Die Vorgeschichte der Hohenzollern-Debatte. Adel, Nationalsozialismus und Mythenbildung nach 1945.
Geschichte ist Gegenwart! Der History & Politics Podcast der Körber-Stiftung
Die Verwicklung der Hohenzollern, insbesondere des Kronprinzen Wilhelm von Preußen, in die Etablierung der NS-Diktatur steht im Mittelpunkt einer Forschungskontroverse und öffentlichen Auseinandersetzung, die als bedeutendster geschichtspolitische Konflikt Deutschlands in der Gegenwart gilt. Was ist der Hintergrund der heutigen Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern? Welche Rolle hatte der Adel in der Etablierung des Nationalsozialismus in der Zwischenkriegszeit? Und in welchem Spannungsverhältnis stehen die Verstrickungen des Adels zum späteren Widerstand rund um die Attentäter vom 20. Juli 1944? Darüber spricht der Historiker Stephan Malinowski in der neuen Folge des History & Politics Podcasts. https://www.koerber-stiftung.de/ecommemoration/podcasts https://twitter.com/koerbergp https://www.facebook.com/KoerberStiftung/
„… und deswegen würde ich immer diese Kommunikation machen zwischen diesen zwei Momenten, 30. Januar 1933, Machtübergabe an Adolf Hitler und 20. Juli 1944, Explosion der Bombe in Stauffenbergs Aktentasche. Wie diese beiden Momente miteinander kommunizieren. Man braucht den zweiten Moment mit der Aktentasche, um den ersten vergessen zu machen. Man braucht den Fokus auf 1944 […] , weil er dabei hilft, die Rolle vergessen zu machen, die 1933 ein Großteil der deutschen Konservativen bei der Ermöglichung, Herstellung und Inbetriebnahme des Dritten Reiches geleistet hatten.“
Stephan Malinowski, Historiker
Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von History and Politics, dem Podcast der Körber-Stiftung zu Geschichte und Politik. Auch heute sprechen wir wieder mit einem Gast darüber, wie die Vergangenheit die Gegenwart prägt und beeinflusst.
Im Mittelpunkt des heutigen Gesprächs steht die Auseinandersetzung um die Verwicklung des Hauses Hohenzollern, insbesondere des Kronprinzen Wilhelm von Preußen, in die Etablierung der NS-Diktatur. Dieses Thema ist einerseits Teil einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rolle des Hauses Hohenzollern und des deutschen Adels im Nationalsozialismus. Mit den Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern und den Gutachten, die verschiedene Historiker in diesem Fall vorgelegt haben, ist die Kontroverse aber auch in den Mittelpunkt zahlreicher juristischer Auseinandersetzungen gerückt, die weiterhin andauern.
Was ist der Hintergrund der heutigen Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern? Welche Rolle hatte der Adel in der Etablierung des Nationalsozialismus in der Zwischenkriegszeit? Welches politische Gewicht hatte das Agieren des Sohnes des ehemaligen Kaisers im politischen Umfeld der Weimarer Republik? Und in welchem Spannungsverhältnis stehen die Verstrickungen des Adels zum späteren Widerstand rund um die Attentäter vom 20. Juli 1944?
Über diese Fragen hat mein Kollege Bernd Vogenbeck mit dem Historiker Stephan Malinowski gesprochen. Stephan Malinowski lehrt Modern European History an der University of Edinburgh, hat intensiv zur Geschichte des Adels im Nationalsozialismus geforscht und dazu einschlägige Publikationen vorgelegt. Malinowski ist einer von vier Historikern, die in der Frage rund um die Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern Gutachten vorgelegt haben.
Herr Malinowski, herzlich willkommen zum History & Politics Podcast der Körber Stiftung, es ist uns eine Ehre Sie zu Gast zu haben. Zuerst würde ich Sie gerne fragen: Worum geht es eigentlich bei den Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern?
Also die Forderungen sind Teil einer Auseinandersetzung, die direkt nach der Wiedervereinigung beginnt. Es geht um Kunstgüter, es sind Gemälde und andere Kunstgegenstände im Kern, die zurückgefordert werden, und es sind Gegenstände und Mobilien, die im Rahmen der sowjetischen Enteignung nach 1945 enteignet wurden und die dann nach dem sogenannten Ausgleichsleistungsgesetz aus dem Jahre 1994 zurückgefordert werden können. Wichtig dabei ist: Es geht nicht darum, dass jemand Schlösser zurückbekommt, sondern im Kern darum, dass Entschädigungsleistungen gezahlt werden. So ist das vom Gesetzgeber im Jahre 1994 festgelegt worden. Und es gibt nun diese Ausschlussklausel, die sogenannte Würdigkeitsprüfung, weil ein Antragsteller dann ausgeschlossen werden kann, wenn er entweder die kommunistische Diktatur oder den Sozialsozialismus – das ist vom Gesetzgeber sehr schwungvoll gleichgestellt worden, diese beiden Systeme – unterstützt hat. Also die „erhebliche Vorschubleistung“, so ist die Formulierung der Juristen, wenn die stattgefunden hat, wenn also der Antragsteller bzw. seine Vorfahren dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet haben, was in die Sprache der normalen Menschen übersetzt bedeutet, den Nationalsozialismus unterstützt haben, dann sind diese Entschädigungsleistungen ausgeschlossen.
Was gilt es da in den Blick zu nehmen?
Also ich denke, die Fragen, die jetzt aufkommen in dieser merkwürdigen Auseinandersetzung, verweisen im Grunde zurück auf Kernfragen, wie man den Nationalsozialismus verstehen will, interpretieren will, wie man Fragen von Schuld und Verantwortung diskutieren möchte. Das sind natürlich Fragen, die sind unter den Zeitgenossen um 1933 schon präsent, die sind im Exil präsent und die sind dann, um das vielleicht wichtigste Beispiel zu nennen, in den Nürnberger Prozessen präsent, wo von den Alliierten versucht wird, Verantwortung und Schuld zu definieren. Auch in einem rechtlichen Sinne – insofern sind das sehr alte Fragen. Mit Marx könnte man sagen: Sie waren einmal als Tragödie vorhanden und kommen jetzt als Farce wieder zu uns zurück. So wie sich nach dieser berühmten Marx-Formulierung alle wichtigen Dinge zweimal ereignen. Also es sind Fragen, die im Grunde Historikern nicht unbekannt sind. Sie führen zurück auf eine der Kernfragen, wie man den 30. Januar 1933 erklärt, die Machtübertragung an Hitler im Januar 1933, das erste Hitler-Kabinett. Wer ist – in einem historischen Sinne – verantwortlich für die Machtübertragung an den Nationalsozialismus und dann natürlich für die, wenn man so will, Führung des Dritten Reiches. Jedem Historiker ist bekannt, wenn man das jetzt archäologisch durchgehen würde, dass die älteste Erklärungsschicht Hitler als Einzelfigur ist, der bestimmte Teile des deutschen Volkes verführt wie ein Magier. Das Nürnberger Modell war ein bisschen anders, mit den sogenannten Hauptkriegsverbrechern: Man kann eine kleine Gruppe definieren, ob das nun zwölf oder 24 Menschen sind. Wenn man die Folgeprozesse hinzunimmt, dann kommt man auf ein paar Dutzend oder vielleicht einige Hunderte. Und man hat in einer frühen Phase, Ende der 1940er Jahre, die Vorstellung, die Hauptverantwortlichen für diese Diktatur sind im Grunde bekannt und abgeurteilt und damit wäre die Frage der Verantwortung geschlossen. Was Historiker in den letzten zwanzig bis vierzig Jahren getan haben, ist natürlich sehr viel komplexere Modelle zu entwickeln und zu sagen, Verantwortung bedeutet im Grunde, wir haben es bei der Herstellung der Führung dieser Diktatur mit Millionen von Menschen zu tun, die Teilverantwortung getragen haben.
