisierung gegenüber den USA und China konkurrenzfähig bleibt.
Zugleich sind die Deutschen einer Machtkonzentration großer Internetkonzerne gegenüber kritisch eingestellt: 76 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass diese stärker durch die EU reguliert werden sollten.

Die Umfrage

Kantar Public hat im Auftrag der Körber-Stiftung im September 1.162 und im Oktober 1.113 Wahlberechtigte ab 18 Jahren in Deutschland zu ihren außenpolitischen Einstellungen befragt. Alle US-Daten wurden durch das Pew Research Center im September 2021 erhoben.

Alle Ergebnisse, Tabellen, Grafiken und weitere Hinweise zur Erhebung ab 22. November, 17:00 Uhr online verfügbar unter: www.theberlinpulse.org.

The Berlin Pulse

Die Publikation »The Berlin Pulse« der Körber-Stiftung stellt internationale Erwartungen hochrangiger Autor:innen an deutsche Außenpolitik den außenpolitischen Einstellungen der Deutschen auf Basis einer repräsentativen Umfrage gegenüber. Unter den Autor:innen der fünften Ausgabe sind Patricia Espinosa, Kevin Rudd, Sheikh Hasina, Nanaia Mahuta, Ellen Johnson Sirleaf, Franziska Brantner und Mariya Gabriel.

Alle Beiträge ab 22. November, 17:00 Uhr online verfügbar unter:
www.theberlinpulse.org.

Angebote für Journalist:innen (bitte über den Pressekontakt, Herrn Julian Claaßen, anfragen):

  • Interview mit Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung oder Julia Ganter, Editor von The Berlin Pulse
  • Tabellenbände von Kantar Public mit allen Umfrageergebnissen
  • Teilen Sie Ihre Analyse der Umfrage und verfolgen Sie die Reaktionen auf »The Berlin Pulse« über Twitter: #TheBerlinPulse, @KoerberIP

Pressekontakt
Julian Claaßen
Körber-Stiftung
Bereich Internationale Politik
Telefon: 040 – 808 192 233
E-Mail: claassen@koerber-stiftung.de
Twitter @KoerberIP

Downloads

Pressemeldung zum Download (PDF)