Wenn Sprache versagt: Über den Genozid an den Jesiden
Im August 2014 beging die Terrormiliz IS Massaker an den Jesiden im Nordirak. In ihrem neuesten Roman „Vierundsiebzig“ versucht die Schriftstellerin Ronya Othmann, das Unaussprechliche in Worte zu fassen. Über die lange Geschichte von Gewalt gegen die Jesiden spricht sie mit dem Theologen Johann Ev. Hafner. Es moderiert Nadine Kreuzahler.
“Im August 2014 sitze ich vor dem Fernseher. Ich sehe Frauen in den Kleidern meiner Großmutter, meiner Tante, meiner Cousinen, sehe Männer wie meinen Großvater, meinen Vater, meine Onkel, meine Cousins um ihr Leben rennen.”
Mit ihrem neuesten Werk „Vierundsiebzig“ fasst die Autorin Ronya Othmann das Unbeschreibliche in Worte: Den Völkermord an der jesidischen Bevölkerung 2014 im nordirakischen Schingal durch die Terrormiliz Islamischer Staat. Tausende wurden getötet und verschleppt, Hunderttausende vertrieben, so die Schätzung der Vereinten Nationen.
Dieser 74. Genozid reiht sich ein in eine lange und brutale Geschichte der Gewalt gegen die jesidische Bevölkerung in den Gebieten des heutigen Iraks, Syriens und der Türkei. Othmanns Titel „Vierundsiebzig“ nimmt darauf Bezug.
Die Schriftstellerin liest Passagen aus ihrem Werk und berichtet darüber, wie sie die Massaker literarisch verarbeitet hat. Ihr Werk wurde im September in die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2024 gewählt.
Mit dem Religionswissenschaftler Johann Ev. Hafner bespricht sie, wie sich das letzte Massaker in die Geschichte der Verfolgung und Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden einfügt.
Es moderiert die Journalistin Nadine Kreuzahler.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Zehn Jahre nach dem Genozid an den Êzîdinnen und Êzîden. Erinnern – Aufarbeiten – Konsequenzen“ der Interkulturellen Werkstatt e.V., der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und der Women for Justice e.V.
Johann Ev. Hafner ist Mitherausgeber des Bands „Ferman 74 - Der Genozid an den Jesiden 2014/15“. Seit 2017 ist er Direktor des „Forum Religionen im Kontext“ und Geschäftsführender Direktor des Instituts „Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde“ an der Universität Potsdam. Dort ist der habilitierte Theologe seit 2004 Professor für Religionswissenschaft am Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft.
Ronya Othmann, als Tochter einer deutschen Mutter und eines kurdisch-jesidischen Vaters in München geboren, schreibt Lyrik, Prosa und Essays und arbeitet als Journalistin. Ihre Arbeit wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Ein Auszug aus „Vierundsiebzig“, ihrem zweiten Roman, erhielt 2019 den Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs. Ronya Othmann lebt in Berlin.
Nadine Kreuzahler ist freie Kulturjournalistin, Literaturkritikerin und Moderatorin. Seit 20 Jahren ist sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig und beim rbb eine der Hosts und Autorinnen des Literaturpodcasts „Orte & Worte“. Sie berichtet über die Berliner Kultur- und Literaturszene, sitzt in Literaturpreis-Jurys und moderiert auf Bühnen sowie für Podcasts wie „Pressefreiheit grenzenlos“.
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