Ich würde auch noch mal zurückgehen wollen auf die von Ihnen gerade vorgebrachte Position, dass es natürlich mehr bedurfte als eines kleinen Kreises, um den Nationalsozialismus, um die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland zu etablieren. Die Frage, wer hat Vorschub geleistet, wer hat Schuld und Beitrag dazu eingebracht. Da gewinnt der Adel als eine Jahrhunderte alte Funktionselite eine besonders große Rolle. Worin besteht die eigentlich zu diesem Zeitpunkt, was ist davor passiert?
Anders als in anderen europäischen Ländern hatte eben der Adel in Deutschland eine besondere Machtposition erhalten – in bestimmten Sektoren, die man benennen kann. Dazu würde man zählen: Die Staatsführung und die höhere Bürokratie, die Diplomatie, dann natürlich das Militär insbesondere in Preußen, aber auch in anderen Teilen Deutschlands, man würde die Landwirtschaft, also den Großgrundbesitz mit hinzuzählen. Also es gibt bestimmte Sektoren, in denen der Adel in Deutschland sehr starke Machtbastionen behält im Vergleich zu Ländern, wo die Adelsmacht sehr viel früher gebrochen wird. Jetzt wäre natürlich das Paradebeispiel Frankreich und die Brechung in der französischen Revolution und im 19. Jahrhundert. Das findet in Deutschland nicht statt.
Auch 1918, 1919? Was ändert sich da?
Also die Machtposition, die ich jetzt skizziert habe, damit meine ich jetzt vor allem das Kaiserreich bis zum Zusammenbruch 1918. Und dann ist eben diese Revolution vom November 1918, die Historiker früher sehr oft mit Formeln wie die steckengebliebene Revolution oder die verratene Revolution oder die missratene Revolution beschrieben haben. Also eine Revolution, die dem Adel Teile seiner Privilegien nimmt oder im Grunde formal alle Privilegien nimmt, auch den Adelstitel abschafft und umwandelt in einen Namensbestandteil. Aber die sogenannte Abschaffung des Adels ist 1918 natürlich ein sehr relatives Ding: Die Adeligen sind ja noch da, sie sind auch auf ihren Gütern, sie behalten ihre Schlösser, sie behalten ihren Landbesitz, sie behalten wie gesagt sogar die Titel als Namensbestandteil. Also es gibt nur eine sehr partielle Brechung des Adels insgesamt und das trifft natürlich auch zu auf die sogenannten ehemals regierenden Häuser.
Um diese Präsenz richtig verstehen zu können, ist es wertvoll noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wie wichtig der Adel eigentlich insgesamt für die politische Landschaft der Weimarer Republik war. Sie haben das an einer Stelle mal so beschrieben: Er war zu schwach, um an der Macht zu bleiben, aber doch stark genug, um das politische System der Weimarer Republik signifikant zu beschädigen. Was hat den Adel bewegt und welche Allianzen ist er eingegangen, wie hat er eigentlich die Geschicke dieser Republik geprägt?
Also zum einen gilt für die Zeit nach 1918 was für die Zeit vor 1918 gilt, nämlich das Verbleiben in bestimmten Machtpositionen. Man kann Großgrundbesitz und die Großgrundbesitzerverbände, die einen großen Einfluss ausüben im gesamten Reich, vor allem aber in Preußen, praktisch ohne Adelige nicht erklären. Man kann die Reichswehrführung und ihr Agieren und ihren Versuch, den nächsten Krieg vorzubereiten und die Armee zu schaffen für den kommenden und geplanten Revanchekrieg, ohne Adel nicht erklären. Man kann bestimmte Teile der Diplomatie ohne Adel schwer erklären und man kann im Grunde das gesamte Netzwerk der politischen Rechten in Weimar ohne Adelige schwer erforschen und erfassen. Das ist insofern erstaunlich, als der Gesamtanteil des Adels in der Bevölkerung zwischen 0,1 und 0,2 Prozent ausmacht. Eine verschwindend kleine Minderheit, die aber in bestimmten Sektoren dieser Gesellschaft unheimlich präsent ist. Ich würde hinzurechnen, dass die Weimarer Gesellschaft eine zerschmetterte und erschütterte Gesellschaft ist auf einer extrem nervösen Orientierungssuche. Ob das jetzt in der politischen Linken ist, in der Mitte oder Rechtsaußen, es sind sehr intensive emotional aufgeladene Suchbewegungen. Und wenn man das jetzt von der Rechten aus anschaut und rekonstruiert, haben wir natürlich alle gelernt, den Blick auf den Nationalsozialismus zu richten, weil wir wissen, der Nationalsozialismus ist der Faktor, der sich 1933 durchsetzt. Wenn Sie das jetzt aber von 1921, 1928 oder auch noch von 1931 anschauen, wo noch nicht ausgemacht ist, dass am Ende Hitler oder der Nationalsozialismus in diesem Schachspiel gewinnen wird, dann sieht man eben das in verschiedenen Sektoren der politischen Rechten. Alle diese Organisationen haben eine gewisse Orientierung auf die Welt von Gestern, wie Stefan Zweig das formuliert, also auf das Regime, innerhalb dessen der Adel eine sehr wichtige Rolle spielt. Eine Gegenwelt, eine aus der Sicht der Rechten gesehenen bessere Welt. Und aus dieser besseren Adelswelt, die in der Lesart der Rechten sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft steht, ragt dann dieser ehemalige Kronprinz heraus, der eine unübergehbare Figur ist, schlicht und ergreifend durch die Tatsache, dass er der älteste Kaisersohn ist.
Das heißt, wir sprechen einerseits über eine reale Machtstellung, die der Adel noch innehat. Und andererseits auch eine Position, dass der Adel ein Vorbild bleibt für weite Teile der Bevölkerung. Der Weg „vom Kaiser zum Führer“ ist einer, der eng verbunden ist mit dem Adel?
