Protest as a civic duty: dissidents and resistance in Russia
Sagen, was ist, zeigen, was war – aber um welchen Preis? Ein Gespräch mit dem Menschenrechtsaktivisten Oleg Orlow und der Historikerin Irina Scherbakowa von MEMORIAL über Mechanismen von Unterdrückung, staatliche Gewalt und zivilgesellschaftliche Protestkultur in Russland.
Sie verstehen es als ihre Bürgerpflicht, sich für Aufklärung von Unrecht einzusetzen, die Wahrheit zu sagen, und sie zahlen einen hohen Preis dafür: Der Menschenrechtsaktivist Oleg Orlow sprach sich in Russland öffentlich gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aus und wurde wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ zu zweieinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt.
Die promovierte Historikerin Irina Scherbakowa setzt sich seit Jahrzehnten für eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus in der ehemaligen Sowjetunion ein und sieht einen direkten Zusammenhang zwischen einer unzureichend aufgearbeiteten Gewaltgeschichte und aggressiven aggressiven politischen Repressionen im heutigen Russland.
Als einer von 16 Inhaftierten, die in dem internationalen Gefangenenaustausch mit Russland Anfang August 2024 freigekommen sind, wurde Oleg Orlow aus der Russischen Föderation ausgewiesen. Irina Scherbakowa musste ihr Heimatland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 aus Sicherheitsgründen verlassen.
Orlow und Scherbakowa sind Gründungsmitglieder der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL. Seit über zehn Jahren steht MEMORIAL unter dem Druck russischer Behörden. Zunächst im eigenen Land als sogenannter „ausländischer Agent“ eingestuft, wurde MEMORIAL International 2022 vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation liquidiert. Im selben Jahr wurde die Organisation für ihre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Im Mittelpunkt des Gesprächs mit Orlow und Scherbakowa steht die Frage nach den Traditionen, Chancen und der Wirkmächtigkeit zivilgesellschaftlichen Protests in Russland. Welche Rolle spielt die Dissidentenbewegung der Sowjetunion für das Selbstverständnis derjenigen, die sich heute mit friedlichen Mitteln in Russland gegen Krieg, Unrecht, staatliche Willkür und den Missbrauch von Geschichte als politische Waffe einsetzen? Was bedeutet es, sich in Russland heute für Menschenrechte und historische Aufklärung einzusetzen? Und welche Möglichkeiten gibt es, aus dem erzwungenen Exil heraus die Arbeit fortzusetzen?
Es moderiert Gabriele Woidelko, Körber-Stiftung.
Eine Veranstaltung in russischer Sprache mit Simultanübersetzung.