Adel hat immer eine imaginäre Seite. Also wenn Adel nicht als Adel wahrgenommen wird, gibt es keinen Adel: Die „Meisterschaft der Sichtbarkeit“, wie das mein Doktorvater Heinz Reif nennt. Ähnlich im charismatischen Modell, ja der charismatische Führer ist nur dann ein charismatischer Führer, wenn seine Sendung vom Empfänger, von Millionen von Empfängern so gelesen wird. Eine der faszinierenden Grundbeobachtungen für die kulturelle Szenerie in der Weimarer Republik ist, dass sehr viele Menschen von Adel reden. Eine der Leitformeln ist der neue Adel: Wir brauchen einen neuen Adel, und für diese Leitbilder der Erfindung eines neuen Adels natürlich immer den alten und real existierenden Adel. Die Figur des Ritters, die Figur des Kämpfers, die Figur des Führers zu Pferde, die Figur des naturverbundenen, körperbetonten, charismatisch aufgeladenen Führers, der ein Gegenbild ist zum langweiligen sozialdemokratischen Bürokraten zum Beispiel. Das ist dann ein Wunschbild, was man überall findet. Um die vielleicht wirkmächtigste Figur zu nehmen: Es ist natürlich interessant, dass auch im Nationalsozialismus von neuem Adel gesprochen wird und dass die gesamte Vorstellung der SS, die dann nach 1933/34 zur mächtigsten Institution im Dritten Reich aufsteigen wird, sich selbst im Grunde als neuen Adel definiert und sich so auch nennt. Das ganze Spiel mit Ordensburgen, wo dann eigene Sitten geschaffen werden, mit eigenen Symbolen und eigenen Wappen. Zum Teil ist das reines Räubertum innerhalb des Adels. Aber es ist gleichzeitig die Partizipation: Sehr viele Adelige machen in der Tat in der SS als Offiziere mit.
Zwei Beobachtungen ziehe ich daraus. Das eine ist die Bedeutung des Adels und einzelner Personen innerhalb des Adels für die politische Radikalisierung in der Zwischenkriegszeit . Die Frage des erheblichen Vorschubs wird da natürlich auch berührt, es ist eben etwas, was nicht nur die eine Privatangelegenheit ist, sondern letztlich sind das Akteure, die eine erhöhte Sichtbarkeit genießen und damit auch eine erhöhte Verantwortung, über die man sicherlich noch mal sprechen muss, wenn man die Frage des erheblichen Vorschubs in den Blick nimmt. Das zweite ist die gesamte Ikonographie rund um den Adel und seine politische Verstrickung. Und da gibt es, glaube ich, ein Datum, das auch einen sehr zentralen Platz einnimmt. Sie haben gerade gesprochen über den 30. Januar 1933, im März darauf folgt ein Tag, der, wenn man so möchte, eigentlich das Zusammenkommen von konservativ-monarchistischen Kreisen und Nationalsozialismus symbolisiert. Welcher Tag ist das? Welche Bedeutung hat er?
Also der sogenannte Tag von Potsdam, inszeniert am 21. März 1933 als gewaltiges Massenspektakel in der Garnisonsstadt Potsdam, vor dem Hintergrund des bereits niedergebrannten Reichstags Ende Februar 1933, ungefähr einen Monat vorher, und inszeniert als eine Vorbereitung des Ermächtigungsgesetzes der Herstellung der Diktatur. Mit dem Versuch eine Fusion darzustellen, bildlich darzustellen, als Ritual zwischen der alten preußischen Traditionswelt und der neuen kämpferisch-kriegerischen, jung-dynamischen nationalsozialistischen Welt. Dargestellt in der Garnisonskirche zu Potsdam, die eben eine Art heiliger Schrein und Tempel für den preußischen Militarismus war im 19. und 20. Jahrhundert. Mit dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg als Zentralfigur, der hier nicht etwa in zivil erscheint, weil er ja der Reichspräsident einer noch existierenden Republik ist, sondern in seiner Generalfeldmarschallsuniform mit Marschallstab. Der dann hinabsteigt in die Gruft zu den Särgen der beiden großen – oder angeblich großen – Preußenkönige Friedrich II. und sein Vater, und dort Kränze niederlegt. Eine Veranstaltung, die gefilmt wird, Fotografen sind da, Radioübertragung live, also eins der größten oder, man muss sagen, zu diesem Zeitpunkt das wichtigste Propagandaspektakel der noch sehr jungen und noch ungefertigten deutschen Diktatur. Hier eben kommt es zu einer Beteiligung, zu einer Partizipation des ehemaligen Kronprinzen. Man muss eher sagen, seiner gesamten Familie: Auch die Kronprinzessin Cecilie von Preußen ist dabei und die Söhne, August Wilhelm, der vierte Sohn des Kaisers in der Uniform eines SA-Generals und zwei andere Söhne in Stahlhelm-Uniform. Dann hat man praktisch die Fusion von alt und neu, repräsentiert in einer Familie. Der Kronprinz, fotografiert von Pressefotografen, lächelnd im Gespräch mit Adolf Hitler und bei der Abnahme der Paraden. Und auch in der sogenannten Kaiserinloge, also in der Kirche weithin sichtbar. Später dann beim zweiten Ritual in Berlin, in der so genannten Kroll-Oper, sitzt er in der Diplomatenloge. All diese Dinge werden registriert, überall im gesamten Land von der nationalen Presse, aber auch von der internationalen Presse. Man kann diese Berichterstattung sehr detailliert in französischen, britischen oder amerikanischen Zeitungen verfolgen.
Diese Bilder begleiten uns bis heute.
Diese Bilder begleiten uns bis heute. Sie werden natürlich damals – das ist die Geschichte mit dem Meister der Sichtbarkeit, es wird ja eine symbolische Sichtbarkeit erzeugt –natürlich überall so verstanden, dass der Sohn des Kaisers und dass die gesamte Familie der Hohenzollern diesem neuen Regime ihre Aufwartung macht, sich hier einfügt in die beabsichtigte Darstellung und Apotheose der Fusion aus Alt und Neu.
Die Bilder des Tages von Potsdam sind die Ikonen des Momentes der Liaison zwischen Konservatismus, Monarchismus und nationalsozialistischer Bewegung. Hier geht es im Kern um die Frage des erheblichen Vorschubs, den Kronprinz Wilhelm von Preußen geleistet hat oder auch nicht. Christopher Clark hat den Kronprinzen gleichsam als nützlichen Idioten dargestellt. Sie haben gesagt, dass seine Position von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Können Sie das in einen historischen Kontext einbetten, damit wir auch besser verstehen, wo die unterschiedlichen Bewertungen der Gutachter in den aktuellen Hohenzollern-Prozessen eigentlich herkommen?
Man hat sich in der jüngeren Diskussion auf den Tag von Potsdam fixiert, weil das praktisch das sichtbarste und spektakulärste Ereignis ist. Aber Potsdam ist im Grunde nur ein Glied in einer sehr langen Kette symbolpolitischer Auftritte, in denen der ehemalige Kronprinz oder seine Brüder Auftritte haben, die eben den Nationalsozialismus oder die NS-Bewegung symbolstark unterstützen. Das kann man sowohl rückwärts als auch vorwärts verlängern. Das gesamte Jahr 1933 wirkt im Grunde wie eine fast hypomanische Veranstaltung, in der der Kronprinz an allen Ecken und Enden auftaucht mit Hakenkreuzbinden und dann als Stahlhelm-Mann oder in Stahlhelm-Veranstaltungen 1933 oder auch 1934 auftritt. Er schreibt auch öffentliche Briefe an die deutsche, die amerikanische und britische Presse und an die Medienöffentlichkeit, in denen er immer wieder das junge dritte Reich unterstützt und zur nationalen Einheit aufruft, indem er versucht, den Stahlhelm und die SA, die zu diesem Zeitpunkt 1933 sehr viele und sehr ernste Konflikte miteinander haben, zusammenzubringen. Also: Er gehört nicht zu den Konservativen, die versuchen, die konservativen Elemente zu akzentuieren gegen die SA und gegen den Nationalsozialismus, sondern umgekehrt, er versucht das praktisch zu einer Fusion zu bringen. Man müsste auch neben dieser reinen symbolpolitischen Ebene hinzuzählen, dass es bestimmte Akte gibt, wo er in die politischen Prozesse sehr viel direkter eingreift. Vielleicht ist das wichtigste Beispiel dafür sein Wahlaufruf für Hitler am 1. bzw. 3. April 1932, das ist die Situation der Reichspräsidentenwahl im Frühjahr 1932. Der Kronprinz versucht zu diesem Zeitpunkt erst eine Konstellation, in der er selbst zum Reichspräsidenten gewählt worden wäre mit der Unterstützung der Nationalsozialisten. Vereinfacht ausgedrückt, versucht er zu diesem Zeitpunkt – wir sind im März 1932 – eine direkte Koalition mit Hitler herzustellen. Als das dann scheitert, weil er sich von seinem Vater, dem Kaiser, diesen Plan im Grunde verbieten lässt, veröffentlicht er unmittelbar danach Anfang April 1932 eine Erklärung, er werde Hitler wählen. Auch diese Meldung, das kann man in der Presse sehr detailliert nachvollziehen und rekonstruieren, ist innerhalb von 24 Stunden in der gesamten Weltpresse verzeichnet. Der ehemalige preußische Kronprinz plädiert dafür, Hitler zu wählen, gegen Hindenburg. Diese Form der Auftritte, zu der dann hinzukommt, dass er in der amerikanischen Presse ganzseitige Artikel publiziert, in denen er sagt, wir müssen dieses neue Regime unterstützen, das ist praktisch der Kampf Europas gegen den Bolschewismus und die anderen Länder Europas werden irgendwann dem genialen Führer dankbar sein. Das ist dann schon mehr als nur Symbolpolitik. Es kommt natürlich das Agieren innerhalb seiner rechten Netzwerke hinzu. Ein Beispiel nur dazu ist ein Brief, in dem er 1933 den Führer des schlesischen Stahlhelms dazu auffordert, die Fusion mit der SA mitzutragen. Das sind die beiden größten Wehrverbände. Also man muss dazu sehen, dass sowohl die SA als auch der Stahlhelm ungefähr 500.000 Mann umfassen, die Reichswehr hat zu diesem Zeitpunkt nur 100.000, also zusammengenommen die zehnfache Mannesstärke der regulären Armee. Es geht um die Frage, wie man dieses Potential zusammen bringt. Dass der ehemalige Kronprinz als der ehemalige Heeresgruppenführer der Westfront, deren Kommandeur er war, hier symbolisch auftritt, neben Ernst Röhm zu sehen ist, sich neben Heinrich Himmler zeigt und bei Aufmärschen neben Röhm und Himmler marschiert, das sind natürlich Zeichen, die kein Mensch übersehen konnte und auch niemand übersehen hat. Die Zeitgenossen nehmen das sehr präzise und sehr detailliert war. Die Frage nun, ob diese Leistung als erheblich, also ob man das als erhebliche Unterstützung bezeichnen kann, das ist eine Frage. Historiker verfügen über kein Instrumentarium, um diese Frage mit ja oder nein zu beantworten, sondern man kann nur sagen, nach allem, was man rekonstruieren kann, sprechen die Quellen doch eine sehr eindeutige Sprache. Die erste Interpretation, die der Kollege Christopher Clark vorgelegt hatte 2011, fußte noch auf einer Quellenlage, die sehr viel dünner war als die, die wir heute haben. Und Clarks erstes Argument war zu sagen, der Mann ist nur eine Randfigur. Das Argument ist nicht schlecht. Man kann sagen, der Mann hat kein Amt, er tritt nicht in die Partei ein, er geht weder in die SA noch in die SS, obwohl einen SA-Rang hat er dann am Ende, weil er zur Motorbrigade gehört. Aber, kurzum, er wird nicht Minister und er geht in keine Organisation. Das Gegenargument wäre dazu natürlich, dass Hochadlige immer und insbesondere Könige und Fürsten und Kronprinzen, insbesondere in einer Republik, die werden nicht Kassenwart in einer Organisation oder Platzmeister oder Parteivorsitzende, sondern sie agieren praktisch im Hintergrund. Sie agieren durch die Zurverfügungstellung ihres Namens und ihres Charismas und des Charismas, das an ihrem Titel bzw. an ihrem Namen haftet. Wenn der Kronprinz von Preußen auf diesen öffentlichen Ereignissen seine Person öffentlich zur Verfügung stellt, dann macht er damit den höchsten Grad der Partizipation, die für einen Fürsten denkbar ist. Es gibt einzelne Figuren, zum Beispiel aus der Familie Hessen oder Sachsen-Coburg-Gotha, die dann hinterher tatsächlich in die SS oder in die NSDAP eintreten und praktisch als Parteigenossen agieren. Das ist aber im Hochadel eher eine seltene Figur. Also das typische ist eher das Wirken über die symbolische Ebene. Und die hat man eben hier in Reinform zusammen.
Vor dem Hintergrund eines enormen Modernisierungsdruckes, den der Adel eigentlich seit dem 19. Jahrhundert ausgesetzt ist und der sich noch mal verstärkt in der Weimarer Republik: Wie bespielt denn Kronprinz Wilhelm von Preußen die politischen Erwartungen an seine Person, wie geht er damit um?
Also der Modernisierungsdruck, der auf den Adel ausgeht, der ist natürlich älter als 1918. Man kann sagen, das ist eine Herausforderung vor der alle Adelsgesellschaften Europas im 19. Jahrhundert stehen, sehr massiv. Was nach 1918 wegbricht, sind bestimmte Netzwerke. Wenn man das anschaut insgesamt für die Familie Hohenzollern nach 1918, dann ist die Beobachtung, ja es gibt Kritik von Sozialdemokraten oder anderen Republikanern, die sagen, warum arbeiten diese Leute eigentlich nicht? Der Begriff der Drohne ist einer und des Parasiten, das sind praktisch Metaphern, die von linken Republikanern dann verwendet würden. Sie meinen damit, was diese Menschen machen ist, sie sitzen auf ihren Schlössern, die weiterhin von der Republik finanziert oder erlaubt werden, ohne dass sie sich einer bürgerlichen Vorstellung von Erwerbsarbeit auch nur annähern. Also weder der Kaiser noch einer seiner Söhne noch andere Teile dieser Familie, die ungefähr um die 40-48 Einzelpersonen umfasst, leistet, was man mit dem Begriff der Modernisierung oder der Republikanisierung sehen könnte. Das findet nicht statt. Man könnte aber vielleicht formulieren, dass gerade die Verweigerung dieser Modernisierungsleistung und gerade die Tatsache, dass der ehemalige Kronprinz, der eine Zwitterfigur wird zwischen einem militärischen Führer, der in den meisten Fotosituationen in Stiefeln und Uniform auftaucht, obwohl er ja nicht mehr Offizier ist, er gehört ja keiner Armee an. Er tritt aber auf als Offizier. Man sieht ihn eben auch im Sporting Dress, wenn er Tennis spielt im Grunewald oder wenn er dort in bestimmten Villen verkehrt, als Jäger auf seinem Renaissanceschloss in Oels in Schlesien in der Nähe von Breslau, oder als Skifahrer in Sankt Moritz, mit anderen Personen in der Schweiz, in Spielcasinos, oder am Kurfürstendamm in Theatern. Sehr oft im offenen Sportwagen in Begleitung junger Frauen, die er um sich herum schart, Schauspielerinnen vor allem. Also: Er stilisiert sich selbst zu einer im Grunde modernen Traumfigur. Er bespielt eine sehr breite Klaviatur, ein sehr breites Spektrum an symbolischen und politischen Dingen, und das kann man durchaus als eine moderne Figur betrachten, was übrigens sein Vater, der Kaiser, ja auch schon konnte. Und hier scheint es mir interessant zu sein, das dann mit den Leistungen zu vergleichen, die Hitler, also die praktisch die parallel entstehende Führerfigur Hitlers, der vollkommen anders auftritt, vorbringt. Hitler wird sich als die erfolgreichere Figur herausschälen. Es gibt aber eine Zeit – und der Höhepunkt ist um 1932 –, wo diese heute von der Geschichte etwas vergessene Figur des ehemaligen Kronprinzen durchaus gehandelt wird als eine der politischen Führungsfiguren und eben als potenzieller König. Und das ist sowohl in den Sorgen der Sozialdemokraten der Fall, also wenn Sie den Vorwärts lesen, Leitzeitung der deutschen Sozialdemokratie, die ist voll von Sorgen, also eine Mischung aus Sorge und Spott über diesen Mann. Man findet aber auch für das gesamte Jahr 1932 quillt die britische und amerikanische Presse über vor Prognosen: Das ist der kommende Mann, die Monarchie kommt zurück. Zwischen Juni und Oktober 1932 ist das ein Szenario, was überall auf der Welt ernstgenommen wird.
Ob wir diesen Kontext vielleicht einmal ganz kurz noch skizzieren können: Wie der Adel sich eigentlich insgesamt, unabhängig vom Hause Hohenzollern, in dieser Zwischenkriegszeit bewegt? Wie geht der Adel eigentlich um mit seiner prekären Situation?
Also festzuhalten wäre vielleicht, dass es den Adel natürlich so wenig gegeben hat wie die Arbeiterklasse oder die Bauern oder das Bürgertum. Das ist eine Gruppe, man müsste Einzelgruppen differenzieren, die man hier auseinanderhalten muss. Der Kontrast zwischen dem katholischen Adel in Bayern und dem protestantischen Adel im Ostelbischen Preußen ist natürlich zum Beispiel sehr groß. Man müsste differenzieren zwischen verschiedenen Statusgruppen. Man müsste zwischen sehr alten Familien und dem neueren Adel differenzieren. Und dann ist vielleicht eine der wichtigsten Trennungslinien die zwischen arm und reich. Also es gibt reiche Familien und arme Familien und dann verlaufen die Linien zwischen arm und reich teilweise natürlich durch die Familien hindurch. In vielen Familien in Preußen ist es so, wenn die sehr zahlreich sind, dann erbt vielleicht der älteste Sohn ein noch relativ großes Gut, das, wenn er Glück hat, die Agrarkrisen von 1924 und die Krisen von 1932 halbwegs unverschuldet übersteht und noch genug Geld abwirft. Das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass die vielleicht vier oder fünf Brüder und zwei Schwestern davon mitfinanziert werden können. Es gibt bestimmte Versorgungsinstitutionen die wegfallen. Dazu gehört zum einen die Armee, also traditionell gingen eben sehr viele der Söhne, in manchen Familien in Preußen praktisch alle Söhne, in die Armee. Das geht nicht mehr, mit der Reichswehr auf 100.000 Mann beschränkt, mit einem Offiziercorps von ungefähr 4.000 Mann, sind da die Ressourcen sehr klein. Ähnliches gilt für Klöster, Stifte und andere Versorgungsinstitutionen für die Frauen. Es gibt insgesamt eine Krise, die den Adel erfasst und den Zwang, auf diese Krise, auf diese auch ökonomische Krise irgendwie zu reagieren. Diese habituellen Einschränkungen, die in Deutschland und vor allem in Preußen sehr stark sind, die bleiben stark nach 1918. Also die Vorstellung und die Möglichkeit, in genau den Kernen Karriere zu machen, die moderne Ökonomie ausmachen, die sind sehr schlecht, sehr gering. Das heißt, bestimmte Kernbereiche des bürgerlichen Lebens und der bürgerlichen modernen Karrieren bleiben verstellt. Zum Teil, weil man die sich selbst verbaut. Scharfer Kontrast hier zu Adelsgesellschaften wie zum in England, Großbritannien oder Frankreich, auch Italien, wo anders und früher diese Diffusion funktioniert als in Deutschland und insbesondere Preußen. Kurzum, es gibt praktisch eine Begrenzung dieser Modernisierungsleistung, die zum Teil von den Strukturen und Ereignissen ausgeht, und zum Teil aber vom Adel oder von der adligen Mehrheit, so könnte man das formulieren, selbst gesucht wird. Und die sich kurioser-, oder auch nicht kurioserweise, erst nach 1945 auflösen wird. In der Bundesrepublik ist es dann nicht mehr so, dass die preußischen Familien versuchen Bundeswehroffiziere zu werden, sondern plötzlich gelingt praktisch diese Diffusion in die Bereiche der Modernität, die nach 1918 verweigert wird.
Was bewog vor diesem Hintergrund große Teile des Adels, den Nationalsozialismus zu unterstützen?
Zum einen gibt es eine Gemeinschaft „Der Feind des Feindes ist der Freund“, also es gibt ein Agreement über die Ablehnung von Demokratie, von Republik, von Sozialdemokratie, von Sozialisten, von Kommunisten, von insgesamt der Linken, von Gewerkschaften. Die gesamte Kampffront, in der man gemeinsam steht gegen die Sozialdemokratie, gegen die Republik, ist eins. Das ist der erste Grund, warum man wie automatisch in die Nähe der NS-Bewegung kommt. Antisemitismus ist natürlich ein wichtiges Feld, ich habe das in meinem Buch als kommunikative Brücke bezeichnet. Wenn man davon ausgeht, dass die NS-Bewegung, die in weiten Teilen kleinbürgerlich und auch proletarisch und ländlich geprägt ist, passt eigentlich nicht zu dem, was der Adel mal war. Man braucht eine Brücke – die Frage ist, wie kommunizieren diese beiden unterschiedlichen Welten miteinander. Das Anti-Linke ist ein Element, der Antisemitismus und auch der rassisch definierte Antisemitismus ist sehr früh im preußischen Adel eine Sprache, die man gemeinsam spricht. Und dann kann man als dritten Sektor hinzuzählen materielle Interessen und Hoffnungen auf die Welt, die der Nationalsozialismus verspricht. Dazu gehört zuerst die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, Aufbau der Armee, also praktisch die explosionsartige Ausweitung der Reichswehr, die durch den Versailler Vertrag reduziert war und die die Nationalsozialisten nach 35 eben aufpumpen zu dem Gewaltapparat, der dann 1939 zur Verfügung stehen wird. Es geht aber nicht nur um Offiziersstellen, es geht auch um Stellen im Staatsdienst. Also wenn man alle Juden entlässt und wenn man alle Sozialdemokraten entlässt und alle linken Republikaner entlässt nach 1933, entstehen natürlich plötzlich Karrieremöglichkeiten, die die Söhne aus adligen Familien sowie auch aus bürgerlichen Familien zu nutzen wussten und auch sofort genutzt haben. In diesem Sektor, ich würde sagen, das ist vielleicht der wichtigste Punkt in den materiellen Interessen, trägt sehr früh die Vorstellung, die Nationalsozialisten werden ein Agrarprogramm mit sich bringen, die zum einen den eigenen Landbesitz wiederum helfen wird. Das zu arrondieren und aufzubauen. Und natürlich der Eroberungsplan im Osten, der ja schon in „Mein Kampf“ 1925 fixiert war, und der dann, da musste man jetzt kein Prophet für sein, in welche Richtung zukünftiger Eroberungskrieg gehen würde, im Osten diese gewalttätigen Landgüter. Die nationalsozialistische Fantasie vom Volk ohne Raum, die ja Unfug war. Man hatte dann den Raum, aber gar kein Volk, was da siedeln wollte. Man fand aber in den Adelsfamilien überall Freiwillige, im Osten wieder rittern und reiten und siedeln zu können, diese Siedlungsfantasie ist ein sehr starkes Argument.
Lässt sich eigentlich im Nationalsozialismus selbst eine zunehmende Vereinnahmung des Adels beobachten? Gibt es da eine zunehmende Radikalisierung? Wie lässt sich der Adel, um vielleicht ein Bild zu bemühen, reinziehen in diesen Nationalsozialismus, welche Rollen nimmt er da ein?
Also es ist, glaube ich, ein ambivalentes Bild, was man bekommt, wenn man die Zeit 33-45 anschaut. Denn einerseits gibt es unzählige Adlige, die als Einzelfiguren profitieren von diesem System, die aufsteigen innerhalb der Wehrmacht, innerhalb der SS – übrigens ein sehr wichtiger Faktor, auch in der SA gibt es Prominente und wichtige adlige Karrieren. Innerhalb des Staatsdienstes, innerhalb der Ministerien, innerhalb der Siedlungsämter und so weiter. So in dem ganzen Behemoth, in dem ganzen Organisationsungetüm, das die Nationalsozialisten ab 33 erschaffen werden. Überall entstehen da Stellen. Für Einzelfiguren, und das gilt natürlich vor allem für den Landbesitz und für den Versuch, die sogenannten Fideikomiss, also die Formen der traditionellen Besitzbindung, die im Grunde das Herzstück waren, das Rückgrat war, das ökonomische Rückgrat des landbesitzendes Adels, hierfür ein Art von Ersatz zu bekommen, ist die Hoffnung und der Versuch und ein wichtiger Grund, sich dem neuen Reich oder sich den dritten Reich anzuschließen. Man kann aber auch sagen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Je mehr sich das Reich nach vorne bewegt, desto deutlicher machen die Nationalsozialisten im Grunde dem Adel, wir brauchen euch nicht mehr. Das gilt von der Sprengung der Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag Kaiser Wilhelm II., das ist der 27. Januar 1934, wo eine große monarchistisch adlige Veranstaltung gesprengt wird von SA-Leuten, die da Feuerwerkskörper zünden und zum Entsetzen der alten, zum Teil sehr alten, Herren, das sind dann 85-jährige Generale, zeigen, die brutalen Formen der neuen Zeit können sich auf gegen den Adel wenden. Die Erschießung General Kurt von Schleichers, des letzten Reichskanzlers vor Hitler am 30. Juni 1934, da werden ja auch noch andere Adlige erschossen, unter anderem Oberst von Bredow aus der Reichswehrführung. Also: Die klare Ansage, das Dritte Reich braucht den Adel nur noch in den Formen, den sie selbst als Adel definieren, und im Grunde ist der neue Adel die SS. Die Nationalsozialisten schreiben im Grunde um, was der Begriff bedeutet. Und aus dieser Konfliktlinie würde ich dann partiell den 20. Juli erklären und es ist ein Grund dafür, warum dann praktisch der Adelsanteil unter den Verschwörern des 20. Juli so hoch ist.
Ihr unlängst auf Englisch erschienenes Buch trägt den Namen „Nazis and Nobles, the History of a Misalliance“. Das ist etwas, was deutlich wird in dem was Sie gerade gesagt haben: Unterschiedliche Erwartungen auf Seiten des Adels, das führt in der Tat dann auch mit zum 20. Juli. Wo findet da ein Bruch statt?
Also ich würde dazu zum einen festhalten, dass ich glaube, das ist eine der großen bundesrepublikanischen Gründungslegenden, den Begriff Widerstand zu verbinden mit dem Datum des 20. Juli. Eigentlich kommt der Widerstand vor und nach 1933 aus ganz anderen Ecken. Und man hat dann in der Bundesrepublik seit den 1950er Jahren angefangen, Stauffenberg, den 20. Juli und damit praktisch vollautomatisch auch den preußischen Adel als die Symbolisierung von Widerstand oder zumindest von konservativen Widerstand anzusehen. Der Grund, warum da so viele Adelige drin sind, ich glaube, es gäbe fünf, sechs oder vielleicht auch acht oder zehn verschiedene Fäden, die man da auseinanderhalten müsste. Zum einen gibt es natürlich Motive, die die Adligen am 20. Juli mit den Bürgerlichen oder aus anderen Bevölkerungsschichten kommenden Mitgliedern des 20. Juli teilen. Es gibt eine bestimmte Ablehnung der Gewaltpolitik. Der Holocaust und die Ermordungspolitik der europäischen Juden, soweit sie bekannt war, und sie war ihnen bekannt, spielt eine wichtige Rolle. Der Eindruck oder die Einsicht, dass der Krieg verloren geht, spielt eine wichtige Rolle. Also: Es gibt Konfliktlinien, die Adlige mit anderen teilen. Ein Grund, warum Adlige am 20. Juli so präsent ist, ist schlicht und ergreifend, weil so viele von ihnen noch auf Herrschaftspositionen sind und zwar insbesondere in der Wehrmacht. Was natürlich gleichzeitig bedeutet, die Frage, die man für jede einzelne dieser Biografien stellen muss, ist im Grunde, wo waren sie 1933. Und die Antwort ist in fast allen Fällen oder, vorsichtiger ausgedrückt, in einer Mehrheit der Biografien, die mir jetzt dazu einfallen würden aus dem 20. Juli, sind das Männer, partiell auch Frauen, die 1933 zu den Unterstützern des Regimes gehört hatten, die 1944 aber in einer Position sind, Hans Mommsen hat das mal „Widerstand von Kommandohöhen“ genannt, wo sie zu den wenigen und einzigen gehören, die überhaupt noch sinnvoll oder effektiv gegen das Regime vorgehen können. Und das muss man sehen. Also 1944 ist die einzige Gruppe, von der aus ein effektiver Widerstand funktional noch ausgehen konnte, die Armee, ist die Wehrmacht. Da nun aber so viele von diesen Adligen eben in mittleren und hohen Führungspositionen der Wehrmacht aktiv sind, Stauffenberg, Tresckow und Schulenburg sind drei wichtige Beispiele dazu, sind sie in der Lage, das System von innen anzugreifen? Also ich denke, die Operation, die man dazu geistig oder historisch immer vollziehen muss, ist, die Nationalsozialisten brauchen wenige Monate, um die Organisationen der mächtigsten Arbeiterbewegung der Welt zu zerschlagen. Also die sozialdemokratischen, kommunistischen, sozialistischen Organisationen, die Parteien, die Gewerkschaften und so weiter sind 1933 bis zum Sommer zerschlagen. Weil man eine Organisation relativ schnell angreifen und zerbrechen kann mit den Mitteln einer Diktatur. Mit dem Adel ist das schwieriger. Und wenn man schaut, wie Stauffenberg, Tresckow, Schulenburg, wie die miteinander kommunizieren, Moltke, Yorck, da sind zum Teil Netzwerke, die über Familien gehen, die über Freundschaften gehen, die über Vertrauen gehen, das absolute Vertrauen zwischen Männern und Frauen, die den gleichen Code sprechen, die aus dem gleichen Milieu kommen, die sich untereinander kennen und vertrauen. Das ist für eine Diktatur sehr viel schwerer angreifbar als eine Organisation. Was eben auch ein Teilgrund dafür ist, warum die Nationalsozialisten übrigens selbst noch nach dem 20. Juli 1944 große Schwierigkeiten hatten zu verstehen, wie diese Menschen funktionieren, was sie denken, woher sie kommen und so weiter. Es gibt aber sofort den Reflex bei Hitler und der NS-Führung nach dem Attentat, nachdem die Bombe in Ostpreußen detoniert ist, zu sagen, das waren die Adligen, das ist ein monarchistischer Putsch, dahinter stehen die Vons, die waren immer gegen uns. Also diese alte Konfliktlinie zwischen Adel und Nationalsozialismus bricht hier noch einmal in großer Schärfe auf. Insofern ist es niemals eine Einbahnstraße in der Erklärung zu sagen, der komplette Adel ist in die NS-Bewegung reindiffundiert, sondern es ist eine widersprüchliche Geschichte von Annäherung und Abstoßung. Deswegen auch habe ich den Begriff der Mésalliance verwendet und den Begriff des Missverständnisses. Also es ist ein, wenn Sie so wollen, Wackelkontaktverhältnis, was partiell und in Bereichen und in bestimmten Zeitabschnitten funktioniert und dazu beiträgt, das Dritte Reich funktionsfähig zu machen und zu halten. Das gilt vor allem für die frühe Zeit, also für die Zeit um und direkt nach 1933, es ist aber eben auch eine Geschichte der Widersprüche und am Ende dann des Widerstandes.
Und dieser Widerspruch wird ja gerade auch darin deutlich, wie Sie gerade sagen, dass ein Großteil derjenigen, die am 20. Juli involviert waren, zugleich auch beim Tag von Potsdam involviert waren. Also beide Daten sind, wenn man so möchte, Teile der Biografien dieser Menschen. Die Frage, die mich umtreibt, ist, warum blicken wir nach 1945 so viel stärker auf diesen 20. Juli? Und was hat das damit zu tun, dass wir heute in einer Situation sind, wo der Blick auf den Adel geprägt ist durch dieses Verständnis des adligen Widerstandes?
Also ich denke, die Gesamtsituation in Deutschland nach 1945 war, man suchte nach positiven Gegenbildern. Und dann gibt es natürlich verschiedene, das muss man sehen, es gibt ja nicht nur eine Geschichte, sondern mindestens zwei, nämlich eine Ostdeutsche und eine Westdeutsche. Also die DDR hat natürlich ein vollkommen anderes Narrativ zum Widerstand als die Bundesrepublik. Man kann auch sagen, dass zum Beispiel die Emigranten eine wichtige Rolle spielen, die aus dem Ausland zum Teil wiederkommen und ihre eigene Vorstellung von was Widerstand war hatten. Also es gibt die in der DDR starke Geschichte des kommunistischen Widerstands und die Hauptkarte, die man hier spielen konnte, war natürlich zu zeigen, dass in der Tat die politischen Gegner des Nationalsozialismus natürlich die Linken und nicht die Konservativen waren. 1933 ist ja nichts anderes als eine Koalition aus Konservativen und nationalsozialistischen Kräften, das konnte man nicht wegschreiben. Aber gerade deswegen brauchte man in dieser frühen Adenauer-Republik, und das Schlüsseldatum dazu ist der 20. Juli 1954, die große Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten Theodor Heuss an der Freien Universität Berlin und die große Rede zum Widerstand, den konservativen Widerstand des 20. Juli, die Figur Stauffenberg und die darum liegenden Mitverschwörer als Heldenfiguren. Bis dahin gelten sie im Grunde auf der Rechten als Verräter. Also es dauert durchaus 10-20 Jahre, bis sich diese Gestalten von Verräterfiguren zu Heldenfiguren wandeln. Dann gibt es bestimmte Leiterzählungen dazu. Ich würde die Rolle von Marion Gräfin Dönhoff hier sehr stark machen, die eben eine der einflussreichsten ostpreußischen Adligen ist, die dann als Publizistin und vor allem durch die Zeit, aber auch über andere Netzwerke dieses Narrativ sehr stark aufbaut. Und es ist ein Narrativ für den jeder was hat. Also es sind Heldenfiguren da drin, wenn Sie Stauffenberg nehmen, gut aussehender, hoch intelligenter, gebildeter Mann, der noch auf dem Krankenbett verletzt Homer aus dem Altgriechischen überträgt oder das mit seinem Bruder tut und so weiter. Der Begriff Heldenfiguren, die man hier der Bundesrepublik anbieten konnte und in dem gemeinsamen deutschen Versuch, das sogenannte andere Deutschland zu repräsentieren, ist in dieser Adenauer-Republik der logische Schluss, auf den Adel zu schauen und auf die Konservativen zu schauen. Weil die Kommunisten konnte man nun nicht nehmen. Es wäre für diese von der CDU sehr stark und von der FDP sehr stark dominierte frühe Bundesrepublik sehr schwer gewesen, zu Heldenfiguren zu greifen, die man aus dem kommunistischen oder linkssozialdemokratischen Lager genommen hätte. Da ist der eigentliche Widerstand um 1933 natürlich, ist aber politisch vollkommen eingängig, warum man beim 20. Juli angekommen ist. Etwas weniger eingängig ist vielleicht, warum wir bis heute, 2021, warum die öffentliche Erinnerung noch so stark an diesem Datum festhängt. Man hat natürlich andere Figuren dazu, also die Figur Georg Elser mit dem Bombenattentat 1939 in München, was man problematisiert hat, weil das praktisch ein terroristischer Anschlag ist, so ist das jedenfalls beschrieben worden und vor nicht allzu langer Zeit, der dann unschuldige Zivilisten umbringt. Man hat natürlich die weiße Rose und die Scholl-Brüder. Also es gibt ja andere Gruppen, die man ebenfalls stilisiert hat, aber bis in Bryan Singers Hollywood Movie über Stauffenberg bleibt das die wichtigste Ikone, die man übrigens auch im Ausland so verkaufen kann. Also wenn ich in Großbritannien, und vorher habe ich in Irland unterrichtet, Seminare mache über das Dritte Reich und die Studierenden Frage, was ihnen einfällt zu German Resistance, dann kommt natürlich zu allererst…
Tom Cruise…
Tom Cruise und dann kommt natürlich der 20. Juli.
Was verstellt das eigentlich? Wie verstellt das unseren Blick auf diese Zeit?
Also es verstellt die Einsicht und deswegen würde ich immer diese Kommunikation machen zwischen diesen zwei Momenten, 30. Januar 1933, Machtübergabe an Adolf Hitler und 20. Juli 1944, Explosion der Bombe in Stauffenbergs Aktentasche. Wie diese beiden Momente miteinander kommunizieren. Man braucht den zweiten Moment mit der Aktentasche, um den ersten vergessen zu machen. Man braucht den Fokus auf 1944, aus einer konservativen Perspektive gelesen, weil er dabei hilft, die Rolle vergessen zu machen, die 1933 ein Großteil der deutschen Konservativen bei der Ermöglichung, Herstellung und Inbetriebnahme des Dritten Reiches geleistet hatten. Ohne konservative Partizipation, man braucht ja nur mal anzusehen, wer in diesem ersten Hitler-Kabinett an Ministern sitzt, und das war das Problem in den 1950er Jahren. Ich würde sagen, das ist aus einer konservativen Perspektive auch im Jahre 2021 noch immer die Konstellation, wie kriegt man diesen Schandfleck weg, wie definiert man den weg. Und dann sucht man, und natürlich gibt es diese Figuren, ist ja nicht so, dass es keine konservativen NS-Gegner gab, natürlich gab es die und die soll man praktisch auch beschreiben. Aber die Erzählfigur, in der praktisch Hitler als Diktator sich durchgesetzt hätte gegen rechts und gegen die Konservativen ist schlicht und ergreifend belegbar falsch. Aber wenn dieses Bild aufrechterhalten werden soll, weil man ein positives Bild von konservativen Organisationen und Traditionen bewahren möchte, dann ist der 20. Juli der wichtigste Moment und der wird es auch bleiben.
Welche Chance sehen Sie eigentlich darin, dass wir über die Hohenzollern-Debatte diese Fixierung auf den 20. Juli hinterfragen?
Also wahrscheinlich ist die Chance, dass dabei jetzt wirklich neue Einsichten sich durchsetzen, relativ klein, weil nicht wirklich neue Fakten hervorkommen. Und weil die Argumente auch nicht neu sind. Ich glaube aber schon, dass bestimmte Dinge durch diese Debatte noch mal neu gemischt und verändert werden. Wenn diese Show von Jan Böhmermann zwei Millionen Zuschauer hat auf YouTube, dann liegt das sicherlich nicht daran, dass Millionen von Menschen plötzlich für historische Details Interesse haben. Sondern ich sehe zwei Dinge darin: Das eine ist, was hier diskutiert wird, sind Fragen, wie extreme soziale Ungleichheit hergestellt und bewahrt wird, denn letzten Endes geht es natürlich darum, dass hier eine sehr wohlhabende Familie Ansprüche stellt und nicht jeder in der Bundesrepublik versteht, warum sollen die jetzt eigentlich aus einer republikanischen Lesart noch zusätzliche Entschädigung bekommen? Also es geht um Ungleichheit, das ist das eine. Adel ist immer Ungleichheit, ohne Ungleichheit kann man ja Adel überhaupt nicht definieren. Das zweite ist in der Tat in der historischen Debatte, in der historischen Teildebatte, die da drinsteckt, ist natürlich dieser Blick auf den ehemaligen Kronprinzen und auf die Hohenzollern-Familie, die man aus mir nicht ganz erfindlichen Gründen in der Geschichtswissenschaft ein bisschen vergessen hatte, dass die jetzt plötzlich zurückkehrt und eigentlich sehr alte Fragen, die man, ich würde sagen, in Nürnberg, in den Nürnberger Prozessen 1945/46 schon diskutiert hatte, aus einer neuen Perspektive noch mal stellt. Also es ist nicht so, dass die Fragen neu wären, sondern man kann sagen, es ist eine neue Brille, die hier aufgezogen wird und man sagt, was können wir eigentlich lernen über den Januar 1933 und über die sogenannte Machtergreifung, wenn wir diese Geschichte aus der Perspektive dieses ehemaligen Herrscherhauses noch mal anschauen. Wie haben die sich eigentlich verhalten, wie argumentieren die, wen treffen die, wie sprechen die, was sind deren Ideale, was wollen die eigentlich? Und da entfaltet sich, also ich habe die Sache jetzt seit 20 Jahren gemacht, ich würde sagen, für mich ist das noch voll von Überraschungen gewesen, wenn man in diese Quellen noch mal im Detail reingeht. Die Geschichte muss nicht neu geschrieben werden, aber man bekommt ein ganzes Set von faszinierenden Einblicken in das rechte Milieu. Also man kann das rechte und rechtsradikale Milieu noch mal ganz anders aufschlüsseln und man kann fragen, was verbindet jetzt den Bauern aus Pommern und das sogenannte Ladenmädchen vom Ku’damm mit Prinz Eitel Friedrich von Preußen? Und welche Form der Kommunikation können diese drei Figuren finden, um gemeinsam dann auf einer NS- oder Stahlhelm-Veranstaltung gemeinsam gegen die Republik zu agieren? Was sind die emotionalen und kulturellen und symbolischen Linien, die die verbinden, und welche Träume können diese drei Figuren miteinander träumen? Es gibt ja kein historisches Feld, jedenfalls nicht in Deutschland, das dichter bestellt und erforscht wäre als die Weimarer Republik und das Dritte Reich. Aber man kann sagen, es gibt sehr wenig oder zu diesen Spezialfragen überhaupt keine Forschung. Und es ist erstaunlich, dass man das bislang vergessen hat. Ich rechne nicht mit irgendeiner Revolution, die dabei jetzt herauskommen wird, also in Form von Erkenntnissen, aber durchaus damit, dass man das noch mal nuanciert und neu darstellen kann. Und so funktioniert ja im Grunde Geschichtswissenschaft dann, wenn sie interessant ist, immer. Also die französische Revolution erforschen wir jetzt auch nicht erst seit gestern, aber trotzdem gibt es dann praktisch Perspektiven, in denen zum Beispiel die Geschichte des Jakobinismus oder die Frage, wie sich Frauen in der französischen Revolution verhalten, noch mal vollkommen neu stellen. Und so einen Moment würde ich vielleicht im besten Fall von dieser Debatte erwarten.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Malinowski.
Das war unser History and Politics Podcast mit Stefan Malinowski zu den Entschädigungsforderungen des Hauses Hohenzollern und zur Rolle des Adels in der Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus.
Wenn Sie mehr über dieses Thema erfahren möchten, werfen Sie gern einen Blick in das Buch von Stefan Malinowski „Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat“. Es ist bereits 2003 erschienen. Aktuelle Informationen über die politische Auseinandersetzung mit den Gutachten der Historiker im Fall Hohenzollern finden sich unter anderem auch auf der Internetseite des Deutschen Bundestags.
Alle weiteren Informationen zur Arbeit des Bereich Geschichte und Politik der Körber-Stiftung finden Sie auf unserer Stiftungswebsite. Dort gibt es natürlich auch alle Folgen unseres History and Politics Podcasts. Das war´s für heute, ich danke Ihnen für das Zuhören und hoffe, dass Sie auch beim nächsten Mal wieder dabei sind, wenn wir fragen, wie die Geschichte unsere Gegenwart prägt.
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